Duisburg.. Mit einer bewegenden Gedenkfeier erinnerte sich Duisburg am Mahnmal an den Jahrestag des Loveparade-Unglücks: In den vier Jahren nach dieser Katastrophe seien die Stadt Duisburg, ihre Bürger, die Hinterbliebenen und die Verletzten „zu einer Art Schicksalsgemeinschaft“ geworden, sagte OB Sören Link.

Vanessa Retza war 15 Jahre alt, als sie am 24. Juli 2010 in das tödliche Gedränge an der Rampe im Karl-Lehr-Tunnel geriet. Auf den Tag genau vier Jahre später steht die junge Frau aus Hochfeld auf der Bühne und trägt mit drei Leidensgenossen ihre Erinnerungen und Gefühle vor, die allen Betroffenen, die überlebten, in diesen schlimmsten Minuten des Katastrophentages durch den Kopf gingen: „Was passiert hier?! Enge! Wo ist meine Freundin? Keine Selbstkontrolle! Wann bin ich hier raus?! Hilfe! Es riecht nach Angst! Ich will nicht sterben!“

Diese Schlagworte, stakkatohaft vorgetragen, lassen die Zuhörer erschaudern. Und inne halten. Ein Kloß-im-Hals-Moment. Weil jetzt, dank dieser wenigen Worte, sogar all jene nachempfinden können, die damals nicht selbst dabei waren, welches Grauen sich vor vier Jahren in dem Tunnel abgespielt hat. Die Kraft dieser Worte ist erschütternd.

Bei der Gedenkfeier am Loveparade-Mahnmal anlässlich des vierten Jahrestages der Katastrophe war dies nicht der einzige emotionale Moment. Der Auftritt der Rock-Band Axxis bewegte ebenfalls die Gemüter, traf viele mitten ins Herz. Als die aus NRW stammende Formation um Sänger Bernhard Weiß (49) die ersten Akkorde ihres Loveparade-Liedes „21 Crosses“ anspielte, erhoben sich alle Anwesenden von den Holzbänken, die vor der mit Sonnenblumen dekorierten Bühne aufgestellt waren.

Sie erhoben sich, weil alle fühlten, dass sie das nun tun müssen – weil sie dieser besondere Augenblick so mitnahm. Zahlreiche Angehörige und Traumatisierte strömten nach dem Ende der Zeremonie zum Bandbus, um sich bei den Musikern ebenso persönlich wie aufrichtig zu bedanken. Und die sonst so harten Rocker waren ob dieser Gesten echter Dankbarkeit mehr als nur ergriffen.

Sören Link: Duisburg, die Hinterbliebenen, die Verletzten sind "eine Art Schicksalsgemeinschaft"

Hörbar ergriffen war auch Oberbürgermeister Sören Link, der bei der Gedenkfeier als Erster ans Mikrofon getreten war. Er sagte, dass er im Laufe der vergangenen zwei Jahre in unzähligen Gesprächen mit den Angehörigen vieles über das Leben der Verstorbenen erfahren habe. „Aus Namen sind so 21 Menschen für mich geworden, 21 Gesichter, 21 Zukunftspläne, 21 Persönlichkeiten. Die so entstandene Nähe macht mir das Gedenken heute viel einfacher, aber auch so viel schwerer“, sagte der OB. Und dann geriet seine Stimme ins Stocken: „Begegnen werde ich ihnen nie!“

In den vier Jahren nach dieser Katastrophe seien die Stadt Duisburg, ihre Bürger, die Hinterbliebenen und die Verletzten „zu einer Art Schicksalsgemeinschaft“ geworden, sagte Oberbürgermeister Sören Link. Und er dankte vielen – auch jenen, „die sich für die Bewältigung dieser Tragödie einsetzen“

Luftballons erinnern an Tote und Verletzte der Loveparade-Tragödie

Ein Gänsehaut-Moment fand eine ungeplante Wendung. Eigentlich sollten 21 rote Ballons – einer für jeden Verstorbenen – und über 600 weiße Ballons – einer für jeden Verletzten – in den blauen Abendhimmel über Duisburg emporsteigen. Während das Knäuel der Weißen wie gewünscht emporschwebte und kurz darauf am Horizont verschwand, blies der Wind die Roten geradewegs in die erste Baumkrone. Dort blieben sie hängen.

Pfarrer Jürgen Widera, gleichzeitig Ombudsmann für alle Loveparade-Opfer, hatte in seiner Ansprache die Ballons als „Verbindungsmittel zwischen Erde und Himmel, zwischen Lebenden und Toten“ bezeichnet. Einen Ballon steigen lassen, heiße auch, etwas loszulassen. Ein Symbol für die Trauer, aber auch deren Aufarbeitung. Am Ende sagte Widera: „Ich hoffe, dass der Strafprozess allen Opfern und Betroffenen ein Stück weit Gerechtigkeit zukommen lässt. Und Gottes Segen, dass Ihr das alles gut durchsteht.“