Duisburg. Wie sich der Duisburger Künstler Cyrus Overbeck gegen einen Strafbefehl wegen übler Nachrede vor dem Amtsgericht in Ruhrort wehrt.

Fragen der deutschen Vergangenheitsbewältigung kommen im Amtsgericht Ruhrort eigentlich nicht auf den Richtertisch. Aber in dem Fall, der am Montag in Duisburg verhandelt wurde, ging es auch um den Umgang mit der Nazi-Vergangenheit.

Grund für die gerichtliche Auseinandersetzung war ein Strafbefehl, gegen den sich der Duisburger Künstler Cyrus Overbeck wehrt. Der hatte Mitglieder des Stadtrats in der ostfriesischen Kleinstadt Esens hartnäckig anklagt, einen Neonazi zu decken, und war wegen übler Nachrede angezeigt worden. „Besonders schwerwiegend“ wiegt für die Staatsanwaltschaft, dass hier zwei Lehrer diskreditiert worden seien, einer davon auch Vorsitzender des ökumenischen Arbeitskreises in Esens.

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Die Vorgeschichte der Auseinandersetzung ist lang, im Mittelpunkt steht der Maler und Galerist Hans-Christian Petersen, Sohn von Wilhelm Petersen, der als „Kriegsmaler der SS“ auch zu den Lieblingsmalern von Adolf Hitler gehörte. Dessen Kunst war unbestritten „völkisch, identitär kriegsverherrlichend und antisemitisch“, so Overbecks Anwalt Marcus Böttger.

Bei den Duisburger Akzenten hat Cyrus Overbeck anlässlich der Aufführung von „Rose and The War“ in der Alten Brotfabrik ein nationalsozialistisches Bild erläutert.
Bei den Duisburger Akzenten hat Cyrus Overbeck anlässlich der Aufführung von „Rose and The War“ in der Alten Brotfabrik ein nationalsozialistisches Bild erläutert. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Nachdem Cyrus Overbeck (52), für den Esens über viele Jahre eine Wahlheimat war, darauf gestoßen war, dass Hans-Christian Petersen die Bilder seines Vaters über rechtsextreme Foren vertreibt, darunter der in Deutschland verbotene Thule-Verlag, und damit rassistisches Gedankengut verbreitet, hatte Overbeck 2019 im Rat von Esens beantragt, Werke von Hans-Christian Petersen im öffentlichen Raum zu entfernen.

Bildervertrieb über rechtsextreme Foren

„Nicht nachvollziehbar“, fanden das Ratsmitglieder, es habe „eine stets konstruktive Zusammenarbeit“ mit Petersen gegeben. Das „absurde“ Ansinnen Overbecks wurde abgelehnt. Daraufhin hatte der Duisburger in einer Flut von Mails an bekannte Politiker, Behörden und Medien Teilen des Esenser Stadtrats, von denen die zwei Kläger namentlich genannt wurden, eine rechtsextreme Haltung vorgeworfen.

Man wolle keinen politischen Meinungskampf im Gericht ausfechten, so Anwalt Böttger. Aber sei Hans-Christian Petersen nur ein „netter älterer Herr“, dessen Landschaftsbilder sicher nicht rechtsextrem sind? Böttger überreichte Richter Brebeck Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass Hans-Christian Petersen die Werke seines Vaters „mindestens seit 1993 in rechtsextremen Foren“ veröffentlicht hat, die wie der Thule-Verlag vom Verfassungsschutz beobachtet werden.

Die klagenden Ratsherren hätten diese Zusammenhänge völlig ignoriert und so „mittelbar gedeckt“. Will sich hier also eine Kleinstadt in Ostfriesland nicht mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen, will sie nicht hingucken, wenn ein angesehener Bürger die Nazi-Kunst seines Vaters an die verkauft, die die Nazi-Zeit verherrlichen?

Anfeindungen bis hin zu tätlichen Angriffen

Cyrus Overbeck bekam die Gelegenheit, sich ausführlich zu äußern. Er habe sich in Esens schon früh Anfeindungen ausgesetzt gesehen, die eskalierten, als er 2018 in einer Kanzelrede die Esenser dazu aufgefordert hat, die dunkle Vergangenheit ihres Städtchens nicht länger auszublenden. Schließlich sei er vor Hassmails, Morddrohungen, tätlichen Angriffen und gefährlichen Manipulationen an seinem Auto nach Duisburg geflohen. „Ich lebe in ständiger Angst und Vorsicht.“

Für Amtsrichter Brebeck und die Staatsanwaltschaft werfen diese Schilderungen und damit auch der Strafbefehl Fragen auf. Brebeck wird zur Erhellung ein historisches Gutachten beauftragen.

>>> Künstler mit einem Lebensthema

  • Cyrus Overbeck machte bei der Schilderung seines Werdegangs deutlich, warum ihm der Kampf gegen Neofaschismus, Rassismus und Antisemitismus ein Lebensthema ist. Er sprach über seine persischen, jüdischen und deutschen Wurzeln.
  • Seine Duisburger Großeltern haben im Nationalsozialismus Widerstand geleistet und mit Hilfe ihrer Brotfabrik in Beeck Juden gerettet. Sein Großvater sei dafür gefoltert und an die Front geschickt worden, ihm sei eine humanistisch-demokratische Erziehung seines Enkels wichtig gewesen sei.