Duisburg-Homberg. Brigitte Bobbert und Mechthild Mench bieten kostenlose Trauerspaziergänge in Homberg an. Dabei wird nicht nur geweint, sondern auch gelacht.
Wie viele Tränen kann ein Mensch haben? Es gibt diese Zeiten, in denen Trauer so groß wird, dass das Fass überläuft. Dann kann reden ein Rettungsanker sein. Wenn da nicht dieses Gefühl wäre, dass man denen, die zuhören, nicht schon wieder mit den eigenen Problemen zur Last fallen will. Also zieht man sich lieber zurück, macht den Schmerz nach dem Verlust eines geliebten Menschen mit sich alleine aus und der Kloß im Hals wird immer dicker.
Brigitte Bobbert und Mechthild Mench kennen dieses Problem ganz genau. Sie arbeiten als ehrenamtliche Trauerbegleiterinnen und haben in ihrer Ausbildung vor allem eines gelernt: wie heilsam das Zuhören sein kann. Weil persönliche Begegnungen in Pandemiezeiten zur Herausforderung geworden sind, bieten die beiden Frauen ihre Hilfe jetzt mit Unterstützung der evangelischen Kirchengemeinden Homberg und Essenberg-Hochheide in einer anderen Art an – als Trauerspaziergang.
[Duisburg-Newsletter gratis abonnieren + Seiten für Duisburg: Blaulicht-Artikel + MSV + Stadtteile: Nord I Süd I West + Themenseiten: Wohnen & Immobilien I Gastronomie I Zoo]
Wir treffen uns am Homberger Parkfriedhof. „Ich liebe diesen Ort! Hier gibt es ganz viel Schönes zu entdecken“, sagt Brigitte Bobbert. Auf den ersten Blick fällt es an diesem grauen Februartag dann doch eher schwer, den Friedhof als einen Quell der Freude zu erkennen. Aber das muss er ja auch gar nicht sein. Wenn die Ehrenamtlerinnen hier mit Trauernden unterwegs sind, dann geht es darum, einfach loszumarschieren und den Gefühlen und Worten in dieser doch etwas geschützteren Atmosphäre freien Lauf zu lassen. Es ist nun mal so, dass es sich auf einem Friedhof meist leichter weint als im trubeligen Stadtpark.
Die ersten Schneeglöckchen und Krokusse sind da
„Wir haben ganz tolle Erfahrungen mit der Trauerarbeit beim Spaziergang gemacht“, sagt Mechthild Mench. Manchmal kann alleine die Bewegung an der frischen Luft zumindest für kleine Aufhellungen im dunklen Seelenloch sorgen. Und: Auch für sie ist es leichter, wenn sie den Betroffenen nicht einfach nur gegenüber sitzt, sondern beim Reden den Blick durch die Umgebung schweifen lassen kann. Die ersten Schneeglöckchen und violetten Krokusse haben sich ihren Weg ans Licht gebahnt, ein Rotkehlchen hüpft über den Weg, auf einem Grab stehen sonnengelbe Narzissen in der Vase. So trist, wie anfangs gedacht, ist der Parkfriedhof im Februar dann doch nicht.
Wenn Eltern ein Kind verloren haben, übernimmt der Verein „Sternenkinder“
„Es muss aber nicht der Friedhof sein. Den Ort dürfen sich die Leute selber aussuchen“, erklärt Brigitte Bobbert. „Das kann auch der Uettelsheimer See sein, ein kleiner Park oder das Rheinufer.“ Der Kontakt beginnt immer mit einem Telefongespräch, in dem geklärt wird, um welchen Fall von Trauer es geht. „Danach überlegen wir, wer von uns beiden die Begleitung übernehmen kann“, sagt Mechthild Mench. Manchmal müssen sie auch weiter vermitteln; zum Beispiel, wenn es um Eltern geht, die ihr Kind verloren haben. „Dafür haben wir in Duisburg den Verein Sternenkinder.“
Wichtig ist den Trauerbegleiterinnen, dass es bei ihrem Angebot nicht um eine Therapie geht. Brigitte Bobbert und Mechthild Mench sind Expertinnen im einfühlsamen Zuhören und Mut machen. Sie geben keine Ratschläge, sondern vorsichtige Impulse, die im besten Fall wie kleine Blinklichter den Weg zurück in ein unbeschwerteres Leben flankieren.
Das Angebot, das von der evangelischen Kirche unterstützt wird, ist komplett kostenlos und an keine Konfession gebunden. Die Spaziergänge dauern meist ungefähr eine Stunde. Aber es gibt kein strenges Zeitlimit. „Wir brechen das nicht mittendrin ab, wenn es gerade noch wichtig ist.“ Anfangs können die Begegnungen bei Bedarf wöchentlich sein, danach werden die Abstände größer.
Es wird auch gelacht – zum Beispiel über Anekdoten aus dem Leben der Verstorbenen
Für die Gespräche gibt es kein konkretes Konzept. Die Inhalte ergeben sich spontan und orientieren sich an den Bedürfnissen der Trauernden. „Es geht auch darum, den Verstorbenen kennenzulernen“, erzählt Brigitte Bobbert. Das Eintauchen in die Vergangenheit kann gerade am Anfang ein Wechselbad der Gefühle sein – traurig und schön zugleich. „Aber es wird tatsächlich auch oft gelacht“, beschreibt die Trauerbegleiterin ihre Arbeit. Zum Beispiel über Anekdoten aus dem Leben der Verstorbenen.
„So widersprüchlich das vielleicht klingen mag, aber die Arbeit als Trauerbegleiterin macht mir große Freude“, sagt Brigitte Bobbert. Das liegt vor allem daran, dass sich eine unmittelbare Wirkung zeigt. „Es ist einfach wunderbar zu sehen, wenn die Fenster des Lebens wieder aufgehen und ich dabei zusehen kann, wie die Last weniger wird.“ Mechthild Mench kann dabei auch aus ihrer eigenen Lebensgeschichte Erfahrung, Kraft und Zuversicht schöpfen: „Ich habe persönlich erlebt, was Trauer mit einem machen kann“, sagt sie. „Aber ich weiß auch, wie es sich anfühlt, wenn man zurück ins Licht geht.“
>>> KONTAKT ZU DEN TRAUERBEGLEITERINNEN:
- Wer sich für das kostenlose Angebot der ehrenamtlichen Trauerbegleiterinnen Brigitte Bobbert und Mechthild Mench in den evangelischen Kirchengemeinden Homberg und Essenberg-Hochheide interessiert, kann sich telefonisch unter folgender Rufnummer melden: 02841/100135 (Kirchenkreis Moers).
- Zurzeit wird die Einzelbegleitung vor allem als Spaziergang angeboten. Für Menschen, die nicht mobil sind, gibt es je nach Pandemielage aber auch die Möglichkeit von Hausbesuchen oder telefonischer Beratung. Langfristig soll außerdem eine regelmäßige Trauergruppe im Haus der Gemeinde aufgebaut werden. Das Angebot ist nicht an eine Konfession gebunden.