Duisburg. An diesem Sonntag entscheiden Duisburgs Wahlbürger, ob Oberbürgermeister Adolf Sauerland im Amt bleibt. Die Zahl der Briefwähler soll groß sein, allerdings müssten mehr als 50.000 am Sonntag mit „Ja“ stimmen. Die Parteien haben sich in diesen heißen Wochen bemerkenswert zurückgehalten.
"Neuanfang für Duisburg“: Der ist nach der Loveparade-Katastrophe und den folgenden Verwüstungen nur ohne einen CDU-Oberbürgermeister Adolf Sauerland möglich, meint das Abwahlbündnis. „Keine Experimente“, kontern CDU und Sauerland in Adenauer’scher Zuspitzung. Entschieden wird am Sonntag.
Alle gegen eine(n): Schon im Dezember 2011 schmiedete sich das parteiübergreifende Abwahlbündnis gegen den OB. Das „riecht“ nach Parteien- und Lagerwahlkampf, nach Wort- und Materialschlachten. War es aber nicht, auch wenn CDU und OB die Gefahr der Rückkehr zu alten „Sozi-Zeiten“ an die Rathauswand malten.
Es geht um mehr als den Oberbürgermeister
Fast schon im politischen Eunuchentum schluckte die SPD unwidersprochen selbst eine Hochglanz-gedruckte OB-Bilanz all seiner Erfolge. Konsequent blieb das Bündnis dabei: Es gehe bei der Abwahl um Sauerland und seine politisch-moralische Verantwortung für die Loveparade-Katastrophe, vor allem sein Versagen danach. Und nicht um die Macht im Rathaus.
Und doch, natürlich ändert sich Duisburgs künftige politische Machtkonstellation, sollte Sauerland abgewählt werden. Darüber entscheiden am Sonntag rund 365 000 Wahlberechtigte; mindestens ein Viertel muss mit „Ja“ stimmen, für die Abwahl. 91 250 Stimmen gelten als magische Grenze. Ob die Stadt zur Ruhe kommt, falls die Abwahl an wenigen Stimmen scheitert, ist fraglich.
„Es wird knapp“
Mobilisieren, mobilisieren, mobilisieren ist die Devise des Abwahlbündnisses. Dass die Briefwahlbeteiligung hoch ist, von 40 000 ist die Rede, motiviert, „darf uns aber nicht in Sicherheit wiegen. Es wird knapp“, sagt Initiativsprecher Theo Steegmann.
Der Duisburger Rathaus-Parkplatz wird am Sonntag vollgeparkt sein mit Übertragungswagen. An die 100 Journalisten haben sich angemeldet. Loveparade und Sauerland, das ist deutschlandweit ein Thema. Erstmals steht ein Oberbürgermeister zur Abwahl, erstmals in NRW, bundesweit erstmals in einer Großstadt mit fast einer halben Million Einwohner.
Der letzte CDU-OB im Revier
Karl-Rudolf Korte, Politikprofessor an der NRW-School of Governance, warnte, dass eine Parteipolitisierung das Abwahlbegehren schwächen würde. Das Bündnis hat sich wohlweislich daran gehalten, die Parteien, voran die SPD, stellte lediglich „Personal“ für Infotische und griff in die Parteischatulle.
Direkte Angriffe auf Sauerland blieben aus. Und doch ist allen klar: Duisburg stimmt nicht nur über Sauerland ab, sondern macht mit seiner Abwahl den Weg frei für eine Neuwahl. Sauerland ist der letzte CDU-OB einer Revier-Großstadt, nachdem die Unions-Leute Oliver Wittke in Gelsenkirchen, Wolfgang Reiniger in Essen oder Hans-Georg Specht in Mülheim wieder abgewählt wurden.
„Er oder wer?“
2004 hatte der Walsumer Lehrer Sauerland mit der „Abwahl“ der SPD-Vorgängerin Bärbel Zieling die große Überraschung geschafft, Schwarz-Grün regiert seitdem die Stadt. 2009 behauptete sich der 56-Jährige im Amt. Seine hemdsärmelige Art kam an, merklich frischerer Wind wehte durch die Stadt. Seit Anfang 2011 aber bläst dem OB der rot-rot-grüne Gegenwind des neu geschmiedeten Ratsbündnisses ins Gesicht. Wird Sauerland abgewählt, ist auch seine CDU weg vom Fenster. Auch deshalb klammert sich seine Partei an ihn.
„Er oder wer?“, lautet deshalb auch die CDU-Losung. Sie fordert von den Sauerlandgegnern den Namen eines Gegenkandidaten. Die Katze soll aus dem Sack. Das Abwahlbündnis und die rot-rot-grüne Ratsmehrheit lassen sich nicht darauf ein: „Das ist keine OB-Wahl, sondern eine OB-Abwahl wegen der Loveparade.“ Alles andere kommt anschließend. Vielleicht schon Sonntagabend.
Appell zur Versöhnung
Die Sehnsucht nach einem Neuanfang auch der politischen Kultur ist groß. Neue „Würde“ für die Stadt mahnt das Abwahlbündnis an. Eine Persönlichkeit, die die Stadt wieder „eint“, verlangt der DGB und appelliert an die Politik, zu versöhnen und parteipolitische Interessen hintanzustellen. Personalprobleme hätte ja auch die CDU: So sehr sie jetzt alles daran setzt, Sauerland bis 2015 im Amt zu belassen – noch einmal antreten würde sie mit ihm nicht.