Duisburg. Das mehrwöchige Programm „Aspekte jüdischen Lebens im Duisburger Norden“ des Heimatvereins Hamborn enthält mehr als Geschichte. Das ist geplant.

Über die Jahrhunderte haben Jüdinnen und Juden in Hamborn Spuren hinterlassen: Orte wie der Friedhof am Mattlerbusch, das einst „Judenhaus“ genannte Gebäude an der Hagedornstraße in Marxloh oder die Gedenktafel an dem Ort, an dem früher die Synagoge stand, zeugen von der langen Geschichte jüdischen Lebens im Duisburger Norden. Diese Geschichte greift der Heimatverein Hamborn in den kommenden Wochen und Monaten auf. Das Programm besteht nicht nur aus Vorträgen und einer Ausstellung, sondern beinhaltet auch viel Kultur.

Und mit Kultur geht es gleich los: Der Vereinsvorstand freut sich ganz besonders auf den Klarinettisten Giora Feidman, der am 4. September in der Alten Brotfabrik in Beeck spielen wird. „Ein echter Hochkaräter, weltberühmt“, sagt Historiker Thorsten Fischer. Der 1936 als Sohn jüdischer Einwanderer in Buenos Aires geborene Feidman gilt als einer der besten Protagonisten der Klezmer-Musik, einer jahrhundertealten jüdischen Musiktradition.

Heimatverein Hamborn mit dem Heimatpreis NRW geehrt

Das Projekt „Aspekte jüdischen Leben im Duisburger Norden“ des Heimatvereins hat schon vor der Umsetzung viel Lob geerntet. Anfang Juli durfte der Vorstand um Jörg Weißmann und Thorsten Fischer den Heimatpreis NRW durch Ministerin Ina Scharrenbach entgegennehmen. „Eine große Ehre und Anerkennung unserer Arbeit“, sagt Mittelalterhistoriker Fischer, „zumal wir die einzigen Preisträger in der Kategorie Geschichte sind“.

Damit für das Projekt genug Geld zur Verfügung steht, hat der Vorstand in den vergangenen Monaten viele Förderanträge gestellt. Das Bundesministerium bezuschusst in diesem Jahr Projekte, die „sichtbar und erlebbar machen, wie sehr 2021 das jüdische Leben in Deutschland blüht“.

Auf das Klezmer-Konzert mit Giora Feidman folgt am 18. und 19. September ein Vortragswochenende. Dr. Maxi Platz und Dr. Kai Thomas Platz werden über einen archäologischen Fund in der Nähe des Stadtarchivs referieren. Dort wurde 1984 ein Fundament ausgegraben, von dem man lange dachte, es handele sich um einen ehemaligen Adelssitz. Eine Fehldeutung, weiß man heute, und vermutet anhand der Grabungsakten nun, dass dort einst eine Synagoge stand. „Das wäre eine Sensation“, sagt Fischer, „weil wir in Duisburg nur wenige jüdische Spuren aus dem Mittelalter haben“.

Entwicklung der Corona-Pandemie abwarten

Alexander Drehmann von der jüdischen Gemeinde (l.) war Gastgeber, als Ministerin Ina Scharrenbach dem Heimatverein Hamborn in Person von Jörg Weißmann den Heimatpreis NRW überreichte.
Alexander Drehmann von der jüdischen Gemeinde (l.) war Gastgeber, als Ministerin Ina Scharrenbach dem Heimatverein Hamborn in Person von Jörg Weißmann den Heimatpreis NRW überreichte. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Thorsten Fischer selbst wird am folgenden Tag daran anknüpfen und den Zuhörerinnen und Zuhörern den Forschungsstand zu jüdischem Leben an Rhein und Ruhr im Mittelalter erläutern, mit Schwerpunkt auf dem Duisburger Raum.

Den nächsten Vortrag hält am 20. Oktober Dr. Ludger Heid zu jüdischen Arbeitern im Bergbau des Ruhrgebiets – mindestens 4000 seien es zeitweise gewesen, sagt Fischer. Die hatten auch auf die Sprache der Kumpel Einfluss: Das Wort Maloche stammt aus dem Jiddischen. Jörg Weißmann referiert am 4. November über die jüdische Synagogengemeinde um 1900, Alexander Drehmann und erneut Ludger Heid am 18. November schließlich über die Geschichte der Duisburger Synagogengemeinde nach dem Holocaust, ab 1949.

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Alle Vorträge werden auch in einer Publikation verschriftlicht, die parallel zum Programm entsteht. Ein Katalogteil im Buch soll zudem die Tafeln der Ausstellung enthalten, die der Heimatverein im Oktober in der Brotfabrik eröffnen will. Wann und wie, ist noch nicht abschließend geklärt und hängt auch von der weiteren Entwicklung der Corona-Pandemie ab – ebenso wie die Zeiten, zu denen die Ausstellung dann besuchbar sein wird.

Cyrus Overbeck: Schülerprojekt zum Tagebuch der Anne Frank

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Die Öffnungszeiten werden auch deshalb begrenzt sein, weil in der Brotfabrik Cyrus Overbeck sein Atelier hat und darin arbeitet. Der Künstler unterstützt den Heimatverein nicht nur als Gastgeber: Weil die Gage von Giora Feidman nicht im Antrag auf die Fördergelder enthalten war, hat sich Overbeck zur Übernahme der Kosten bereit erklärt. Zudem möchte er mit Schülern ein Projekt durchführen und sich dabei kreativ dem Tagebuch der Anne Frank annähern.

Natürlich will der Vereinsvorsitzende Jörg Weißmann über die VHS Duisburg auch wieder zwei thematische Führungen durch Hamborn anbieten. Vor allem aber ist der Heimatverein mit seinen Ideen noch nicht am Ende. Thorsten Fischer betont deshalb: „Da kann überall spontan noch etwas dazukommen.“

>> GIORA Feidman: EINLASS NUR FÜR GEIMPFTE UND GENESENE

• Der Eintritt zum Konzert mit Giora Feidman am 4. September um 20 Uhr ist kostenlos – eine Spende für den jüdischen Kindergarten ist erbeten. Karten gibt es im Buchladen des Mercator-Verlags in der Ruhrorter Horst-Schimanski-Gasse oder unter 0203 34682521. Der Einlass ist nur für Genesene oder zweifach Geimpfte möglich – Schnell- oder PCR-Tests reichen nicht aus.

• Alle Veranstaltungen werden nochmals separat angekündigt. Wer Interesse am Projekt „Aspekte jüdischen Lebens im Duisburger Norden“ hat, erreicht Jörg Weißmann unter joerg.weissmann@asi-online.de oder 0171 5375706. Der Heimatverein würde es ausdrücklich begrüßen, wenn sich auch Schulen für einen Besuch der Ausstellung oder andere Teile des Projekts interessieren.