Duisburg. Duisburg ist Drehort für eine Serie. Regisseur Béla Can Leon (23) greift in der Handlung die Krankheit Epilepsie auf – an der er selbst litt.
Das Gefühl etwas zu verpassen, etwas nicht machen zu können, obwohl man es gerne möchte: Wohl jeder wird diese Empfindung schon verspürt haben. So auch Béla Can Leon aus Duisburg: „Als ich acht Jahre alt war, erhielt ich die Diagnose Epilepsie“, sagt der 23-Jährige, der deshalb in seiner Jugend auf vieles verzichten musste. Seine Erfahrungen hat der junge Drehbuchautor und Regisseur jetzt in das ambitionierte Filmprojekt „Am liebsten schon gestern“ einfließen lassen.
„Ich sehe Filme als Sprachrohr zur Verarbeitung von persönlichen Krisen“, sagt Béla Can Leon, der in Duisburg lebt, aber in Köln Filmdesign studiert. Als Teil seiner Bachelorarbeit hat er dank einer kulturellen Förderung vom Land mit einem 53-köpfigen Team aus Kreativen ein Serienkonzept erarbeitet, das verschiedenen Sendeanstalten und Produktionsfirmen vorgelegt werden soll. Im ersten Schritt wurden in der Stadt an Rhein und Ruhr Trailer gedreht.
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„Am liebsten schon gestern“: Hauptfigur Leon ist Epileptiker
Dabei hat die Hauptfigur Leon klar erkennbare autobiografische Züge. Denn nachdem der ehemalige Epileptiker kurz vor Beginn seines Studiums die Krankheit besiegt hat, stehen ihm auf einmal ungewohnte Freiheiten offen, die er nutzen will, um seine Pubertät mit einer To-do-Liste nachzuholen. Darauf stehen Dinge wie ein Mädchen küssen oder Partys erleben.
„Die Serie soll zeigen, wie merkwürdig die Welt für jemanden aussehen kann, dem vieles lange verwehrt blieb“, sagt der Duisburger. Und so erkundet die Hauptfigur erstmals eine Welt abseits der sicheren vier Wände. Laut, bunt, manchmal auch ein bisschen schmutzig. Dabei realisiert er, dass auch andere Menschen einen Nachholbedarf verspüren. So wie der Schöpfer der Serienfiguren einst selbst.
Béla Can Leon erlebte bis zu 30 epileptische Anfälle am Tag
In seiner Pubertät erlebt der Duisburger bis zu 30 epileptische Anfälle am Tag. „Ganz alltägliche Dinge wie zur Schule gehen, mit Freunden spielen oder raus gehen, durfte ich ab da an nur noch mit einer erwachsenen Aufsichtsperson“, sagt Béla Can Leon. Das Klassenzimmer tauscht er gegen das Krankenbett. In der Oberstufe fallen Partys für ihn flach.
Bis zu seinem 17 Lebensjahr beherrschten ihn die Anfälle. Seine große Hoffnung zu diesem Zeitpunkt: „Die Epilepsie könnte in meiner Pubertät rauswachsen und ich dürfte fortan ein ganz normales Leben führen.“ Und so kam es auch. Die Anfälle hörten auf, die Tabletten wurden weniger. „Mit 18 kam dann schließlich die offizielle Bestätigung seitens der Ärzte, dass ich die Krankheit vollständig besiegt habe“, und für den jungen Erwachsenen ergaben sich ganz neue Möglichkeiten.
Dreharbeiten abgeschlossen – Duisburg als Metapher
Mittlerweile sind die Dreharbeiten für die ersten Serienschnipsel abgeschlossen, das Team findet sich nun im Schnitt. Gedreht wurde etwa im Stapeltor, im Landschaftspark oder einer Wohngemeinschaft in Duisburg. Orte wie die Ruhrorter Mühlenweide sowie die Mercatorinsel bilden für die Serie ebenfalls wichtige Schauplätze. Dazu kommen subtile Motive der Industriekultur und einige alternativ-angehauchte Studentenkneipen.
Die Stadt Duisburg ist aber nicht nur Schauplatz der gesamten Serie, sondern wird im Gesamtzusammenhang auch als Metapher etabliert, die für die Hauptfigur Leon steht. „Vergleicht man den Strukturwandel, dem sich alle Städte im Ruhrgebiet stellen mussten, mit der Pubertät, die jeder Mensch als Phase der Sozialisierung durchlebt, lässt sich feststellen, dass sowohl jeder einzelne Mensch als auch die Ruhrgebietsstädte unterschiedlich gut durch diese Phasen durchgekommen sind“, sagt der Student.
Im Juli oder August sollen sich auch andere von der Idee überzeuge lassen können. Dann ist eine Vorführung der Trailer im Filmforum geplant. Und vielleicht beißt auch eine Sendeanstalt an und die Serie wird im TV oder auf Streaming-Diensten wie Netflix oder Amazon ausgestrahlt. „Wir sind mit einigen Produktionsfirmen und Sendern in Kontakt“, sagt Béla Can Leon hoffnungsvoll.
>> VOR UND HINTER DER KAMERA
- Béla Can Leon ist nicht nur hinter, sondern auch vor der Kamera aktiv. Im vergangenen Jahr stand der junge Schauspieler für den „Tatort Köln“ und für Ferdinand von Schirachs Serie „Strafe“ vor der Kamera.
- In einer kleineren Rollen hat er schon für Babylon Berlin gespielt. Auch für die Netflix-Serie „How to Sell Drugs Online (Fast)“ stand er vor der Kamera, doch lediglich als Double des Hauptdarstellers.
- Hinter der Kamera sind starke Frauenrollen und männliche Figuren, die nicht dem Stereotyp entsprechen, seine Leitmotive. Außerdem haben seine Arbeiten immer autobiografische Bezüge.