Duisburg. Der Migrationsbeauftragte des Queeren Zentrums kritisiert, dass viele Flüchtlinge schwule Landsleute bedrohen, etwa in Marxloh und Hochfeld.
Seit 32 Jahren ist der Verein Pink Power eine Anlaufstelle für Schwule in und um Duisburg. Seit diesem Jahr ist er auch offen für andere Geschlechter und sexuelle Orientierungen – und Migranten. Denn die sind besonders oft Stigmatisierung ausgesetzt, oft durch die eigenen Landsleute. Frank Abbas ist Migrationsbeauftragter des Vereins und arbeitet als selbstständiger Integrationscoach in Hochfeld. Er kritisiert Muslime als zu intolerant gegenüber Homosexualität, besonders in Marxloh und Hochfeld.
Sie sind 47 Jahre alt – das heißt, Sie waren selbst noch von der Stigmatisierung durch Paragraf 175 betroffen, der Homosexualität unter Männern bis 1994 unter Strafe stellte.
Frank Abbas: Nicht nur das, ich war in evangelikalen Kreisen unterwegs, wo man versucht hat, mich zu „heilen“. Ich habe mich auch erst mit 32 geoutet, vorher habe ich ein Doppelleben geführt. Das alles führte zu einem Trauma, das mich stark belastet hat.
„Intolerante, homophobe Leute ins Land gelassen“
Ist das der Grund, warum Pink Power einen Stammtisch für homosexuelle Migranten anbietet?
Wir sind stadtweit sogar der einzige Verein, der ein solches Beratungsangebot hat. Es ist so, dass gerade Migranten und auch ihre in Deutschland geborenen Nachkommen unter Stigmatisierung und Gewalt leiden. In diesem Punkt kritisiere ich auch ausdrücklich die deutsche Flüchtlingspolitik: Hier wurden intolerante, homophobe Leute ins Land gelassen, die ihre eigenen Landsleute bedrohen.
Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Ich weiß von einem Afghanen, der mit Kopf in die Toilette gesteckt wurde. Viele Migranten haben Angst vor einem Outing. Und genau das ist der Punkt: Wir finden die Therapieversuche in manchen Kirchen schlecht, aber dann muss das auch für Moslems gelten. In Marxloh oder Hochfeld sollte man sich nicht öffentlich als Homosexueller zu erkennen geben – Händchen halten und sowas. In der Innenstadt ist das kein Problem, aber da?
Straßenstrich mit Minderjährigen rund um die Pauluskirche
Immerhin findet in Duisburg ja jährlich der Christopher Street Day statt.
Ja, aber der hat mit seinem Ursprung nichts mehr zu tun. Der CSD entstand, als 1969 Polizisten in New York gewaltsam gegen Homosexuelle vorgingen. Er ist ein Protest gegen Unrecht. Und damit hat der CSD in der Innenstadt nichts mehr zu tun, das ist nur noch ein bunter Karnevalszug. Wenn man wirklich für Toleranz werben will, müsste man in Stadtteile wie eben Marxloh und Hochfeld gehen. Stattdessen diese Sexshow: Ich bin ein normaler Bürger und als normaler Bürger ziehe ich mich nicht aus. Ich verstehe nicht, was es mit Toleranz zu tun haben soll, wenn man im Tanga rumläuft.
Arbeitet Pink Power auch mit der Stadt zusammen?
Das ist schwierig, weil die die Probleme in den Vierteln nicht wahrnehmen. Rund um die Pauluskirche in Hochfeld gibt es einen Straßenstrich, da prostituieren sich homo- und heterosexuelle Männer. Viele Rumänen und Bulgaren und Jugendliche unter 16. Das, und all die Kriminalität, kommt eben dabei raus, wenn die Migranten nicht integriert werden. Ich habe im April die Stadt für die Zustände kritisiert, aber die wussten keine Lösung – die schauen weg.
Pink Power: Verein und „politische Bewegung“
Wenn die Stadt nichts tut, wie können Sie dann helfen?
Indem ich mit den Kirchen in Dialog trete. Die Kirche ist kein Feind, aber ich suche die Auseinandersetzung. Man sollte auch Muslime nicht verteufeln, sondern Gespräche mit ihnen führen. Ich brauche mich da auch nicht zu verstecken, ich stehe als Homosexueller nicht am Rand der Gesellschaft, sondern bin Teil ihrer Mitte. Das Grundgesetz sagt, alle Menschen seien gleich. Das heißt gleichberechtigt, denn gleich sind sie nicht. Es ist die Aufgabe von Inklusion, alle Menschen mit ihren Ungleichheiten zusammenzubringen. Das ist Pink Power. So wie Black Power sind auch wir nicht nur ein Verein, sondern eine politische Bewegung.