Duisburg. Das Denkmalschutz-Verfahren für den Stadtwerketurm in Duisburg wird sich länger hinziehen als geplant: Nach Einschätzung von Gutachtern ist der Aufwand für den Erhalt kaum zu realisieren. Der Turm des Kraftwerks sollte nur eine Lebensdauer von 50 Jahren haben, sagt Turm-Experte Constantin Verwiebe.
Während sich Donnerstagabend zum ersten Mal die Bürgerinitiative zur Rettung des Stadtwerketurms um die Initiatorin und Designstudentin Katharina Girnuweit traf, wird sich das Denkmalschutz-Verfahren länger hinziehen als zunächst geplant.
Denn wegen ausstehender Gutachten gibt es bisher noch keine abschließende Stellungnahme des Duisburger Energieversorgers. „Die Stadtwerke haben einen Antrag auf Fristverlängerung gestellt, die wir auch gewähren werden“, erklärte Stadtsprecherin Anja Kopka auf Nachfrage. Allerdings sei das Verfahren auch kein Alleingang der Stadt und ihrer Unteren Denkmalbehörde: Sämtliche Entscheidungen würden in Abstimmung mit dem übergeordneten LVR-Amt für Denkmalpflege mit Sitz in Pulheim erfolgen.
Der Turm soll nicht einfach so stehen bleiben
Die Stadtwerke haben damit jetzt bis zum Jahresende Zeit, um auf die vorläufige Eintragung in die Denkmalliste zu reagieren. Dass der 200 Meter hohe Dreifach-Schornstein, eines der identitätsstiftenden Merkmale der Stadt, aber wohl nicht so einfach als Landmarke stehen bleiben kann, zeigen bereits die ersten Einschätzungen von extern beauftragten Experten.
Bereits in dem Antrag auf Fristverlängerung ist die Rede von „substanzbedrohenden Schäden infolge Korrosion“ in einer der drei Röhren, die seit Dezember 2012 und der Abschaltung eines Kraftwerksblocks nicht mehr genutzt wird. Notwendige Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten seien wegen der Asbestproblematik nicht möglich, zudem erklärt der Gutachter: „Alle Maßnahmen die einer Verlängerung der Standzeit dienen, erfordern einen nahezu nicht realisierbaren technischen und statischen Aufwand.“
Trotz Sanierung könne der Stadtwerketurm nicht im Originalzustand bleiben
Die Aussagen geben den Stadtwerken bei der Debatte Rückenwind. Wegen des baulichen Zustands sei fraglich, ob eine Eintragung in die Denkmalliste gerechtfertigt ist, lautet die Argumentation. Denn selbst bei einer aufwendigen und teuren Sanierung könne der Turm nicht in seinem Originalzustand erhalten werden.
„Wir kommen unseren Verpflichtungen, die uns im Zuge des Denkmalschutzes auferlegt wurden, selbstverständlich nach“, sagt Stadtwerke-Sprecher Torsten Hiermann. „Aber wir müssen jetzt schon in den Erhalt des Turms investieren, obwohl wir ihn eigentlich so schnell wie möglich rückbauen wollen.“ Um die Frage der Standsicherheit und der Statik zu prüfen, haben die Stadtwerke jetzt einen Spezialisten beauftragt: Professor Constantin Verwiebe gilt als „Turm-Papst“ und hat unter anderem auch die Statik der Goldenen Leiter geprüft, die aus dem Forum in den Himmel ragt.
Duisburger Stadtwerketurm ist ein „industrieller Verschleißartikel“
Türme und Schornsteine sind seine Leidenschaft: Seit mehr als einem halben Jahrhundert beschäftigt sich Professor Constantin Verwiebe mit solchen Stahlkonstruktionen. „Ich habe ungezählte Stunden auf Schornsteinen verbracht, vermutlich sind es tausende“, sagt er. Zahlreiche weitere kommen derzeit hinzu: Die Stadtwerke haben ihn beauftragt, den 200 Meter hohen Turm unter die Lupe zu nehmen. Verwiebe soll den aktuellen Zustand bewerten und beurteilen, welcher technische Aufwand für den Erhalt des Turms nötig ist.
Seine Qualifikation dürfte über jeden Zweifel erhaben sein: Der 50-Jährige ist Schweißfachingenieur, Honorar-Professor an der hiesigen Uni und „öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Dynamik und Windingenieurtechnik schwingungsanfälliger Bauwerke“. Manche nennen Verwiebe auch einfach den „Turm-Papst“.
Gutachten wird noch Monate brauchen
Wer sich mit dem Experten unterhält, muss sich zwangsläufig fragen, ob sich die Stadtwerke für ihr Rückbau-Vorhaben nicht den Falschen ins Boot geholt haben: Verwiebe ist ein glühender Anhänger dieser Bauwerke, er wird es bedauern, wenn wieder eines der komplexen Konstruktionen von der Bildfläche verschwindet: „Ich persönlich könnte mir nach Ausbau der drei Rohre die tragende Fachwerkkonstruktion auch gut als Duisburger Eiffelturm vorstellen, mit der über den Aufzug erreichbaren Aussichtsplattform auf 180 Metern.“ Doch von emotionalen Aspekten lässt sich der Experte in seinem Fach nicht leiten. Verwiebe ist bei seiner Arbeit penibel, kontrolliert selbst für das Interview noch einmal die Zahlen, damit keine falschen Werte in die Öffentlichkeit gelangen.
Auch wenn sein Gutachten noch Monate brauchen wird, kann er eine Unmenge an Details über den Turm berichten, die Zahlen lassen die Dimension des Bauwerks und die Problematik erahnen: 200 Tonnen wiegt alleine das mittlere Aufzugsrohr, 550 Tonnen die drei Rohre, rund 600 Tonnen die tragende Fachwerkkonstruktion, unter dem Strich sind also rund 1350 Tonnen Stahl verbaut.
Die Röhren wurden mit Aluminium ummantelt
Rund 1,4 Tonnen bringt allein ein laufender Meter einer Röhre auf die Waage, die Segmente sind alle drei Meter geschweißt und alle neun Meter geschraubt, insgesamt mit 3420 Schrauben. Und da taucht auch schon das Problem auf: Um die Schrauben zu überprüfen, wie es eine neue Norm vorschreibt, muss man erst einmal an sie herankommen.
Doch die Röhren wurden 2003 nachträglich noch einmal „eingepackt“ und mit einer Aluverblendung ummantelt, weil die darunterliegenden schachbrettartigen Buckelbleche mit einem asbesthaltigen Anstrich versehen waren. Öffnen lässt sich die Hülle der Rohre eben auch nicht so einfach: Wegen der Schadstoffbelastung bedarf es einer abgesicherten Arbeitsweise und dafür der Genehmigung der Bezirksregierung, gleichzeitig wegen des Denkmalsschutzes einer weiteren Genehmigung der Behörde.
"Der Schornstein des Kraftwerks ist letztlich ein industrieller Verschleißartikel"
Die Schrauben im obersten Teil der Röhren zu prüfen, sei in jedem Fall notwendig, sagt Verwiebe. Denn auf der obersten Plattform hängen 60 Meter lange Röhrenabschnitte, von denen 20 Meter frei über die Plattform hinausragen und der Kraft des Windes standhalten müssen. „Das sind Kräfte, mit denen nicht zu spaßen ist“, sagt der Experte. Je 85 Tonnen bringt ein solcher Röhrenabschnitt auf die Waage. „Als hätte man drei D-Zug-Lokomotiven auf der Aussichtsplattform geparkt“, schafft Verwiebe einen bildlichen Vergleich.
„Man darf eben auch nicht aus den Augen verlieren, dass wir hier kein Denkmal aus Marmor haben, das für die Ewigkeit gebaut ist“, sagt der beauftragte Experte. „Der Schornstein des Kraftwerks ist letztlich ein industrieller Verschleißartikel, der auf eine Lebensdauer von rund 50 Jahren ausgelegt ist. Und deshalb ist die Uhr für solche Bauwerke irgendwann abgelaufen.“