Duisburg. Die Sondierungsbohrungen im Rheinhauser Wohnpark Franz-Schubert-Straße sorgen für einen riesigen Medien-Auflauf. Während die betroffenen Familien und die Anwohner ihre Ruhe haben möchten, gibt Bauunternehmer Seyhan Tekin Journalisten Auskunft.
„Rheinhausen Ost. Ausstieg rechts.“ Schon von der Rampe des Bahnhofs aus ist er zu sehen. Der Wohnpark Franz-Schubert-Straße liegt vielleicht hundert Meter nördlich der Gleise und erscheint wie eine ganz normale Baustelle im „fast fertig“-Status: Bauzäune umringen die verklinkerten Doppelhaushälften, statt Pflastersteinen liegen hier Euro-Paletten vor den Haustüren. Letztendlich erbringt der Postbote den Beweis, dass hier wirklich jemand wohnt.
Nur das Dröhnen eines Baufahrzeugs, wohl ein Bagger, durchbricht die Stille. Die Siedlung ist um kurz vor neun Uhr wie leergefegt. Hinterm Bauzaun sieht das anders aus: Immer wieder stoppen Passanten, neugierig schauen sie in Richtung des Dröhnens. „Ist das wegen der Bombe?“, fragt ein älterer Herr sein Gegenüber. Er bejaht und bekräftigt ein „ungutes Gefühl“, das er bei der „ganzen Sache“ zu haben scheint.
Daraufhin baut sich das lärmende Baufahrzeug hinter einem Erdhügel auf, und es wird klar: Das ist kein Bagger, sondern ein Bohrer. Mit seiner Hilfe will der Kampfmittelbeseitigungsdienst nun endgültig herausfinden, ob die Häuser an der Clara-Schumann-Straße tatsächlich auf einer Bombe gebaut wurden, wie es Luftbildaufnahmen vermuten lassen.
Ein gewaltiger Medien-Auflauf
Der Start zu den Sondierungs-Bohrungen hat einen gewaltigen Medienrummel ausgelöst. Um halb zehn tummelt sich ein rund 40-köpfiges Wirr-Warr aus Presse-, Rundunk- und Fernsehvertretern, Stadt-Mitarbeitern und Bomben-Experten im Matsch vor der mittigen Doppelhaushälfte. Hier wollten zwei Familien eigentlich künftig im Gartenstuhl sitzen. Jetzt blicken sie in die Kameras und Mikrofone der Nation, deren Anhängsel sich zum Teil mit Gummi-Stiefeln zum Bohr-Fahrzeug durchkämpfen.
Es wirkt paradox, wenn ein Sieben-Meter-Bohrer vor einem Terassenfenster in die Erde sticht, um nach einer Bombe zu suchen, während einige Meter entfernt - hinter einer anderen Terassentür - ein vielleicht fünfjähriges Mädchen spielt.
Auf der gesamten Baufläche ragen schon einige Plastik-Rohre wie überdimensionale Slalom-Stangen aus dem Boden. An diesen Stellen hat die Bohrstange schon ganze Arbeit geleistet: Sieben Meter tief und mit einem lauten Rattern schraubt sie sich an den pink markierten Stellen in die Erde. „Anschließend messen die Mitarbeiter mit einer Sonde das Erd-Magnetfeld, um metallische Gegenstände aufzuspüren“, sagt Gudela von Gronefeld, Expertin vom Kampfmittelbeseitigungsdienst. Bis zu 37 Mal wollen die Sprengstoff-Experten um den vermuteten Lagepunkt der Bombe herum in die Erde bohren.
Keine Gefahr durch den Bohrer
Nach den Luftbildern müsse sich der Einschlag „im Haus drin“ befinden, so die Expertin. Absperren oder evakuieren müssen die Behörden dafür nichts und niemanden. Ist es denn nicht gefährlich, wenn die Bohrspitze auf die Bombe trifft? „Das ist ein spezielles Bohrverfahren. Wenn die Spitze auf ein Objekt trifft, gleitet es daran ab“, sagt Expertin von Gronefeld. Zwischen 3000 und 6000 Euro, so vermutet sie, wird dieser Einsatz am Ende kosten. Darüber müssen sich die Anwohner jetzt aber nicht auch noch Gedanken machen:
Wie Stefanie Klockhaus, Sprecherin der Bezirksregierung Düsseldorf, erklärt, stemmt das Land Nordrhein-Westfalen die Kosten für die Untersuchung, die Bergung, das Personal und die Entsorgung von Kampfmitteln.
Keine Spekulationen
Währenddessen dreht sich die Bohrspitze immer wieder in die Erde. Für den Außenbereich des Rheinhauser Wohnparks deutet bis zu diesem Zeitpunkt erst einmal nichts auf einen Sprengkörper hin. Allerdings müssen die Experten um elf Uhr - nach drei Stunden - schon zum nächsten Termin und in Oberhausen-Buschhausen eine Bombe an der A 42 entschärfen. „Möglicherweise wird sich das die Woche hinziehen“, so Expertin von Gronefeld.
Über mögliche Szenarien möchte sie noch nicht spekulieren: „Was passiert, können wir erst sagen, wenn wir an einem Objekt dran sind und wissen, was für eine Bombe es ist.“ Besonders schwierig dürfte es werden, wenn ein Blindgänger mit Säurezünder gefunden würde. Möglicherweise müsste eine solche Bombe, wie vor einiger Zeit in München, vor Ort gesprengt werden.
Anwohner wollen einfach nur Ruhe
Noch aber steht nicht einmal fest, ob sich in der Erde überhaupt eine Bombe befindet. Nur, weil eine Karte einen Einschlagskrater zeigt, bedeute das nicht, dass die Bombe zwischenzeitlich nicht schon entschärft wurde. „Das wird aber erst seit einigen Jahren dokumentiert. Bei ungefähr 20 Prozent der Bohrungen finden wir letztendlich auch eine Bombe“, macht von Gronefeld deutlich.
Schlägt die Sonde im Außenbereich der Rheinhauser Siedlung nicht an, bohren die Experten durch den Kellerboden der betroffenen Häuser. „Bis der Verdachtspunkt vollständig ausgeräumt werden kann“, wie es Stadtsprecher Peter Hilbrands beschreibt. Die Anwohner wissen das bereits und sollten vorsorglich schon einmal die gerade eingebauten Stufen der Kellertreppe austauschen. Sie müssen also weiter zittern und abwarten, ob unter ihnen in der Erde eine Bombe liegt, oder nicht.
Wie sie diese Tage verbringen und was sie dabei fühlen? Darüber möchten die Hauseigentümer kaum noch sprechen. „Ich habe echt keine Lust, etwas zu sagen“, entgegnet eine vorbeikommende Anwohnerin.