Duisburg.. Für die Ausstellung „Jüdisches Leben in Duisburg“ interessieren sich Besuchergruppen jeden Alters. Mit ihr setzt das Zentrum für Erinnerungskultur ein Zeichen.

Schritt für Schritt wird Neuland betreten, denn das ist das „Zentrum für Erinnerungskultur“, das am Übergang von Stadtmuseum und Stadtarchiv im Innenhafen entsteht. Zwischen den Gebäuden gibt es inzwischen einen Durchbruch, die Einrichtung des „Denkstätte“-Raums hat begonnen, ab Herbst können sich in diesem „Geschichtslabor“ Gruppen mit der NS-Vergangenheit Duisburgs beschäftigten.

Museumsdirektorin Dr. Susanne Sommer zweifelt nicht daran, dass das Interesse vor allem bei Schulen groß sein wird. Schon die Auftakt-Ausstellung „Jüdisches Leben in Duisburg von 1918 bis 1945“ hat seit Mitte April Besuchergruppen jeden Alters angezogen. „Die Ausstellung ist kein Blockbuster, sie sollte ein erstes Zeichen setzen.“

Nah an den Schülern

Etwa 15 Schulklassen hat Robin Heun bislang durch die Ausstellung geführt. Der Duisburger, der in Trier und Bochum Politikwissenschaften und Geschichte studiert hat, wurde im März 2014 eingestellt; er gehörte schon vor seinem Master-Abschluss zum Team des Zentrums für Erinnerungskultur.

Der 27-Jährige ist nahe an den Schülern, hat sich durch seine ehrenamtliche Mitarbeit am Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung sowie durch Fortbildung in Demokratie-Pädagogik qualifiziert für die Arbeit an diesem „sehr sensiblen Thema“, bei dem es „auch sprachlich keine Ausgrenzung“ geben soll. Susanne Sommer: „Seine Aufgabe ist es, geduldig zu erklären, die Menschen sollen sich nicht unwohl fühlen.“ Grundsätzlich gilt: Kein erhobener Zeigefinger.

Das Geschehen greifbar machen

Bei den Führungen für Klassen werde das Schulbuch sozusagen runtergebrochen auf Duisburg, sagt Heun. Was Verfolgung in der NS-Zeit bedeutet hat, wird an Duisburgern wie Ludwig Leiser-Windmann deutlich: Am 10. November 1938 zerrte ihn ein SA-Trupp unter Gebrüll aus seinem Geschäft am Sonnenwall 52 und zerschmetterte ihm den Kopf an der Hauswand.

Er starb acht Tage später, die Täter blieben unbehelligt. Sonnenwall – das ist ein Ort, der das Geschehen greifbar macht. An die 45-minütigen Führungen schließt sich eine Gesprächsrunde an, in der Schüler mit Migrationshintergrund auch von eigenen Erfahrungen mit Ausgrenzung berichten – etwa bei der Wohnungssuche oder beim Disko-Besuch. Auch um die Sprache auf dem Schulhof geht es.

Teil der Menschheitsgeschichte

Einen Satz wie „Ich bin Polin, ich habe damit nichts zu tun“ habe er nicht gehört, sagt Heun. Die Schüler heute sähen die NS-Zeit als Teil der Menschheitsgeschichte, auch die Verflechtungen ihrer Herkunftsländer beschäftige sie. „Bombenentschärfungen, Bunker, Traumata, NS-Prozesse, Denkmäler – die NS-Vergangenheit ist Gegenwart“, sagt Heun. Da könne es keinen Schlussstrich geben, aber auch um Schuld gehe es nicht mehr.

Ganz unterschiedliche Gruppen buchen Führungen für Erwachsene, darunter sind auch ältere Duisburger. „Sie erkennen das alte Duisburg wieder, ihre eigene Geschichte und die Verbindung mit jüdischen Nachbarn“, sagt Susanne Sommer. „Wir zeigen, wie tief verankert das jüdische Leben in Duisburg war. Und dass seine Auslöschung geglückt ist.“ Denn neben historischen Fotos kann die Ausstellung nur sehr wenige einzelne Relikte präsentieren. „Jetzt machen wir dieses Leben wieder sichtbar.“