Duisburg. Nach langer Vorbereitung sind 16 Schülerinnen und Schüler aus Duisburg über die Alpen gewandert. So haben sie die kräftezehrende Tour erlebt.
Sie haben es doch noch geschafft: In nur sechs Tagen sind 16 Schülerinnen und Schüler des Walsumer Kopernikus-Gymnasiums mit ihren Lehrkräften über die Alpen gewandert. Lange hatten sie sich vorbereitet auf die Reise, die ursprünglich ein Jahr früher stattfinden sollte. All das Warten hat sich gelohnt: Nach ihrer Rückkehr schwärmen die Jugendlichen von ihren Erfahrungen; viele waren vorher noch nie in den Bergen gewesen. Ein Höhepunkt für die Gruppe war der Sonnenaufgang zwischen zwei Berggipfeln – und das Gefühl, zusammen zu gehören.
Schon im März 2020, als die Pandemie um sich zu greifen begann, wurde absehbar, dass die Tour so bald nicht durchgeführt werden kann. „Wir mussten wegen Corona alles absagen, was über das normale Lernen hinaus ging: Klassenfahrten, Wandertage, auch der einfache Ausflug zur Eisdiele war nicht mehr erlaubt“, sagt Sportlehrerin Silja Bruckwilder. „Um ehrlich zu sein, hatten wir selbst größte Zweifel, dass das jemals noch was werden könnte“, sagt sie. „Den Schülern gegenüber haben wir das natürlich nicht geäußert.“
Erst kam die Corona-Pandemie, dann der Bahnstreik
Gemeinsam mit ihrem Kollegen Tim Knobloch hatte sie zu Beginn des Schuljahres 2019/2020 ein Projekt initiiert, das mehr war als eine gewöhnliche Klassenfahrt. 16 Jungen und Mädchen sollten gemeinsam auf dem Fernwanderweg E5 die Alpen überqueren. Die Strecke führt von Oberstdorf im Allgäu nach Meran in Südtirol. Das ganze Schuljahr über hatten die Jugendlichen dafür trainiert, denn ohne die körperlichen Voraussetzungen ist die Tour mit all dem schweren Wandergepäck nicht zu schaffen.
Auch um Sponsoren musste sich die Gruppe kümmern, denn eine reguläre Klassenfahrt ist die Alpenquerung nicht. „Aufgrund der Regeln des Schulministeriums dürfen Eltern nur einen bestimmten Betrag beisteuern, deswegen mussten Sponsoren her. Wir wollten bei der Auswahl der Schüler auch keine soziale Selektion vornehmen“, sagt Bruckwilder.
Dennoch sei bis zum Vorabend der Abreise am 3. September unklar gewesen, ob die Tour würde stattfinden können, denn das Schuldezernat hatte die Erlaubnis angesichts der steigenden Inzidenz immer wieder zurückgezogen. „Alle Schüler sind aber geimpft, das war für die Übernachtungen in Österreich und Italien ohnehin notwendig“, betont Knobloch. Spontan mussten Eltern und Lehrer noch einen Bus organisieren, denn der geplante Abreisetag fiel inmitten des Bahnstreiks.
Murmeltiere und Steinböcke in einem ganz besonderen Lebensraum
Von Oberstdorf ging es über knapp 8000 Höhenmeter über den Pitztaler Gletscher bis nach Meran. 114 Kilometer hatte die Gruppe zu bewältigen, bis zu zehn Stunden am Tag wanderten die Jugendlichen und ihre Begleiter durch Schneefelder, überquerten tiefe Schluchten und durchliefen weite, grüne Täler. Über Ferngläser beobachteten sie sogar Steinböcke und Murmeltiere. Jeden Abend übernachteten die Schüler in Hüttenlagern.
„Das war manchmal eng und kalt, aber das stört nicht, wenn man müde ist“, sagt der 17-jährige Mischa Görgen. „Und ich habe mich in den Hütten immer aufs Essen gefreut.“
Für Schülerin Lara Kautz, die noch nie in den Alpen wandern gewesen war, eine besondere Erfahrung: „Es war zwar nicht so anstrengend wie gedacht, aber trotzdem sehr kräftezehrend“, sagt sie. Obwohl sie an einem Abend von Nasenbluten geplagt wurde und „völlig fertig“ war. „Die Gruppe hat mich immer unterstützt, das hat mir mental sehr geholfen. Und die Aussicht und das abendliche Beisammensitzen haben die Anstrengungen vergessen gemacht“, so die 16-Jährige.
Sonnenaufgang über den Bergen und Baden im Bergsee
An einem Morgen kletterten einige Schüler und Lehrer mit Stirnlampen ausgestattet auf einen Berggipfel, um den Sonnenaufgang zu beobachten. „Die Sonne ging genau zwischen zwei Gipfeln auf“, schwärmen die Schüler. Anderntags erreichten sie einen See hoch oben in den Alpen, mit kristallklarem Wasser. „Man konnte bis auf den Grund sehen“, sagt Larissa Ruller (17). „Einige haben sich sogar reingetraut, obwohl das Wasser ziemlich kalt war.“
Knieprobleme, Nasenbluten, Erkältungen und Blasen zum Trotz sei allen Schülern klar gewesen: Wir gehen weiter, sagt Lehrerin Bruckwilder. „Wir hatten das Ziel, dass alle ankommen.“ So habe man sich gegenseitig neu kennengelernt:
„Wir hatten ein Buddy-System mit unterschiedlichen Geschlechtern, das heißt: Alle hatten einen Partner, auf den man achten musste, ob es ihm gut geht. Dadurch hat man auch den anderen geholfen“, ergänzt Mischa. „Ich würde schon sagen, dass ich über mich hinausgewachsen bin. Ich bin kein neuer Mensch, aber habe einige neue Züge an mir“, sagt er. Larissa fügt hinzu: „Man ist reicher an Erfahrung und hat gelernt, an sich zu glauben.“
Auch die Eltern hätten zu Hause mitgefiebert, auch wenn nicht jeden Tag Neuigkeiten und Bilder aus den Alpen kamen. Die Faszination für die Region sei auf jeden Fall entfacht: „Einige Schüler überlegen, diese Wanderung nach dem Abi noch mal zu machen“, sagt Knobloch.
>>WIEDERHOLUNG DER ALPENQUERUNG MÖGLICH, ABER NOCH NICHT SICHER
• Ob Knobloch und Bruckwilder künftig wieder eine solche Tour anbieten werden, wissen sie noch nicht. „Wir müssen diese Wanderung, die ganzen zwei Jahre erst mal reflektieren“, sagt Knobloch.
• Zudem müssten Regelungen über Finanzierung und Umsetzung mit der Schule getroffen werden, ergänzt Bruckwilder. „Insgesamt haben wir aber den großen Wunsch, das noch mal anzubieten“, sagt sie. Welcher Jahrgang des Kopernikus-Gymnasiums sich darauf freuen kann, stehe aber noch nicht fest.