Duisburg. Nicht nur die „Omertà“ macht Prozesse gegen kriminelle Clans kompliziert. In Duisburg beobachten Ermittler immer wieder Einschüchterungen.
489 Ermittlungsverfahren haben die Sonderermittler des Projekts „Staatsanwälte vor Ort“ in Duisburg seit 2018 gegen 730 Mitglieder krimineller Clans zur Anklageerhebung gebracht. Was die Prozesse gegen die Großfamilien schwierig macht: Immer wieder werden Zeugen eingeschüchtert, schweigen dann in den Gerichtsverfahren.
Pikant ist dabei oft der Zeitpunkt, zu dem die Clanfamilien den Kontakt suchen. „Auffällig ist, dass die Kontaktaufnahme häufig dann erfolgt, nachdem die Verteidiger Akteneinsicht erhalten haben“, berichtet Oberstaatsanwalt Nils Wille. Namen und Adresse der Zeugen sind dort aufgeführt. Wille leitet das Sonderdezernat, das Erkenntnisse über die kriminellen Strukturen sammeln und Verfahren beschleunigen soll.
Clan-Kriminalität in Duisburg: Zeugen werden eingeschüchtert
Wie laufen diese Einschüchterungen ab? Meistens sind es nicht die Angeklagten selber, die diese Aufgabe auferlegt bekommen. Es sind andere Mitglieder der Clans. „Die Bedrohung findet dann unausgesprochen statt“, weiß Wille. Die Zeugen werden an öffentlichen Plätzen aufgesucht. Das Signal: Sie stehen unter Beobachtung der mächtigen Familien.
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Die Strafverfolgung wird durch weitere Punkte erschwert: In den Clans gilt, ähnlich wie in den italienischen Mafia-Familien, die „Omertà“, die Schweigepflicht. Und auch beim Streit zwischen rivalisierenden Großfamilien lehnen die Beteiligten die deutsche Justiz ab, setzen lieber auf sogenannte Friedensrichter.
Polizei beobachtet 75 kriminelle Clans
75 kriminelle Clans beobachtet die Polizei in Duisburg. Nach Erkenntnissen der „Staatsanwälte vor Ort“ haben sie nicht nur arabisch-libanesische Wurzeln, sondern sind auch türkischer, rumänischer und bulgarischer Herkunft.
In den Verfahren gegen die Clans geht es um Straßenkriminalität, Drogenhandel, Verstöße gegen das Waffengesetz, Geldwäsche und Wirtschaftskriminalität.
Von 2018 bis 2021 verhängten Gerichte in den Prozessen Freiheits- und Jugendstrafen von insgesamt 139,5 Jahren ohne Bewährung und 112 Jahren mit Bewährung.