Dortmund. Für viele Hunde ist Silvester Horror. Sie haben Angst, wenn es knallt. Eine Expertin sagt: Wie die Tiere reagieren, liegt auch an den Haltern.
Sie flüchten, zittern, verkriechen sich in der Dusche: Für viele Hunde ist Silvester eine pure Horror-Veranstaltung. Das unkalkulierbare Knallen draußen macht sie panisch – weil sie es nicht kennen, nicht einordnen können oder schlechte Erfahrungen gemacht haben. Das betrifft nicht alle, aber doch einige Hunde: „Etwa die Hälfte von ihnen haben an Silvester Angst“, schätzt Maxi Neukirchner nach den Berichten ihrer Kunden. Die Dortmunder Hundetrainerin verrät, wie man seinen Vierbeiner trotzdem gut über den Jahreswechsel bringt.
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Die schlechte Nachricht zuerst: Um dem Hund die Angst abzugewöhnen, ist es jetzt zu spät – zumindest für dieses Jahr. „Mit einer Gegenkonditionierung sollte man Anfang des Jahres anfangen“, sagt Neukirchner, die ihre Hundeschule „Individog“ seit vier Jahren an der Stadtgrenze zwischen Dortmund und Herdecke betreibt und auch einen Kurs dafür anbieten wird. Das entsprechende Training dauere Monate – und eine Garantie, dass es bei jedem wirkt, gebe es nicht, so die 27-Jährige.
Dortmunder Hundetrainerin rät zu doppelter Sicherung
Andere Maßnahmen sind schneller umzusetzen. „Als allererstes sollte man seinen Hund doppelt sichern, mit Halsband und Geschirr“, so die Trainerin. Und zwar nicht Ende Dezember, sondern jetzt schon. Schließlich könne schon jetzt jederzeit ein Böller hochgehen und den Hund in die Panik treiben. Unsichere Hunde, die auf Geräusche empfindlich reagieren, würden dabei nicht nur kurz zusammenzucken, sondern sich in ihre Angst so hineinsteigern, dass sie nicht mehr ansprechbar sind und in den Fluchtmodus kommen. „Und dann droht große Gefahr.“
Am besten sei es außerdem, die Knallerei so gut wie möglich zu vermeiden. An Silvester könne helfen, ganz früh Gassi zu gehen, auf die späte Abendrunde besser zu verzichten – so es denn die Blase der Hunde mitmacht. Auch im Haus könne man einiges tun, damit der Hund sich wohlfühlt. Rollläden runter, Musik an: Das kann in leichten Fällen schon was bringen, weiß die Trainerin. „Bei Hunden, die sich verkriechen wollen, kann es helfen, ihnen einen Rückzugsort anzubieten, eine Box, eine Höhle.“ So etwas müsse man aber schon jetzt einrichten und den Hund daran gewöhnen, damit er sich im Stress-Fall dort wohlfühlt.
Halter sollte Sicherheit und Ruhe ausstrahlen
Die für Neukirchner wichtigste Maßnahme setzt aber nicht bei den Hunden, sondern bei ihren Haltern an. Denn wenn das Tier nervös werde, dann liege das oft auch an seinem Besitzer. „Der Hund muss wissen, dass er seinem Menschen vertrauen kann, auch in stressigen Situationen“, sagt sie. Deshalb sei es wichtig, ihm Sicherheit zu geben. Dazu gehöre, die Tiere nicht zu bemitleiden. „Denn das bestätigt sie nur in dem Gefühl, dass es gerade wirklich schlimm ist.“
Besser sei es, den Hund einfach ruhig zu sich zu holen. Eine weitere Entspannungs-Methode, die man jetzt schon in verschiedenen Situationen üben sollte: „Den Hund zwischen den Beinen halten und ganz langsam mit der flachen Hand abstreichen, immer von oben nach unten oder vorn nach hinten – kein hektisches Kraulen.“ So komme der Hund zur Ruhe – und der Halter wahrscheinlich auch.
Gleichzeitig rät die Expertin, nicht all zu viel Aufhebens um die Knallerei zu machen. Oder sie sogar positiv zu verknüpfen. „Mit Leckerchen zum Beispiel, quasi eine Hundeparty feiern.“ Maxi Neukirchner weiß aber auch, dass das bei schweren Fällen nicht machbar ist. „Da hilft dann vielleicht nur noch, mit dem Hund Auto zu fahren, über die Autobahn am besten, da wird nicht geknallt“, sagt sie. Auch der Flughafen sei aus diesem Grund als Rückzugsort geeignet.
Medikamente nur im äußersten Notfall und in Absprache mit dem Arzt
Und was ist mit Beruhigungsmitteln? Dr. Juri Betcher empfiehlt, nur im äußersten Notfall zu Medikamenten zu greifen. „In neun von zehn Fällen rate ich davon dringend ab.“ Und wenn doch, dann sollten sie nur nach Absprache mit einem Tierarzt gegeben werden. Das Mittel, das der Nachbar-Hund bekommen habe, könne für den eigenen lebensgefährlich sein.
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Dazu komme, dass gängige Muskelrelaxanzien den Körper des Tieres zwar entspannten. „Aber im Kopf bekommt er alles weiterhin mit – und kann nicht mal mehr weg.“ Das sei eine Qual. Außerdem hätten die Arzneien immer auch Nebenwirkungen, es könne etwa zu Kreislaufproblemen kommen. Der Tierarzt empfiehlt seinen Kunden, lieber zu anderen Beruhigungs-Maßnahmen zu greifen – Jalousien runter, Fernsehen an, kuscheln. Und was ist mit einem Löffel Eierlikör? „Da ist Alkohol drin“, sagt Betcher lächelnd. „Das kann ich als Arzt nicht empfehlen.“
So geht es den Hunden im Tierheim
Für die Hunde im Dortmunder Tierheim ist die Silvester-Knallerei kein großes Problem. Die Anlage an der Hallerey in Dorstfeld grenzt an ein Naturschutzzentrum. „Daher ist es von Böllern glücklicherweise nicht direkt betroffen“, so die Stadt auf Nachfrage. Bei ängstlichen Hunden werde der Außenbereich zu ihrem Schutz in der Silvesternacht dennoch geschlossen.
Immer wieder landen aber an Silvester panische Hunde im Tierheim, die ausgebüxt sind. Die Mitarbeiter appellieren daher an alle Halter, ängstliche Hunde am Silvestertag beim Gassigehen gut zu sichern und auf Spaziergänge zu später Stunde am Silvesterabend zu verzichten.
Was genau die beste Entspannungs-Maßnahme für den vierbeinigen Silvester-Hasser zu Hause ist, das müsse jeder für sich selbst herausfinden, da sind sich die beiden Experten einig. „Jeder Hund ist ein Einzelfall“, sagt Hundetrainerin Maxi Neukirchner. „Ein einfaches Rezept für alle gibt es nicht.“ Nur eines helfe wahrscheinlich immer: „Ein paar Urlaubstage in einer einsamen Hütte im Sauerland . . .“