Dortmund. In gut zwei Monaten sind in Dortmund fünf Menschen vor oder unter Bahnen geraten. Steigt die Zahl solcher Unfälle? Zahlen der Polizei geben Aufschluss.
Wieder zwei Schwerverletzte in Dortmund, wieder nach Zusammenstößen mit Stadtbahnen. Mit den Unfällen am Mittwoch (4.9.) auf der B54/Höhe Kleiststraße und am Donnerstag (5.9.) an der Haltestelle Stadtgarten ist es in zwei Monaten fünfmal passiert, dass Menschen mit Bahnen kollidierten oder gar von ihnen überrollt wurden. Zufall, oder steigt die Zahl solcher Unfälle merklich an?
Rückblick in die Wochen zuvor: Am Abend des 16. August läuft ein Mann an einem Kiosk unweit der Haltestelle „Von-der-Tann-Straße“ in Körne auf die Fahrbahn, wo ihn ein herannahendes Fahrzeug der Linie U43 erfasst.
DSW21: Jeder Unfall ist individuell zu betrachten
Am 14. Juli betritt ein Fußgänger in der Nordstadt die Evinger Straße in Höhe Fredenbaum, ohne auf den Verkehr zu achten. Auf das Warnsignal des Bahnfahrers reagiert er nicht. Dieser kann auch durch eine Notbremsung nicht verhindern, dass die Bahn der U41 den Mann trifft.
Nicht vor eine Stadtbahn, sondern vor einen ICE gerät am 7. Juli ein Mann, der sich an einem Bahnübergang in Kirchderne auf die Gleise gesetzt hat. Auch als sich der Zug mit etwa 80 Kilometern pro Stunde nähert, entfernt sich der Mann nicht – eine Vollbremsung kann den Zusammenstoß nicht mehr verhindern.
Das Dortmunder Verkehrsunternehmen DSW21 sieht keinen Zusammenhang zwischen diesen Unfällen und betont, jeder einzelne sei individuell zu betrachten. „Die Orte, die Personen, die konkrete Verkehrssituation, selbst die Wetterlage und die Lichtverhältnisse spielen eine Rolle“, teilt Unternehmenssprecher Frank Fligge auf Anfrage mit.
Verkehrsteilnehmer ignorieren Ampeln und Schilder
Ein besonderes Risiko bestehe aber immer dann, wenn sich Verkehrsteilnehmer „nicht an die Verkehrsregeln halten, Beschilderungen oder Lichtsignalanlagen missachten oder glauben, sie kämen beim Abbiegen noch ‚mal eben‘ vor der Bahn her“.
Die beiden Unfälle in dieser Woche seien Beispiele genau dafür: „In einem Fall ist ein Kind unter Missachtung einer Signalanlage vor eine fahrende Stadtbahn gelaufen“, so Fligge. „In dem anderen Fall hat sich ein erwachsener Mann in einer U-Bahn-Station vom Bahnsteig ins Gleisbett bewegt.“
Laut DSW21 liegt keine signifikante Zunahme von Unfällen mit Stadtbahnen vor: „Im Gegenteil: Wir hatten vor einigen Jahren sogar mehr Unfälle.“
Zahl der Unfälle deutlich höher als noch 2019
Dagegen sah die Polizei zuletzt eine durchaus besorgniserregende Entwicklung. „Im Stadtgebiet Dortmund stieg die Zahl der Verkehrsunfälle mit Stadtbahnen wieder deutlich an“, heißt es in der jüngsten Verkehrsunfallbilanz. 2023 wurden demnach 47 Unfälle registriert, bei denen Menschen verletzt wurden.
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Die Jahre der Corona-Pandemie mit zwischenzeitlich nur sieben Unfällen (2021) bieten wegen des gesunkenen Verkehrsaufkommens keinen Vergleich. Doch auch im Jahr 2019 habe die Zahl der Unfälle mit Straßenbahnen mit 37 noch deutlich unter dem Wert für 2023 gelegen.
2024 macht bislang Hoffnung – trotz der schweren Unfälle in den vergangenen Wochen. Vergleiche man den Zeitraum bis zum 6. September des Vorjahres mit dem gleichen Zeitraum des laufenden Jahres stelle man fest, dass sich sechs Verkehrsunfälle weniger ereigneten, teilt die Polizei auf Nachfrage mit. Dabei verletzten sich sieben Menschen leicht und drei schwer, ein Unfall im Februar endete für eine Person tödlich.
In einem Punkt sind sich Polizei und DSW21 einig: Trotz der Häufung in den vergangenen Wochen sind Unfälle mit Fußgängern die Ausnahme. In den allermeisten Fällen seien Autos beteiligt.
Unfälle mit Straßenbahnen: Oft sind es Fehler beim Abbiegen
„Die meisten Unfälle werden nicht von U-Bahnen, sondern von anderen Verkehrsteilnehmenden verursacht“, heißt es im Polizeibericht. Zu den häufigsten Ursachen gehören demnach Fehler beim Abbiegen, ohne auf den rückwärtigen Verkehr zu achten oder das Abbiegen an Stellen, an denen es ausdrücklich verboten ist.
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Beispiele: Ein schwerer Unfall ereignet sich am 30. April auf der B1-Kreuzung Voßkuhle in der Gartenstadt. Ein Pkw prallt beim Abbiegen gegen eine Bahn der Linie U47 und bleibt darunter stecken. In diesem Fall bleibt die Fahrerin zum Glück unverletzt.
Ebenfalls beim Abbiegen stößt ein Auto am 4. März auf der Marsbruchstraße in Aplerbeck mit einer U47 zusammen. Auf der Marsbruchstraße ist es bereits in den Jahren davor wiederholt zu schweren Unfällen mit Stadtbahnen gekommen.
Zu Unfallschwerpunkten tausche sich DSW21 regelmäßig mit Stadt, Polizei und Feuerwehr aus, erklärt Unternehmenssprecher Frank Fligge. So habe man drei ehemalige Schwerpunkte durch bauliche Veränderungen derart entschärfen können, „dass Unfälle dort gegen Null gehen“. Fligge nennt neben der Marsbruchstraße auf Höhe der Westfälischen Klinik (U47) den Abzweig nördlich der Haltestelle „Fredenbaum“ (U41) sowie die Bornstraße auf Höhe des Bauhaus-Marktes (U42).