Dortmund/ Karlsruhe. „Wieviel Euro braucht ein Kind zum Leben?” Diese Frage erörtern ab heute Bundesverfassungsrichter in Karlsruhe.

Eine Dortmunder Familie hatte gegen die Hartz IV-Sätze für Kinder geklagt. Rechtsanwalt Martin Reucher aus Bochum vertritt die Kläger und meint: „Die Sätze sind willkürlich festgesetzt worden.”

6,5 Millionen Deutsche beziehen Hartz IV. Dazu zählen auch die Dortmunder Katrin Kerber-Schiel und ihr Mann Joachim. Als Hartz IV vor fünf Jahren in Kraft trat, fühlten sich die Altenpflegerin und die Teilzeitkraft, die mit ihren drei Kindern auf Unterstützung angewiesen waren, benachteiligt. „Natürlich konnten wir die Kinder ernähren”, berichtet die Mutter rückblickend. Aber Klassenfahrten, Geschenke und die Teilhabe an Vereinen und Hobbys seien finanziell nicht möglich.

Als die Dortmunder Familie im Jahr 2005 beim Bochumer Rechtsanwalt Martin Reucher anklopfte, traf sie auf einen vorbereiteten Sozial-Experten: „Ich hatte alles schussfertig!” erklärte der Jurist gestern auf Anfrage, bevor er nach Karsruhe fuhr, wo die Sache ab heute vor dem höchsten Gericht verhandelt wird.

Viel Rückendeckung ist ihm gewiss. „Alle Sozialverbände kommen in verschiedenen Gutachten zu dem Schluss, dass die Sätze für Kinder zu niedrig sind.” Nur die Bundesregierung sei der Meinung, dass 60, bzw. 70 Prozent des Regelsatzes vom Erwachsenen-Arbeitslosengeld für Kinder und Jugendliche durchaus reichen.

»Dabei ist nie gefragt worden, was Kinder brauchen«

„Dabei ist nie gefragt worden, was Kinder brauchen”, rügt Reucher die, seiner Meinung nach entscheidende Gesetzeslücke. Er sieht geradezu eine „Willkür” beim Kinder-Satz, der inzwischen auf 215 Euro (bis fünf Jahre) und 251 Euro (bis 13 Jahre) angehoben worden ist. Vor vier Jahren waren es noch 207 Euro pauschal für 0- bis 13-Jährige.

Schuhe, Kleidung, Freizeit. „Es ist nie geprüft worden, was das alles kostet”, bemängelt der Anwalt, der den „Gleichheitsgrundsatz” (im Vergleich zum Regelsatz Erwachsener) angreift. Dass sozial Schwache gesellschaftlich ausgegrenzt werden, steht für Reucher außer Frage. Das wurde letztlich beim Weg durch die Instanzen der Dortmunder Familie beim Bundessozialgericht in Kassel bestätigt. Die Richter übergaben die Sache zur Klärung ans Verfassungsgericht.

Heute ist zwar noch nicht mit einem Urteilsspruch zu rechnen. Doch der Geist lässt sich jetzt nicht mehr in die Flasche zurückdrängen, ist Reucher überzeugt, der dem Verfahren optimistisch entgegensieht. Er rechnet damit, dass die Berechnungspraxis von Hartz IV beanstandet wird.

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