Dortmund. Das Juicy Beats ist für Dortmunder gut zu erreichen. Auswärtige haben es weiter – sie müssen campen. Unser Autor hat sich unter die Camper gemischt.

Mein T-Shirt klebt auf der Haut, Schweiß steht mir auf der Stirn - doch ich bin erleichtert, als ich am frühen Freitagnachmittag endlich vor dem Campingplatz stehe. Auf den Parkplätzen E1 und E2 zwischen Signal Iduna Park und dem Westfalenpark können Besucher des Juicy Beats am Freitag und Samstag übernachten. Ich bin dabei.

Plastersteine als Camping-Untergrund - geht auch

In der einen Hand halte ich eine Zelttasche, eine Isomatte - in der anderen ein Bettlaken und ein Kissen: Das muss für die Nacht reichen. Erst als ich mit meinem Gepäck in Richtung Eingang gehe, fällt mir die etwa 500 Meter lange Schlange von Campern auf, die sehnsüchtig auf den Einlass warten.

Auch interessant

Auf der Suche nach einem schönen Fleck für mein Zelt schlendere ich über das Kopfsteinpflaster des Parkplatzes. Der Veranstalter des Juicy Beats gibt auf seiner Website zu, dass der Untergrund zum Zelten nicht optimal sei - trotzdem sei Campen dort gut möglich.

Ich meine, eine gute Stelle gefunden zu haben und beginne mein Zelt, zwei mal zwei Meter, aufzubauen - und werde direkt von einem Camper angesprochen: "Siehst du die weißen Streifen auf dem Boden? Das ist ein Fluchtweg, besser suchst du dir eine andere Stelle." Er hilft mir, mein Zelt in Konstruktion ein Stück weiter zu transportieren. Ich baue weiter an meiner Heimat für eine Nacht und stelle fest, dass der Veranstalter sein Versprechen bezüglich des Campens hält: Die Heringe in die mit trockenem Gras durchsetzten Fugen der Pflastersteine zu bohren, ist machbar.

Auf ein Bier mit einem Schornsteinfeger

Ein wenig unbeholfen muss ich gewirkt haben, denn ich werde nochmal angesprochen: "Kann ich dir helfen?" Ich lehne dankend ab, da ich fast fertig bin, aber stelle mich bei der Gelegenheit vor. "Hi, ich bin Kevin", sagt der Essener, der mit ein paar Freunden aus seinem alten Fußballverein das Festival besucht.

Das Zelt ist aufgebaut, das Bett gemacht und ich geselle mich unter den grünen Pavillon von Kevins Freunden. Sie spielen gerade eine Runde "Bierpong": Zwei Kontrahenten versuchen an jeweils einem Ende einer Bierzeltgarnitur mit einem Tischtennisball die mit Bier gefüllten, roten Einwegbecher des Gegenüber zu treffen.

"Mittlerweile sehen wir uns nicht mehr so häufig", sagt die 24-jährige Pia Alker, "deshalb nutzen wir das Juicy Beats, um hier gemeinsam etwas Zeit zu verbringen." Die Laune ist gut und das Bier dank einer Box Trockeneis eine wohltuende Erfrischung. "Willst du auch eins?", fragt Steffen Fischer, auch 24 Jahre alt und von Beruf Schornsteinfeger. Ein paar Minuten unterhalten wir uns über die Arbeit eines Schornsteinfegers, während die anderen weiterhin die Tischtennisbälle titschen lassen und lautstark über die Auslegung der Spielregeln diskutieren.

Vier Stunden in der Schlange zum Campingplatz gewartet

Um den Campingplatz zu erkunden, verabschiede ich mich vorerst und gehe mit dem für Festivalbesucher bekanntem Gefühl des zwanglosen Miteinanderseins.

Lange bin ich nicht alleine: Nach wenigen Metern treffe ich eine Freundin aus Freiburg. Ihr Name ist Laura Spitzlei, die 22-Jährige ist eine begeisterte Festivalgängerin. Sie wirkt entspannt - wieder. "Mehr als vier Stunden haben wir in der Schlange zum Campingplatz gewartet", sagt sie verärgert. "Die hätten vielleicht mehr als zwei Leute, die die Taschen kontrollieren, dahinstellen sollen."

Auch interessant

Sieben Stunden später, um Mitternacht: Mit meinem selbstgemachten Batik-Shirt - ideal als Schlafanzug und für Festivals - sowie meiner Zahnbürste trotte ich vom Festivalgelände wieder Richtung Campingplatz. Meine Nachbarn stehen schon wieder unter dem Pavillon und bauen die Becher wieder auf, nur in einer anderen Formation. "Neue Regeln?", frage ich. "Nein, wir spielen jetzt Shanti."

Gemütlicher ist es bei Kristin Rosensträter ein Zelt weiter: Sie kommt aus Osnabrück, die 30-Jährige campt mit ein paar Freundinnen. "Weißt du wo unsere Stühle sind?", fragt sie mich empört. Da der Gruppe offenbar drei Campingstühle geklaut wurden, haben sie es sich auf Decken bequem gemacht. Auch diese Gruppe musste am Eingang zum Campingplatz zwei Stunden anstehen. "Aber sonst ist hier auf dem Campingplatz alles gut", sagt Kristin: "Na ja, bis auf unsere Stühle."

Der Geruch auf dem Dixie-Klo - er könnte schlimmer sein

Nebenan im Pavillon ist gerade Aufbruchstimmung: Die Gruppe ist ausgedünnt, zwei wollen noch aufs Festivalgelände. Ich bleibe jedoch mit Steffen und Stephan noch da, höre etwas Musik und versacke langsam.

Der Blick aufs Telefon lässt mich kurz aufschrecken: Schon drei Uhr? Ich wünsche dem schlaflosen Rest eine gute Nacht und suche die Toiletten auf. Fließendes Wasser und ein für ein Festival mehr als vertretbarer Geruch nehmen mir die Angst vor dem eige ntlich schlimmer erwarteten Dixie-Klo.

Einschlafen ist kein Problem, Durchschlafen schon: Der Wind bewegt eine Bierdose direkt neben meinem Zelt auf der Kopfseite, das blecherne Geräusch erinnert an ein Auto, das mit der Aufschrift "Just married" und Dosen im Schlepptau unterwegs ist. Wenig später reißt mich ein Kehrwagen aus dem Schlaf, der eineinhalb Meter an meinem Zelt vorbeifährt - gefühlt aber genau hindurch.

Der Morgen danach mit Wurst, Kaffee und Dosenbier

Der Samstagmorgen beginnt mit einem Frühstück bei den Nachbarn aus Essen. Es gibt mitgebrachtes Brot, Käse, Wurst, Marmelade - und zum Nachtisch Dosenbier. Um mich für die Gastfreundschaft zu bedanken, hole ich eine Runde Kaffee: Am Bierstand auf dem Campingplatz können die Besucher ab 9 Uhr Frühstück kaufen.

Ich treffe Laura aus Freiburg wieder und lerne in ihrem Camp den 38-jährigen Daniel Noack aus Hückeswagen kennen. "Ich bin mit dem Campingplatz zufrieden", sagt er und nimmt einen Schluck aus der Dose. Auch er fand die Schlange "ätzend". Ansonsten: "Der Campingplatz ist schön klein und nah am Festivalgelände. Gute Atmosphäre hier."

Mit vier Kaffeebechern beladen (und verbrannten Fingern) gehe ich zurück zum Pavillon. Um meine Eindrücke aufzuschreiben, verabschiede ich mich anschließend von der Gruppe. Ungeduscht schleppe ich mich zum Pressebereich und setze mich an mein Notebook. Mein Rücken erinnert sich an das Kopfsteinpflaster der vergangenen Nacht - und ich mich an einen unvergesslichen Abend mit außergewöhnlichen Menschen.