Dortmund. Noch fließt das Gas in Dortmund. Aber was passiert bei Stahlverarbeiter “Thyssenkrupp Rothe Erde“ im Kreuzviertel, wenn der Hahn zugedreht wird?
In der Stahlindustrie geht (noch) wenig ohne Erdgas. Das stellt Werke wie Thyssenkrupp Rothe Erde am Randes des Dortmunder Kreuzviertels vor enorme Probleme. Jetzt fließt das Gas noch – aber gehen im Herbst die Lichter aus?
Wenn kein Gas aus Russland mehr kommt "haben wir alle viel Familienzeit", meint Werksleiter Thomas Reip schwarzhumorig. Ernst meint er das natürlich nicht. Wer will das schon? Reip und sein Team arbeiten auf Hochtouren an Lösungen, um den Gasverbrauch zu reduzieren.
Das ist Thyssenkrupp Rothe Erde:
- seit 1855 in Dortmund an der Kuithanstraße
- 600 Mitarbeitende in Dortmund – 6500 weltweit
- Produktion von Stahlringen (50 Kilo bis 28 Tonnen)
- Produkte für Windräder, Maschinenbau etc.
- Wegen einer maroden Bahnbrücke müssen die Schwertransporte seit Jahren durchs Wohnviertel.
Der Dortmunder Stahlverarbeiter braucht so viel Gas wie 6000 Einfamilienhäuser. Das Problem: Hier gibt's nichts mehr zu sparen. Alles ist modernisiert, hocheffizient. "Und in unserer Waschkaue das Warmwasser runterzudrehen bringt uns auch nicht weiter", meint Werksleiter Reip.
Gas sparen geht im Rothe-Erde-Werk nicht mehr
Statt zu sparen könne man nur priorisieren: Welche Produkte sind im Notfall die wichtigsten? Welche der vier Produktionsstraßen muss auf jeden Fall weiterlaufen, auf welche könnte man verzichten? Heißt natürlich auch: Welche Branchen bekommen keinen Nachschub mehr?
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Ein Teufelskreis, erklärt Thomas Reip: Um der Gas-Krise mit erneuerbaren Energien zu entkommen, braucht es auch Windkraft – und Windräder brauchen Stahlringe wie die von Thyssenkrupp aus Dortmund. Vorrang vor anderen Betrieben hat Rothe Erde dennoch nicht. Wenn die DoNetz den Hahn zudreht, dann fließt auch hier kein Gas mehr.
In zwei Jahren soll der erste Wasserstoff-Ofen laufen
Seit Jahren bastelt das Werk an Möglichkeiten, den Energieträger zumindest teilweise zu ersetzen. Ideen gibt es viele, aber die meisten fallen durch – vor allem jetzt, wo es schnell gehen müsste. 50 Öfen mit insgesamt 150 Brennern umzurüsten dauert eben. Aber welche Energieträger gibt es?
- Erdgas: Bisher laufen fast alle 50 Öfen mit Gas. Es verbrennt fast rückstandslos – die Emissionen sind extrem gering.
- Flüssiggas: Falls kein Erdgas mehr aus der Leitung kommt, könnte man kurzfristig auf Flüssiggas umsteigen. "Aber das wären jeden Tag 20 bis 30 Lkw, und wir haben jetzt schon ein Verkehrsproblem im Kreuzviertel", erklärt Reip. Und ob man dezentral verlässlich so viel Flüssiggas auftreiben könne sei ohnehin fraglich.
- Erdöl und Kohle: Die Zeiten sind vorbei. Sicher ließen sich die Öfen umrüsten, meint Werksleiter Thomas Reip. Aber da hätten die Behörden mitzureden: Kohle und Öl blasen beim Verbrennen massig Feinstaub in die Luft. Das sei schon aus Umweltschutzgründen nicht drin – und mitten im Wohngebiet erst recht nicht.
- Strom: Wenige Öfen im Dortmunder Werk laufen schon jetzt mit Strom – aber nur die, in denen Ringe aus Aluminium geformt werden. Für die großen Stahlringe werden elektrische Öfen nicht heiß genug. Eine Idee gebe es aber, so Reip: Hybrid-Öfen, in denen eine Grundtemperatur per Strom erzeugt und per Wasserstoff hochgetrieben wird.
- Wasserstoff: Wäre ideal, dauert aber noch. "Das planen wird schon lange", so Reip. "In zwei Jahren soll der erste Ofen laufen." Wasserstoff wird wie Erdgas verbrannt, braucht aber größere Leitungen zu den Brennern – sonst stimmen Druck und Menge nicht. Außerdem verbrennt Wasserstoff heißer als Erdgas, was die Produktionsabläufe verändert. "Das müssen wir erstmal testen."
Keine schnelle Abkehr vom Gas im Dortmunder Werk
Eine schnelle Abkehr vom Gas ist im Dortmunder Werk von Thyssenkrupp Rothe Erde also nicht drin. "Wir reden ja auch sehr abstrakt von Dingen, die vielleicht gar nicht eintreten", meint Werksleiter Thomas Reip. Er hofft weiter, seine Leute nicht nach Hause schicken zu müssen – zumal unklar sei, ob für den "Gas-Notstand" eine Kurzarbeitsregelung komme.