Dortmund.. Seit drei Jahren bekämpft die „Soko Rechts“ die agile Neonazi-Szene in Dortmund. Warum die Polizei glaubt, dass sie die Szene verunsichert hat.
Ihr Revier haben sie markiert. „100 % Nazi-Kiez“ steht metergroß an einer Häuserwand. Ein silberner Graffiti-Gruß aus der Sprühflasche am Eingang zur Emscherstraße in Dorstfeld. Ein hundert Meter langes Stück Straße mit ein paar einfachen Häusern und drei geparkten Autos. Kein Mensch ist zu sehen, kein Geräusch zu hören an diesem sonnigen Vormittag. Bis hierhin und nicht weiter?
„Das Ding muss weg“, fordert Dortmunds Polizeipräsident Gregor Lange im Gespräch über die Wand-Schmiererei, „das ist uns ein Dorn im Auge.“ Sie steht für Dortmunds kleine, hässliche Seite: eine überschaubare, aber agile Neonazi-Szene, die der Stadt über Jahrzehnte mit ein paar finsteren Auftritten den Ruf eingebrockt hat, eine Hochburg der Rechtsradikalen im Westen zu sein. In dieser Straße hat sie ein Zuhause gefunden.
Ein harter Kern von 25 Leuten, die allerdings in Windeseile 70, 80 Mitstreiter aus Dortmund und Umgebung mobilisieren können. Seit drei Jahren aber unter noch stärkerer Beobachtung. So lange gibt es die „Soko Rechts“ bei der Dortmunder Polizei. Und die ist mit ihrer ersten Bilanz zufrieden: „Wir haben die Szene stark verunsichert“, sagt Staatsschutz-Chef Karsten Plenker, der die Soko seit 2016 leitet. Es scheint ruhiger geworden.
Nachbarn haben keine Lust zu reden
Ein paar Meter entfernt von der Emscherstraße kämpft der Dorstfelder Hellweg als Einkaufsstraße im Herzen des Viertels ums Überleben. Vor der leergeräumten Eisdiele, die „in exzellenter Lage“ einen neuen Pächter sucht, stehen zwei alte Frauen, die über die Nachbarn jenseits der Straße nicht reden möchten. „Ach, hören Sie doch damit auf“, sagt eine. „Man hat doch keine Lust, immer daran erinnert zu werden“, fügt ihre Gesprächspartnerin hinzu und dreht sich weg.
Der junge Libyer vor „Rodniks Lebensmittel“-Laden am Wilhelmplatz, dessen Muskeln das blaue T-Shirt zu sprengen drohen, gibt sich entspannt: „Die interessieren uns nicht, die machen mir auch keine Angst.“ Der Ausländeranteil in Dorstfeld liegt bei 17 Prozent.
Massive Anzahl martialischer Auftritte
Gregor Lange weiß, dass die Bevölkerung im Stadtteil schon beunruhigter war. „Ende 2016 war die Verunsicherung so groß, dass wir monatelang rund um die Uhr in starker Besetzung vor Ort waren.“ Es habe eine „massive Anzahl martialischer Auftritte der Rechten gegeben“, erinnert sich der Polizeipräsident, Journalisten seien bedroht worden, Anwohner genötigt.
Zwar marschierten im April 600 Neonazis aus ganz Deutschland durch Dortmund. Und im Juni hielten 30 eine Mahnwache für die zu zwei Jahren Haft verurteilte Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck ab. Aber die Zahl der Straftaten geht stark zurück. Besonders die registrierten Gewalttaten, die laut Lange „zu neunzig Prozent“ aufgeklärt werden: von 60 im Jahr 2015 auf 17 im vergangenen Jahr.
Hoher Kontroll- und Verfolgungsdruck
Ein Grund ist nach Ansicht der Polizei die „Soko Rechts“. „Als wir sie eingerichtet haben, hat es erstmal einen massiven Anstieg der Straftaten gegeben“, bilanziert Lange. Der Grund: „Wir haben einen ausgesprochen hohen Kontroll- und Strafverfolgungsdruck aufgebaut. Wir wollten alles mitkriegen, was wir mitkriegen konnten, und haben es in Strafverfahren gebracht.“ Selbst Beleidigungen würden „mit großem Aufwand verfolgt“. Es hagelte saftige Geldstrafen, zuletzt am 20. Juni 14 700 Euro wegen Volksverhetzung.
Karsten Plenker präzisiert: „Wir haben eine massive Präsenz aufgebaut, wir haben, sobald wir etwas über Nötigung oder Körperverletzungen mitbekamen, kurzfristig einzelne Personen observiert, die überrascht waren, wenn wir sie dann am Tatort überführt haben.“
Plenker, 52, ein großer, wuchtiger Mann mit Vollbart, gibt sich keinen Illusionen hin. „Es waren nicht nur wir, es hat auch ein Umdenken in der Szene gegeben.“ Viele fänden keine Jobs. „In Zeiten von Google und Facebook“, so Plenker, „wird die rechte Gesinnung auch für jeden potenziellen Arbeitgeber sichtbar.“ Die Szene hoffe auf politische Mandate wie bei der Europawahl, „damit ein rechtsextremer Abgeordneter vielleicht eine Community wirtschaftlich unterstützen kann. Man gibt dann eher den sozialen Brandstifter als den gewalttätigen Springerstiefelträger.“
Eine „isolierte, versprengte Gruppe“
Zwar hat „Die Rechte“ auch einen Stimmungsmacher im Stadtrat, doch der sei politisch bedeutungslos, heißt es bei der Polizei. „Trotz gesellschaftlicher Rahmenbedingungen mit einer Klimaveränderung, die die Kampagnenfähigkeit von Themen wie Asyl möglich macht, bleibt das eine isolierte, versprengte Gruppe“, betont Lange. Ihre Auftritte hätten zu Abscheu in der Bevölkerung geführt.
Und die „Nazi-Kiez“-Schmiererei? „ Sache der Stadt“, stellt Lange klar. Das Haus ist in Privatbesitz. „Das Thema“, sagt Stadtsprecher Frank Bußmann knapp, „steht bei uns auf der Tagesordnung.“