Dortmund. . Die Dortmunder Polizei bündelt ihre Kräfte im Kampf gegen die rechte Szene. Die neu eingerichtete „Soko Rechts“ kümmert sich künftig um Neonazis.
„Wann ihr Feierabend habt, bestimmen wir“, grölte ein Neonazi bei einer Versammlung in Eving unlängst über die Straße, und das hören Dortmunder Polizisten nicht zum ersten Mal. Fackelmärsche vor Flüchtlingsheimen, fingierte Todesanzeigen, Mahnwachen im Wochenrhythmus und ein Angriff Vermummter mit Steinen auf einen Journalisten: Neonazis treten in Dortmund mit Einschüchterungsversuchen und mehr oder weniger subtilen Bedrohungsszenarien wieder zusehends aggressiver auf. Und es scheint, als bereite es ihnen Vergnügen, die Polizei auf Trab zu halten. Die hat nun reagiert: mit der „Soko Rechts“.
"Rechte wissen genau, wie weit sie gehen dürfen"
Polizeipräsident Gregor Lange hat die Sonderkommission eingerichtet. Seine Einschätzung: „Die Rechten bewegen sich entlang der Strafbarkeitslinie und tarieren sehr genau, wie weit sie gehen können.“ Seine Kampfansage: „Wir erhöhen den Ermittlungsdruck, um sie da zu stellen, wo sie diese Linie überschreiten.“ Man werde „niederschwelligst jedem Verdacht nachgehen, um zu Ergebnissen zu kommen“. Natürlich weiß er, wie schwierig der Job ist: „Wir brauchen Tatsachen, Beweise, um Straftatbestände festzustellen und etwas unternehmen zu können.“
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Annika Uhlmann, 36, Chefin der Soko und Expertin für Extremismus, bringt die Staatsschutz-Erfahrung aus dem Landeskriminalamt und dem Innenministerium mit. Sie gibt sich keinen Illusionen hin. „Es wäre vermessen, zu sagen, man könnte das Problem hier in vier, fünf Jahren beseitigen.“ Gesinnung lasse sich schließlich nicht mit repressiven Maßnahmen verändern. „Es ist unsere Aufgabe, so effektiv wie möglich Straftaten zu verfolgen.“
Die rechte Szene, so Uhlmann, gebe es in Dortmund ja schon seit den Achtzigern mit der Borussenfront. Später seien die Kameradschaften gekommen, und das Verbotsverfahren des Innenministeriums 2012 gegen den Nationalen Widerstand habe zumindest in Dortmund die Szene nicht geschwächt.
In der Tat haben die Extremisten sich in der Partei „Die Rechte“ längst neu organisiert, für einen Sitz im Dortmunder Stadtrat und Provokationen im Politmäntelchen hat es gelangt. „Es gibt andere Städte – auch im Ruhrgebiet – in deren Räten deutlich mehr Rechtsextremisten vertreten sind als in Dortmund. Aber dass eine ehemalige neonazistische Kameradschaft jetzt Parteiarbeit simuliert, dafür ist Dortmund wirklich Modellstadt“, räumt Gregor Lange ein.
Dauereinrichtungim Polizeiapparat
Wie viele Juden in der Stadt leben, wollte der Dortmunder Vertreter der Rechten bekanntlich unlängst wissen, Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) lehnte eine Antwort ab. Die Rechte suggeriere Parteiaktivitäten, um sich davor zu schützen, als Nachfolgeorganisation der verbotenen Kameradschaften ebenfalls verboten zu werden, stellte Burkhard Freier, Chef des NRW-Verfassungsschutzes, vor einer Weile im Landtag klar. „Spiegel“-Informationen zufolge prüfen die Behörden ein Verbot der Partei.
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„Bei diesem ganzen Vorlauf in Dortmund“, schließt Annika Uhlmann, „ist die Soko eher als Dauereinrichtung im Polizeiapparat verankert.“ Zuvor gab es bereits eine sogenannte „Besondere Aufbauorganisation“ namens „Kein Raum für Rechts“. Diese Form, so Uhlmann, sei aber nur für „zeitlich begrenzte Lagen“ gedacht. Das Ministerium hat zwölf weitere erfahrene Polizisten fürs Team bewilligt, über die Gesamtstärke der Soko möchten Uhlmann und ihr Chef nicht gerne öffentlich sprechen.
Lange sieht „ ein massives Problem mit einer kleinen Gruppe, die natürlich vehement von der Bevölkerung abgelehnt wird“. Dass Dortmund, zuletzt auch im Fernseh-Tatort „Hydra“ immer wieder mit Neonazis in Verbindung gebracht wird, schmeckt Lange und Uhlmann freilich nicht. „Da kriegt ein kleiner Kreis eine unheimliche Aufmerksamkeit“, klagt der Polizeipräsident. Als der mehrfach vorbestrafte Neonazi Siegfried Borchardt (61), genannt „SS-Siggi“, im Juni vergangenen Jahres im Stadtrat Platz nahm, tauchte gar eine Reporterin der „New York Times“ auf und widmete ihm einen üppigen Artikel. Kurz darauf gab Borchardt sein Mandat zurück.
Den engen Kreis der Rechtsradikalen taxiert Anika Uhlmann „auf dreißig bis vierzig Leute, je nachdem wie man das bewertet“, Lange spricht von „etwa achtzig, die zum Umfeld gehören“. 20, 25 seien an jedem beliebigen Wochentag spontan für eine Aktion zu aktivieren.
Demo der Rechten samt Rockkonzert
Einige mehr dürften es am 28. März sein, sofern das Oberverwaltungsgericht nicht noch Nein sagt. Für den zehnten Todestag eines Punkers, der von einem Neonazi erstochen wurde, hat „die Rechte“ eine Demo angemeldet, sogar ein Rockkonzert ist geplant. Das Gelsenkirchener Verwaltungsgericht hat das polizeiliche Verbot zurückgewiesen.
Lange bleibt im Ton sachlich, wird aber deutlich: „Hier wird offensichtlich die Tötung eines Menschen zum Anlass eines Events, einer Party.“ Er wolle vom Oberverwaltungsgericht nun eine klare Entscheidung. „Ich will vor Gericht klären, ob das Versammlungsrecht eine solche Veranstaltung tatsächlich schützt. Erst wenn diese Frage obergerichtlich geklärt ist, müssen wir als Polizei wohl oder übel damit umgehen.“