Dortmund. Die Dortmunder Ultras wollen beim Auswärtsspiel in Mainz zehn Minuten lang schweigen und so gegen drohende drastische Strafen protestieren. Auch die Anhänger des VfB Stuttgart planen einen Protest. Zu recht.

Die Bilder waren eindrucksvoll und äußerst beschämend, als nach dem Spiel Hertha BSC Berlin gegen den 1. FC Nürnberg Fans der Berliner mit Plastikstangen den Platz stürmten. Genau so peinlich wie die Nürnberger, die beim Zündeln im Bochumer Gästeblock vier Fans verletzten.

Peinliche Kollektivstrafen

Ebenso peinlich sind allerdings die drastischen Strafen, zu denen der DFB seit diesen jüngsten Vorfällen greift. In Berlin muss beim Spiel gegen den VfB Stuttgart die Ostkurve leer bleiben - dort, wo die treuesten Fans ihre Plätze haben. An die Fans des Nürnberger Clubs werden für Auswärtsspiele nur noch personalierte Karten abgegeben, der Anhang des 1.FC Köln darf nach einem Vorfall mit Pyrotechnik erst gar nicht zum Auswärtsspiel nach Hoffenheim reisen.

Nürnberger Fans zündeln beim Auswärtsspiel in Bochum.
Nürnberger Fans zündeln beim Auswärtsspiel in Bochum. © Unbekannt | Unbekannt

Das ist eine neue Qualität in der Bestrafung von Fans. Fußball-Fans sind bei weitem keine homogene Gruppe. Drastische Kollektivstrafen wie Reiseverbote oder die Sperrung ganzer Kurven treffen aber alle - auch den überwiegenden Teil der Fans, der mit Randale rein gar nichts am Hut hat.

Das Ziel der Sippenhaft soll ein Selbtreinigungsprozess der Fan-Szenen sein. Vor allem die Ultra-Gruppierungen sollen gegen Randalierer in ihren Reihen vorgehen und sie ausgrenzen. Doch eine Fan-Szene besteht nicht nur aus Ultras. Der größte Teil der Menschen im Stadion hat mit Ultras überhaupt nichts am Hut und verspürt auch keine große Motivation, auf die oft bedrohlich wirkenden Fans zuzugehen und mit ihnen über Kollektiv-Strafen zu diskutieren.

Normale Fans bleiben zu Hause

Die Folge: Die normalen Fans bleiben zu Hause, die Randalierer gehen weiterhin ins Stadion. Eindrucksvoll zu bestaunen am Beispiel Italien. Dort bestimmt inzwischen die Polizei, welcher Verein, wie viele Gästefans zu welchem Spiel schicken darf und wann die Karten verkauft werden dürfen. Vor dem Ticketschalter stehen reihenweise behördliche Hürden, spontane Stadionbesuche sind kaum mehr möglich. Das Ergebnis in Italien sind halbleere Stadien, in denen der gleiche Mob regiert, wie eh und je. Die friedlichen Fans hat man aber wirkungsvoll vertrieben.

Auch in Holland, wo jeder Stadiongänger eine Fan-Card benötigt, die ihn als Anhänger eines Klubs ausweist, ist die Gewalt nicht zurückgegangen. Wohl aber die Zahl derer, die einfach mal ein Fußballspiel sehen wollen.

In England die Heimfans verhöhnt

Italien: Juve-Spieler jubeln vor leeren Rängen. Foto: Imago
Italien: Juve-Spieler jubeln vor leeren Rängen. Foto: Imago © imago sportfotodienst | imago sportfotodienst

Beispiel England. Die englischen Stadien sind komplett versitzplatzt und bieten die teuersten Tickets in Europa. Welche Stimmung dort herrscht, kann immer wieder eindrucksvoll bewundert werden, wenn deutsche Vereine in der Champiosn league auf der Insel zu Gast sind. Am Mittwoch haben sogar die Bayern-Fans das Heimpublikum in Manchester an die Wand gesungen. Vor Jahren verhöhnten Fans von Borussia Dortmund das Publikum von Arsenal London mit "You only sing when you're winning"-Chören. Im Stadion sitzt Klatschpublikum, das unterhalten werden will. Die Gewalt wurde dadurch nicht beseitigt. Sie findet jetzt nur nicht mehr im Stadion statt. Die englische Gesellschaft ist durch teure Fußball-Tickets nicht besser geworden.

Das wird auch in Deutschland nicht passieren. Genau darauf wollen die Fans an diesem Wochenende hinweisen. Zehn Minuten lang sitzen, schweigen und Zeitung lesen. Das kann nicht das Publikum sein, das DFL und DFB in deutschen Stadien wollen. Die herausragend gute Stimmung in deutschen Arenen ist schließlich ein geldwerter Faktor, der bei der Verkarktung des Liga-Spektakels eine große Rolle spielt.

Übrigens: Wer glaubt, Gewalt habe in deutschen Stadien drastisch zugenommen, der schaue sich dieses Video aus dem Jahr 1983 an: "Die sind eben so", Teil 1 und Teil 2

Gewalt ist kein Problem des Fußballs, sondern der Gesellschaft.

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