Dortmund.. 600 Kilometer zum Auswärtsspiel, um dann nicht ins Stadion zu gehen – verrückt? BVB-Fans rufen genau dazu auf, um gegen die hohen Eintrittspreise in Hamburg zu protestieren. Rund 1000 Borussen wollen vor dem HSV-Stadion demonstrativ Radio hören.

Im Zeitalter von Smartphone und Live-Ticker sind die früher unerlässlichen Transistorradios auf den Rängen der Bundesliga-Stadien ein seltener Anblick geworden. Am Sonntag beim Spiel des Hamburger SV gegen Borussia Dortmund werden die nostalgischen Geräte jedoch wieder zum Vorschein kommen – allerdings nicht in, sondern vor dem HSV-Stadion.

Rund 1000 Dortmunder Fans werden dort der Radio-Übertragung des Rückrunden-Auftakts ihrer Mannschaft lauschen und damit gegen die ihrer Ansicht nach überzogenen Ticketpreise im Gästeblock protestieren. Denn Tickets hätten sie durchaus bekommen können, doch statt unter dem Dach der Arena harren die BVB-Anhänger lieber draußen in Wind und Wetter aus.

„Kein Zwanni - Fußball muss bezahlbar sein“ heißt die Initiative von Fußball-Fans unter anderem aus Dortmund, Köln, Hamburg und München. Formiert hat sich die Bewegung, als zum Revierderby im Herbst 2010 die Preise in der Schalker Arena rapide anstiegen. Statt zuvor 13 Euro sollten die Dortmunder nun plötzlich 20 Euro für ihre Karten zahlen. Rund 1.500 BVB-Anhänger boykottierten daraufhin das Spiel des Jahres, sichtbare Lücken in den Dortmunder Bereichen waren die Folge.

Extremen Top-Zuschlag abgeschafft

Tausend Teilnehmer am Sonntag wären eine durchaus beachtliche Zahl, bedenkt man, dass die meisten von ihnen lange Anfahrtswege in Kauf nehmen, um dann nur die Akustikfassung der Partie zu verfolgen. 19 Euro fordert der HSV von den Gästefans für eine Stehplatzkarte, der teuerste Sitzplatz kostet 85 Euro. Gespräche mit dem Verein über eine Verringerung liefen ins Leere.

Doch die Fans konnten auch Erfolge verbuchen. So hat der HSV den „A+“-Zuschlag abgeschafft. Davon profitieren zwar nur die Fans des FC Bayern, bei dessen Spielen dieser Extremzuschlag erhoben wurde, „Kein Zwanni“-Sprecher Marc Quambusch will es aber als generell positives Zeichen verstehen, dass sich etwas bewegen lässt mit dem Protest. Dennoch: „Die Hamburger Zuschauer zahlen teilweise gegen Nürnberg 30 Euro weniger in der gleichen Kategorie als gegen uns“, sagt Quambusch.

Die Initiative stößt auch international auf Interesse: „Wir haben Rückmeldungen aus England, die fast neidisch herüberschauen und sagen: Ihr macht das, was wir hätten machen sollen“, so Quambusch. Im Mutterland der Sportart hat sich der Fußball-Konsum seit Gründung des Unternehmens Premier League 1992 für viele Fans in die Pubs verlagert. Tickets sind - zumal für die Anhänger der englischen Topklubs - schlicht nicht mehr bezahlbar.

Teuerster Platz kostet 85 Euro

Dass viele deutsche Besucher sich auch die teureren Plätze durchaus leisten können, was schon die gute Auslastung in den Bundesliga-Stadien zeigt, lässt Quambusch nicht als Argument gelten. „Trotzdem sind 85 Euro jenseits von Gut und Böse, da gibt es ja nicht mal Champagner wie in den Logen, das ist nur der Sitz.“ 85 Euro kostet der teuerste reguläre Sitzplatz beim Spiel am Sonntag.

Wie viel ein Steh- oder Sitzplatz kosten darf, darauf will sich Quambusch nicht festlegen. Dies sei vom jeweiligen Stadion und der „gesamtwirtschaftlichen Lage“ der Klubs abhängig. „Unser Fokus liegt auf einer guten Anzahl von Tickets für normale Fans“, sagt er.

Spieler unterstützen Boykott

Unterstützung erhalten die Fans auch von Seiten einiger Spieler. So sagte Dortmunds Kevin Großkreutz in einem Interview mit der RevierSport, er könne den Boykott des HSV-Spiels nachvollziehen, weil "die Hamburger im letzten Jahr etwas versprochen haben, was sie jetzt nicht einhalten". Der BVB-Profi spielte damit auf eine Zusage des HSV an, die Preise zu senken. Großkreutz hätte es als "gutes Zeichen" gesehen, wenn der Gästeblock in Hamburg ganz leer bliebe.

HSV-Profi Marcell Jansen stört sich an Top-Zuschlägen für einzelne Spiele. "Die Fans nehmen doch ohnehin schon sehr viel auf sich", so der Linksverteidiger. "Wenn Azubis sagen, dass sie sich von ihrem Geld keinen Stehplatz leisten können, wird es kritisch", sagte Jansen der Hamburger Morgenpost. (mit dapd)