Dortmund..
Im Juli war die kleine Schwarze entsorgt worden. Ab in den Müll. Einfach so, samt Nachwuchs. Jetzt ist Betty zur Mutterkatze des Jahres ernannt worden. Sie hat jede Menge Katzenwaisen aufgepäppelt. Und ist damit auch eine der wichtigsten Arche 90-Mitarbeiterinnen. Aber, wenn es nach dem Vorstoß der Stadt Paderborn geht, eine aussterbende Spezies: Deren Satzungsbeschluss zur Kastrationspflicht freilaufender Katzen steht rechtlich allerdings auf dem Prüfstand.
Die letzten fünf Katzenwelpen, die Gabi Bayer und ihre Mitstreiterinnen aus einem Karton neben dem Müllcontainer gefischt hatten, noch mit Nabelschnur, müssen mit der Flasche großgezogen werden. Auch Bettys Ammen-Kapazitäten schließlich sind endlich. Und die der Tierschutzorganisation auch. „Alles dicht“, sagt Gabi Bayer und klingt atemlos. „Selbst in meiner Laube habe ich schon einen Hasen sitzen...“
Über 70 Katzen, daneben 25 Hunde, über 80 Nagetiere – die Arche ist voll. Mehr als 60 Pflegestellen kümmern sich um die tierischen Notfälle – hier geht nichts mehr. „Auf der Warteliste haben wir eine Frau, die ihre Mutter verloren hat. In deren Wohnung sitzen fünf Katzen. Eine andere Frau musste nach einem Schockerlebnis in Behandlung. Zu Hause sitzt der Schäferhund. Und wir können nicht helfen.“ Gabi Bayer, seit 20 Jahren im Tierschutz aktiv, ist selbst rat- und hilflos. „Die Massen erschlagen uns“, schüttelt sie den Kopf. Im Tierheim sieht es nicht anders aus, zehn Hunde, so Stadtsprecher Michael Meinders sind – für teures Geld – schon in Pensionen ausgelagert. Hier grassiert obendrein der Katzenschnupfen, so dass keine Vermittlung möglich ist. Die scheint ohnehin schwierig – selbst die kleinen Katzenkinder will niemand haben.
Tierische Not-Exporte verschärfen die Lage
Pferde aus Rumänien, Hunde aus Russland und Spanien – tierische Not-Exporte verschärfen die Problemlage. Dazu müssen Tiere oft emotionale Lücken füllen: „Viele ersetzen mit Tieren ihre sozialen Kontakte. Bis ihnen das Ganze über den Kopf wächst“, sagt Bayer. Wer sein Tier los werden will, wird dabei immer rigoroser. Die Freunde von einst landen im Müllcontainer. Die Tierschützer werden mit solchen Drohungen regelrecht erpresst: „Wenn nicht, dann...“ Dazu ist das, was die Wirtschaftsprognosen so blumig als Aufschwung verkünden, in vielen Haushalten wohl noch nicht angekommen. „Es sind schon einige, die nachfragen, ob sie am Monatsende bezahlen können“, bestätigt Tierärztin Dr. Barbara Seibert. Viele stottern auch bei der Arche ihre Schulden aus der Erste-Hilfe-Kasse ab.
Die Katzenschwemme – ein hausgemachtes Problem? „Bis vor etwa zehn Jahren gab es regelmäßig Kastrationsaktionen“, erinnert sich Tierärztin Seibert. „Das ist dann wieder eingeschlafen“. Weil der Miezen-Nachwuchs sich danach auch in Grenzen hielt. Lange vorbei. Jetzt diskutiert auch die Arche 90 offen über eine Kastrationspflicht; die Tierschutzorganisation Peta versucht, über 120 weitere Städte vom Paderborner Modell zu überzeugen. Danach müssen die Freigänger unter den Sofatigern spätestens im Alter von fünf Monaten kastriert und registriert werden. Katzenhalter, die dagegen verstoßen, droht eine Strafe von 500 Euro. Der Erfolg: Im Jahr nach der Satzung wurden doppelt so viele Paderborner Katzen kastriert; der Aufnahmestopp im Tierheim konnte aufgehoben werden.
Inzwischen existiert eine Eingabe an Minister Remmel – „Die Frage ist, ob das rechtlich haltbar ist“, sagt der Geschäftsführer der Tierärztekammer Westfalen-Lippe, Hans-Joachim Reichstein. Tierschutzrechtlich ist es wünschenswert. Das ist ein anderer Vorstoß der Arche 90 im Büro des Oberbürgermeisters vielleicht auch. Die Bitte, eine städtische Immobilie in eine Auffangstation umzuwidmen, ist aber wohl eher dramatisches Ausrufezeichen.