Dortmund. BVB-Profi Neven Subotic reiste nach Äthiopien und begleitete die Arbeit seiner Stiftung. Wir sprachen mit ihm über Dankbarkeit und Motivation.
Urlaub? Das bedeutet Sommer, Sonne, Sand. Das alles hatte BVB-Profi Neven Subotic in seiner Sommerpause zwar auch, und doch verbrachte er die fußballfreie Zeit anders als es das Klischee vom Fußballprofi verlangt. Statt sich am Strand die Sonne auf den Körper scheinen zu lassen, bereiste der serbische Nationalspieler Äthiopien und informierte sich über den Stand der Projekte, die seine Stiftung in dem afrikanischen Land angestoßen hat.
Im Gespräch mit dieser Redaktion erzählt Subotic, der als Kind mit seinen Eltern vor dem Bosnien-Krieg nach Deutschland floh, von seinen Erlebnissen in Äthiopien. Mit Stolz in der Stimme und einem Leuchten in den Augen schildert er, was die Projekte vor Ort bewirken und was es für ein Dorf bedeutet, einen Brunnen in der Nähe zu haben. Fußball-Profi ist Subotic' Beruf - die Stiftungsarbeit ist seine Berufung.
- Seit 2012 ist die Stiftung aktiv. Sie fußt auf drei Säulen: „100% Hygiene“, 100% Fußball“ und „100% Wasser“. Mit den „100%“ verspricht Subotic, dass jeder gespendete Euro in die Arbeit vor Ort fließt. Bei der öffentlichen Vorstellung der Stiftung im Februar 2013 sagte Subotic, für Verwaltungskosten mit seinem eigenen Vermögen aufzukommen.
- Mit seinem Fußball-Projekt engagierte sich Subotic in Mosambik. Nun liegt sein Schwerpunkt in Äthiopien, wo die Stiftung den Bau von Brunnen vorantreibt.
Herr Subotic, ziehen Sie einmal ein kurzes Fazit ihrer bisherigen Stiftungsarbeit.
Neven Subotic: Wir haben in der kurzen Zeit mehr als 600.000 Euro an Spenden gesammelt. Das Meiste davon haben wir schon in Projekten umgesetzt. Insgesamt haben wir 24 Projekte gestiftet und die Lebensumstände für Tausende von Kindern verbessert.
Die Stiftung ist schon sehr in den Köpfen der BVB-Fans verankert. War das auch Teil des Kalküls?
Neven Subotic: Es war abzusehen, dass die Stiftung über mich als Fußballspieler viele Menschen in Dortmund aufmerksam macht. Dass die Hilfe so zahlreich wird, hatte ich nicht geahnt. Ich hatte aber auch keine konkrete Zahl im Kopf.
Aber ich hatte schon geahnt, dass es richtig sein würde, die Stiftung „Neven Subotic Stiftung“ zu nennen, damit die Menschen, die mich kennen, eine Verbindung haben.
Mit welchen Eindrücken sind Sie nach knapp drei Wochen „Urlaub“ in Äthiopien wieder nach Deutschland gekommen?
Subotic: Es ging Schlag auf Schlag. Wir haben 14 Orte besucht, zwölf Schulen und zwei Gemeinden. Das war eine Menge schöner Momente. Daher war das für mich auch Urlaub ohne Anführungszeichen. Es war natürlich sehr anstrengend, aber das Gefühl, das man dort bekommt, ist unglaublich gut. Allein die positive Reaktion der Kinder – das ist meine Motivation. Ich habe mit den Kindern und Lehrern gesprochen, ob die Projekte gut angekommen sind und was die Hoffnungen für die Zukunft sind. Das sind einfach schöne Momente.
Wie sind die Bedingungen vor Ort?
Subotic: Es ist schwer zu verarbeiten, unter welchen Bedingungen die Menschen leben müssen, weil auch die Menschenrechte nicht gesichert sind. Das wird noch viele Jahre dauern. Viele Menschen leben von weniger als einem Euro am Tag, haben kaum Einkommen. Sie sind gezwungen, verunreinigtes Wasser aus Flüssen zu nutzen. Da wollen wir nachhaltig helfen.
Frauen schleppen bei Hitze 20 Kilo schwere Kanister
- 20 Liter Wasser trägt eine Frau über eine Strecke von rund sechs Kilometern. Jeden Tag. 20 Kilo. Das ist eine Menge, die ein Deutscher vielleicht mal vor einer Party durchs Treppenhaus trägt. Dann aber auch bloß in Form von zwei Kästen Bier und auch nur über kurze Distanz. In Äthiopien ist diese Arbeit tägliche Pflicht. Und dann ist noch nicht einmal sicher, ob das Wasser überhaupt sauber ist.
- Das Wasser an den Quellen sehe manchmal aus wie Fanta, erklärt Subotic. Da sei schon mit bloßem Auge zu erkennen, dass es verschmutzt ist. Manchmal sei Wasser aber auch klar, doch benutzten Tiere die Quelle ebenfalls und würden ihre Fäkalien dort hinterlassen.
- Verschmutztes Wasser ist daher ein großes Thema. Laut UN-Water landen 90 Prozent der Fäkalien ungeklärt in Flüssen. Aus diesen Gewässern beziehen die Dörfer ihr Trinkwasser. In den Schulen seien die hygienischen Bedingungen verbessert worden. Es gibt nun sauberes Wasser und hygienische Toiletten, in denen die Fäkalien vernünftig getrennt werden. Viele Kinder, insbesondere Mädchen, sind auch wegen der fehlenden Hygiene nicht zur Schule gegangen. Durch den Bau von Latrinen stieg die Anzahl der Kinder, die eine Schule besuchen.
Wie muss man sich die Hilfe konkret vorstellen?
Subotic: Wenn es in einem Ort keinen Brunnen gibt, müssen die Frauen, auch Mütter mit kleinen Kindern, jeden Tag viele Kilometer gehen, um Wasser zu holen. Es gibt keine Alternative, Wasser ist lebensnotwendig. Im Schnitt laufen die sechs Kilometer bis zur Quelle. Überall ist das extrem schwer, weil das Gelände schwierig ist und es sehr heiß ist. Ein Drittel des Tages ist weg – nur durch das Holen von Wasser. Das Wasser müssen sie oft mit einem kleinen Behältern aus der Quelle löffeln, weil oft kaum Wasser vorhanden ist. Damit sich der Weg lohnt, gehen sie mit großen Kanistern los. Da passen 20 Liter rein. Ich lade jeden ein, einmal 20 Liter Wasser bei Hitze die Treppe hoch zu tragen. Durch unsere Brunnen sparen sich die Menschen diesen Weg. Sie gewinnen vier Stunden, in denen sie sich um Bildung kümmern oder Felder bewirtschaften und Ware verkaufen zu können.
Was ist es für ein Gefühl, wenn das Wasser aus dem Bohrloch schießt?
Subotic: Sehr, sehr schön! Zwar weiß man anhand von Messungen, dass Wasser da ist. Doch dann tatsächlich das Wasser rausschießen zu sehen, beschert einem ein besonderes Glücksgefühl - und eine kalte Dusche.
Wie reagieren die Menschen, wenn da ein Tross mit schwerem Gerät anrückt?
Subotic: Die Leute waren so freundlich, dass ich es gar nicht in Worte fassen kann. Vor Ort haben wir immer versucht, sofort mit dem Schulleiter, den Schülern oder den Gemeindevorstehern zu sprechen. Ich glaube ja, dass ich ein ganz netter Kerl bin (lacht), aber die Leute dort schlagen das um Längen. Die Dankbarkeit war unglaublich groß. In einem Dorf wurde mir zum Dank ein Hähnchen angeboten. Das ist dort wirklich nicht wenig. Das war Dankbarkeit auf einem besonderen Niveau, das ich noch nicht oft erlebt habe.
Fällt es mit diesen Eindrücken im Kopf schwer, jetzt den Fokus wieder komplett auf den Fußball zu richten?
Subotic: Fußball ist wie die Stiftung mein Hauptberuf. Ich lege seit Jahren die nötige Seriosität an den Tag. Ich kann ja beim Training nicht am Laptop hängen und Stiftungsarbeit erledigen. Da bin ich ganz bei der Arbeit und kümmere mich um meinen Job.
Es heißt, sie würden in der Umkleidekabine viel über Pumpen sprechen und für die Stiftung telefonieren. Hat dieser Enthusiasmus schon auf andere Spieler abgefärbt?
Subotic: Als die noch nicht so richtig wussten, was ich mache, haben sie oft nachgefragt, wenn ich in der Mittagspause am Laptop saß. Mittlerweile weiß das jeder. Ein paar Spieler sind ja auch schon sozial engagiert. Sebastian Kehl und Roman Weidenfeller arbeiten für Roter Keil, Marco Reus setzt sich für ein Kinderhospiz ein. Ich glaube, ein paar andere Leute überlegen auch, etwas zu tun.
In der Sommerpause wurde gern der Vergleich zwischen Ihren Urlaubsfotos aus Äthiopien und den Strandfotos anderer Profis gezogen. Ist das fair?
Subotic: Ich bin kein Fan von Vergleichen. Jeder Mensch ist anders. Ich hasse es auch, darauf reduziert zu werden, dass ich ein Fußballer bin, der nebenbei noch eine Stiftung hat. Ich glaube, dass ich viel zu viel Zeit und zu viel Herz und Geld in die Stiftung stecke, um das nur als Hobby zu machen. Es ist tägliche Arbeit. Da lege ich nicht so viel Wert darauf, was andere Leute sagen. Es ist ein kleines Ziel von mir, dass die Leute irgendwann nicht Neven, den Fußball-Profi sehen, sondern Neven, den Stiftungs-Präsidenten (lacht). Das ist eine große Herausforderung, aber ich habe ja noch viel Zeit.
Als Flüchtlingskind gelernt, wie wichtig gegenseitige Hilfe ist
- Neven Subotic, der Stiftungs-Präsident – ein Bild, das sich nicht unbedingt mit der öffentlichen Wahrnehmung deckt. Seine Biografie als Flüchtlingskind war zwar bekannt, speziell im Fernsehen rückten aber andere Bilder in den Fokus, wie die von Wohnmobil-Urlauben oder die spontane Meisterfeier mit Fans auf der Lindemannstraße in Dortmund.
- Doch schon damals engagierte sich der Fußballer auch sozial. Subotic bezeichnet die Gründung der Stiftung als "logischen Schritt nach sechs Jahren Engagement". Ungefähr ein Dreivierteljahr lang bereitete er die Gründung vor und stieß erste Projekte an. Die Stiftungsurkunde datiert auf den 16. November 2012. Am 22. Februar 2013 ging er dann an die Öffentlichkeit.
Ein paar soziale Aktivitäten gingen der Stiftungsgründung voraus...
Subotic: Ja. Ich war seit 2008 Botschafter für Kinderlachen. In Mainz hatte ich auch ein kleines Projekt, für das ich mich gerne eingesetzt hatte. Ich finde es immer wichtig, lokale und regionale Projekte zu unterstützen. Ich glaube, das macht aber fast jeder Fußballer. Ob es darum geht, als Person Aufmerksamkeit für ein Projekt zu schaffen oder zu spenden. Andere gehen ins Krankenhaus und helfen den Menschen, auf andere Gedanken zu kommen. Über solche Dinge wird dann bloß nicht berichtet.
Wichtig ist immer, einen Effekt zu sehen. Am besten ist es, wenn die Leute, die man unterstützt, einem vor Ort ins Gesicht strahlen und man sieht, was man bewirkt hat. Dieses Feedback ist die größte Motivation.
Wenige Hundert Meter von Ihrem Büro entfernt campieren Flüchtlinge, um für schnellere Verfahren zu protestieren. Können Sie sich noch in die Situation hineinversetzen?
Subotic: Als wir damals geflohen sind, haben wir in einem Dachgeschoss in einem Fußball-Vereinsheim gewohnt. Wir hatten Betten, eine Toilette und ein Bad. Das ist bei vielen jetzt anders. Die Anzahl ist auch sehr gewachsen. Die Umstände sind leider viel schlechter.
In wie weit spielt Ihre Geschichte als Flüchtlingskind eine Rolle bei der Motivation?
Subotic: Als wir nach Deutschland gekommen sind, hatten meine Eltern immer Jobs angenommen, um nicht nur uns, sondern auch unserer Familie in Bosnien zu helfen, die dort im Krieg lebte. Ich weiß noch ganz genau, wie meine Eltern einen vollen Bulli mit Hilfsgütern nach Bosnien geschickt haben. Ich war da vier Jahre alt, aber das hat mich geprägt. Später sind wir mit nichts nach Amerika gegangen und haben dort Hilfe bekommen, bis wir uns selbst helfen konnten. Und als ich 2006 meinen Profivertrag unterschrieben habe, war ich in der Position, in der ich anderen helfen konnte. Darüber bin ich sehr froh und sehe es auch als meine Pflicht.
Der größte Unterschied zwischen uns und den Kindern in Äthiopien ist der, dass wir woanders geboren sind. Mehr nicht. Denen den Rücken zuzudrehen, weil man gerade keine Zeit hat, ist nicht die richtige Antwort auf die Probleme. Es ist unsere Welt, und da sollte man solidarisch sein. Wären wir woanders geboren, wären wir diejenigen, die Hilfe brauchen.