Bottrop. Die barocke Pracht des Städtischen Musikvereins litt beim Konzert unter der Akustik von Liebfrauen. Musiker kämpften gegen den schwierigen Raum.
Barocke Klangpracht und ein neogotisches Ambiente vertragen sich nicht wirklich, wie sich jetzt beim Konzert des Städtischen Musikvereins Bottrop in der riesigen Liebfrauenkirche zeigte. Aber da die Landesherren der Region einst nicht à la mode mit Putten-seligem Dekor goldig prunkteten, kann man im Ruhrgebiet veritable Barockkirchen mit der Lupe suchen – und muss folglich als ambitionierter Klangkörper mit einem Neubau aus dem frühen 20. Jahrhundert wie Liebfrauen vorliebnehmen.
Zusammen mit dem Gelsenkirchener Barock-Orchester Caterva Musica präsentierte der Musikverein dort mit dem „Magnificat“ und dem „Gloria“ zwei bedeutende Chorwerke von Antonio Vivaldi (1678-1741), zwischen denen ein Instrumental-Konzert seines deutschen Zeitgenossen Georg Philipp Telemann (1681-1767) barocke Pracht hätte bieten wollen.
Chor, Solisten und Musiker zeigten sich bestens präpariert
Allein, es sollte nicht sein, was sich schon bei der einleitenden Bach-Kantate „Nimm, was dein ist und gehe hin“ andeutete. Der von Ludger Köller bestens präparierte Musikverein stand kraftvoll und in allen Stimmen differenziert über der orchestralen Begleitung, die freilich durchgängig überpräsent tönte. Weshalb die erste Arie „Murre nicht, lieber Christ“ den Ruch der Wahrheit trug, weil die tadellos singende Altistin Salome Muhr mit ihrer Stimme weder das riesige Kirchenschiff füllen noch die basslastigen Streicher übertönen konnte.
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Natürlich erwartet man in einer neogotischen Halle nicht die transparente Akustik eines modernen Konzerthauses, aber die unausgewogene Balance zwischen den Solisten, Chor und Instrumenten trübte diesmal in Liebfrauen den Genuss der an sich bravourös agierenden Musiker doch erheblich. Selbst eine diskrete Mikrophon-Stütze half da Inga Muhr-Balzer (Sopran), Salome Muhr und dem Tenor Fabian Strotmann kaum, sich jubilierend über den engagiert aufspielenden Klangkörper zu erheben. Aber wie hieß es in der Bach’schen Sopran-Arie so treffend: „Genügsamkeit ist ein Schatz in diesem Leben.“
Woran man besonders denken musste, als schließlich Telemanns „Konzert für Violine, Violoncello, Trompete und Streicher“ erklang. Dessen erster Satz versprach als „Vivace“ barocken Prunk, doch von einer hell strahlenden Trompete so gut wie keine Spur. Da fragte man sich schon, ob’s nur am schwierigen Raum lag oder doch an mangelndem Mut, mal ordentlich ins Horn zu stoßen. Im dritten Satz verschwand das Blech dann völlig hinter der gesanglichen Solo-Violine, die das unausgewogene Klangbild doch arg präsent strapazierte.
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Schade, denn dass da mehr möglich gewesen wäre, zeigte sich auch bei Vivaldis „Gloria“, in dessen Chorpassagen der Musikverein überzeugte, während die Soli weiterhin unter besagten Einschränkungen litten. Der finale Jubel des Publikums war dennoch herzlich, anspruchsvolle Hörer jedoch mussten leider Gottes frei nach Bach konstatieren: „Jesus, keine Freude“