Bottrop/ Gladbeck. So erlebt SPD-Bundestagsabgeordneter Michael Gerdes den Alltag in der Corona-Krise. Was ihm wichtig ist und wo er skeptisch bleibt.

Die Corona-Pandemie lässt die Gesellschaft auseinander driften und belastet vor allem Eltern und Familien. SPD-Bundestagsabgeordneter Michael Gerdes erlebt ja selbst, wie sehr die Gebote und Beschränkungen, die wegen der Covid 19-Ansteckungsgefahr nötig sind, der eigenen Familie zu schaffen machen. Seine Schwiegermutter etwa lebt in einem Seniorenheim. Sie dürfe derzeit nur von einer Tochter besucht werden, erzählt er. „Sie nach Hause zu holen, geht gar nicht. Das ist schwierig für sie und die ganze Familie“, meint der 60-Jährige. Dabei seien doch gerade echte Begegnungen für den Zusammenhalt der Familien wie der Gesellschaft so wichtig.

„Mein Schwiegersohn sitzt nur noch zu Hause und arbeitet im Home-Office“, berichtet der Abgeordnete aus dem Familienalltag. Für seine Tochter sei es da gar nicht so einfach, den Kindern klar zu machen, dass sie ihren Vater in Ruhe lassen sollen. „Für sie ist ihr Papa ja schließlich zu Hause“, sagt Gerdes. Das sei in vielen Familien nicht anders, und das dauernde Aufeinander-Hocken führe womöglich auch zu Spannungen. Die Tochter arbeite in der Altenpflege und damit in einem systemrelevanten Beruf. Sie kann die Kinder in die Betreuung geben. „Die Kinder wollen da aber oft gar nicht hin, weil kaum andere Kinder da sind“, weiß der Großvater. Andere Mütter dagegen fühlten sich ungerecht behandelt, weil sie ohne systemrelevante Berufe im Lockdown erst gar keinen Anspruch auf eine Kinderbetreuung haben.

Man bekommt überall nur noch maskierte Leute zu sehen

Der SPD-Abgeordnete registriert die Spannungen in der Gesellschaft sowie die Verunsicherung bei vielen. „Man sieht nur noch maskierte Leute, man begegnet auch ängstlichen Leuten“, sagt Michael Gerdes. Er selbst sei bisher von dem Coronavirus verschont geblieben. Er sei allerdings für den Bundestag mit einem Fahrer unterwegs gewesen, der anderntags als infiziert erkannt wurde. „Ich musste aber nicht in Quarantäne, mein Abstrich war negativ - Glück gehabt“, meint der Bottroper. Ihm gehe es wie vielen Beschäftigten auch. „Ich vermisse die direkten Gespräche. Alles läuft über Video-Konferenzen“, sagt Gerdes. Vor allem, wenn diese lange dauern, sei das auch ziemlich anstrengend, stellt er fest.

Für Corona-Leugner hat Michael Gerdes da kein Verständnis. „Alu-Hüte“, nennt er sie. Ein Aufrechnen von Corona-Toten gegenüber der Sterblichkeitsrate und die Fragen der Bottroper AfD nach dem Alter der Gestorbenen wie unlängst im Stadtrat löst bei ihm Kopfschütteln aus. „Ob Sie 30 Jahre alt sind, 60 oder 90, sie wollen doch leben“, betont der 60-Jährige. „Wir erleben aber leider auch im Bundestag, wie verantwortungslos diese Leute da vorgehen“, bedauert der Bundestagsabgeordnete.

Arbeitsschutz für Beschäftigte im Home-Office

Dass die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie für Beschäftigte und Unternehmen durch Hilfspakete des Bundes und vor allem auch durch das Corona-Kurzarbeitergeld abgemildert werden können, ist dem SPD-Abgeordneten wichtig. Gerdes ist im Bundestag Mitglied des Ausschusses für Arbeit und Soziales. „Was das Kurzarbeitergeld angeht, das ist eine tolle Sache. Denn sonst wären die Folgen noch härter durch eine weitaus höhere Arbeitslosenquote und einen Anstieg der Zahl der Hartz 4-Empfänger“, sagt er. Doch der Bundestag dürfe jetzt nicht stehen bleiben. 

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„Eine ganz wichtige Frage ist zum Beispiel: Wie bekommen wir vernünftige Bedingungen für die Arbeit im Home-Office hin?“, betont der SPD-Vertreter. Zu erklären sei, wer die Einrichtung der Arbeitsplätze bezahle oder auch wer kontrolliere, ob die Arbeitsplätze zu Hause den Vorschriften entsprechen und ob die Arbeitszeiten eingehalten werden. „Man muss die Mitarbeiter doch auch schützen, damit sie nicht um 22 Uhr wieder am PC sitzen, wenn sie die Kinder ins Bett gebracht haben“, meint der Bundestagsabgeordnete. 

Ausbeutung von Arbeitnehmern in Fleischindustrie verhindern

Die Herausforderungen durch die Corona-Pandemie prägten die Arbeit im Bundestag, doch die Abgeordneten konzentrierten sich keineswegs nur darauf. Allerdings habe zum Beispiel die Verabschiedung des neuen Gesetzes für besseren Arbeitsschutz in der Fleischindustrie erst durch die heftigen Corona-Ausbrüche in Schlachthöfen Schub bekommen. Es sei gelungen, gegen die Zeitarbeit in der Branche anzugehen und Mindestlöhne sowie vernünftige Unterkünfte für die Beschäftigten durchzusetzen. „Damit kann man zufrieden sein“, meint Gerdes, doch er bleibt skeptisch.  „Die Firmen werden neue Wege finden, um Arbeitnehmer auszubeuten“, rät der SPD-Vertreter dazu, die Fleischindustrie besonders im Auge zu behalten.

Der SPD-Abgeordnete unterstützt die Forderungen, Tariftreue zur Bedingung zu machen, wenn der Bund Firmen Aufträge erteilt. „Staatsaufträge sollten nur an solche Unternehmen gehen, die die Tarifverträge beachten und sich daran halten“, erklärt der Bottroper. Er setzt sich auch dafür ein, die Wahl von Betriebsräten gerade in kleineren Betrieben zu erleichtern. Das hätten CDU und SPD im Koalitionsvertrag schließlich vereinbart, auch wenn er dabei ein Problem nicht übersieht: „Wie die SPD verlieren auch die Gewerkschaften leider immer mehr Mitglieder“.

Die Grundrente ist eine soziale Errungenschaft

Mit der neuen Grundrente ist für ihn ein Meilenstein gesetzt. Sie sei eine große soziale Errungenschaft. Auch wenn die Auszahlung erst ab Juli beginne, sei sie rückwirkend seit dem Beginn des Jahres gültig. „Davon profitieren Menschen, die 35 Jahre lang gearbeitet haben und kein Auskommen mit ihrer Rente haben“, betont Michael Gerdes. Das sei nicht nur eine Frage des Geldes, sondern vor allem auch des Respektes den Menschen gegenüber, die ein Leben lang gearbeitet haben.

Versammlung in der Dieter-Renz-Halle

>>> Die Wahlkreisdelegiertenkonferenz der SPD wird den Bundestagskandidaten für den Wahlkreis Bottrop-Gladbeck-Dorsten voraussichtlich am Dienstag, 19. Januar, in Bottrop aufstellen. Die Versammlung soll in der Dieter-Renz-Halle stattfinden.

Die SPD-Delegierten müssen sich bis jetzt zwischen zwei Bewerbern entscheiden. Neben dem amtierenden Bottroper Bundestagsabgeordneten Michael Gerdes bewirbt sich auch der Gladbecker Michael Hübner, der die SPD bisher im NRW-Landtag vertritt.