Essen./Bottrop. 2014 ist er wegen Missbrauchs seines Bottroper Babys bestraft worden. In einem Wiederaufnahmeverfahren rollt Dortmund den Fall neu auf.

Acht Jahre ist es her, dass der 57-Jährige wegen sexuellen Missbrauchs seines elf Monate alten Babys in der Bottroper Wohnung der Mutter des Kindes vom Landgericht Essen verurteilt wurde. Seit Dienstag kämpft er in einem Wiederaufnahmeverfahren am Landgericht Dortmund um einen Freispruch.

Es ist in der deutschen Justiz extrem selten, dass bereits rechtskräftig abgeschlossene Verfahren neu aufgerollt werden. Aber dem Koch ist es gelungen, die Dortmunder Richter davon zu überzeugen, dass sein Fall erneut geprüft wird. Dafür benötigt der Verurteilte neue Zeugen. Und die hat er präsentiert, als er am 6. Dezember 2016 die Wiederaufnahme seines Verfahrens beantragt hatte. Eine Zeugin bestätigte, dass die Mutter des Babys ihr gesagt habe, alle Vorwürfe gegen den Vater des Kindes seien frei erfunden und gelogen.

2013 kam das gemeinsame Kind zur Welt

Aber der Reihe nach. Seine Freundin in Bottrop war noch mit einem anderen Mann verheiratet, als sie eine Beziehung zu dem jetzt Angeklagten begann. Neun Monate später kam 2013 das gemeinsame Kind zur Welt. Oft hielt er sich in der Wohnung der Frau auf, spielte mit dem Baby, erzählt er am Dienstag vor der 31. Dortmunder Kammer. Der Mutter des Kindes habe er auch oft Geld gegeben.

Am 5. November 2013 soll es zu der Tat gekommen sein. Als die Mutter des Kindes einmal das Zimmer verlassen habe, soll er die Gelegenheit genutzt habe, um seine Hose herunterzulassen und das Baby an seinen Unterleib zu halten. Plötzlich sei die Freundin wieder ins Zimmer gekommen und habe das sofort unterbunden.

Die Mutter des Kindes mit italienischen Freunden bedroht

Er soll keineswegs schuldbewusst reagiert haben, hieß es damals im Urteil der V. Essener Strafkammer. Sie solle sich nicht anstellen, habe er der damals 30-Jährigen gesagt. Und wörtlich laut Urteil: "Was willst Du denn? Das machen alle. Sogar die Deutschen." Unter Verweis auf seine Herkunft habe er sie bedroht, falls sie ihn anzeige: "Ich bin aus Italien und kenne Leute. Du wirst sterben, wenn Du zur Polizei gehst."

Er habe ihr zudem eine leichte Kopfnuss verpasst und ihren Laptop auf den Boden geworfen. Sie rannte in den Hausflur mit dem Baby und ging zur Polizei.

Nach drei Monaten U-Haft gab es Bewährung

Drei Monate saß er in U-Haft und kam erst frei, als das Essener Gericht ihn zu eineinhalb Jahren Haft  mit Bewährung verurteilte. Die Schuldfrage stellte für die Strafkammer nach Worten der Richterin Luise Nünning kein Problem dar. Denn die Mutter des Kindes habe geistesgegenwärtig ein Foto von der Missbrauchsszene gemacht, als sie den Angeklagten mit Baby und ohne Hose überrascht habe.

Der Verurteilte legte Revision ein, doch der Bundesgerichtshof war mit dem Urteil einverstanden. Das war im Oktober 2014. Zwei Jahre später präsentierte er dann die Zeugin, die das Dortmunder Landgericht bewegte, im Februar 2017 die Wiederaufnahme des Verfahrens zu beschließen. Seitdem sind auch schon wieder fünf Jahre vergangen, was die Vorsitzende Britta Graja am Dienstag als vermutlich  "rechtsstaatswidrige Verzögerung" durch die Dortmunder Justiz bezeichnete.

Kopfnuss nennt er "nicht absichtlich"

Zum Prozessauftakt bestritt der Angeklagte den Vorwurf erneut, die Kopfnuss räumte er ein, allerdings nicht als absichtliche Handlung. Er sei gestolpert.

Und das Foto? Daran habe er keine Erinnerung. Vermutlich habe sie ihm mal die Hose ausgezogen oder er selbst, weil sie Milch auf ihm verschüttet habe. Der Bottroper Anwalt Christof Wübbenhorst, der die Mutter des Kindes in der Nebenklage vertritt, bemerkte, dass er das im Essener Prozess nicht vorgetragen habe.

Dem Foto wird am Dienstag noch keine entscheidende Rolle beigemessen. An den nächsten Prozesstagen werden die Mutter gehört und die Zeugin, der sie angeblich eine Lüge eingestanden hatte.