Bochum. Ein Bochumer steht vor dem Landgericht. Er soll einen Bekannten zu Tode geschlagen und getreten haben. Am Donnerstag äußerte er sich zu der Tat.
„Er war doch mein Freund“, sagt der Angeklagte und kämpft mit den Tränen. Keine Erinnerung, erst recht keine Erklärung habe er für die Gewalttat, für die er sich seit dieser Woche vor dem Bochumer Landgericht verantworten muss. Anfang des Jahres soll der 37-Jährige einen Bekannten mit Schlägen und Tritten so schwer verletzt haben, dass er später starb. Tatort: das Außengelände eines Bochumer Kindergartens.
Angeklagter: „Wir haben zusammen geweint und gelacht“
Der Vater früh gestorben, zwei Ausbildungen abgebrochen, Alkohol und harte Drogen schon als Jugendlicher, gescheiterter Entzug, Beschaffungskriminalität, Knast, Zwangsräumung der Wohnung, Obdachlosenunterkunft, zuletzt wohnungslos: Vor dem Schwurgericht erzählt der Bochumer von seinem Leben auf der Schattenseite der Gesellschaft.
In Dirk findet er 2022 einen Seelenverwandten. Auch er lebt auf der Straße. Man freundet sich an, trifft sich regelmäßig am Hauptbahnhof, greift täglich zur Flasche, „konsumiert“, wie es der 37-Jährige formuliert. „24/7 waren wir zusammen, haben zusammen geweint, haben zusammen gelacht. Wir haben immer gut harmoniert“, schildert der Bochumer, der auf der Anklagebank äußerlich und sprachlich so gar nicht dem Klischee der Trinkerszene entspricht.
37-Jähriger will sich an Gewalttat nicht erinnern können
Es ist der Abend des 24. Januar 2024, als die beiden Männer auf dem umzäunten Spielplatz der städtischen Kita an der Akademiestraße zusammenkommen. Normalerweise trinken sie Bier. Diesmal haben sie drei Flaschen Wodka „aus dem Netto“ dabei. „Die sind schnell runtergegangen.“ Wie immer sind auch Drogen im Spiel.
Warum das Trinkgelage ein tödliches Ende nahm, sei für ihn bis heute ein Rätsel, das ihn in jeder ruhigen Minute verfolge, beteuert der 37-Jährige. Seine Erinnerung setze erst ein, als er mit Handschellen im Polizeiwagen sitzt. Aus welchem Anlass es zuvor zum Streit kam? Was ihn dazu brachte, seinen Freund mit Fäusten zu traktieren? Warum er ihn, auf dem Boden liegend, bis zur Ohnmacht ins Gesicht getreten hat? Er finde darauf „keine Antworten“, sagt der Bochumer auf Nachfrage von Richter Volker Talarowski.
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Anwohner entdecken den bewusstlosen 47-Jährigen und wählen den Notruf. Der 37-Jährige wird vor Ort festgenommen. Das Opfer wird mit einem Schädel-Hirn-Trauma, Hirnblutungen und Gesichtsfrakturen in einer Klinik versorgt. Dort stirbt er neun Tage später.
Videos zeigen Bochumer nach der Tat in desolatem Zustand
Die Anklage lautet auf Totschlag. Die Staatsanwaltschaft erkennt eine verminderte Schuldfähigkeit. Body-Cam-Aufnahmen der eingesetzten Polizeibeamten, die am Donnerstag im Gerichtssaal gezeigt wurden, bestätigten die Darstellung des Angeklagten. Die Videos zeigen ihn nach der Tat in einem desolaten, orientierungslosen Zustand.
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Richter Talarowski berichtete zum Prozessauftakt, dass Anwohner Sorge hätten, auszusagen. Racheakte würden befürchtet. Talarowski meint: „Dazu bestehe kein Anlass.“ Das versichert auch der Angeklagte.
Der 37-Jährige sitzt seit seiner Festnahme in der JVA Krümmede in Untersuchungshaft. Der Prozess wird fortgesetzt.