Bochum. Das Lieferkettengesetz gilt als Bürokratiemonster. Eine IT-Firma aus Bochum verspricht: Ihre Software macht den Weg von Produkten transparent.

Große deutsche Unternehmen sollen weltweit Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten wie das Verbot von Kinderarbeit und Zwangsarbeit übernehmen. Das sieht das gerade verabschiedete Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz vor. Die Wirtschaft spricht von einem bürokratischen Monster. Beim IT-Unternehmen Setlog aus Bochum sagen sie: „Wir können Abhilfe schaffen.“

40.000 Nutzer in 92 Ländern

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Ralf Düster weiß, wie komplex die Anforderungen sind. Der 53-jährige Mitgründer und Vorstand von Setlog war einst zehn Jahre lang als Logistik-Chef für die globale Beschaffung sowie den Export der Steilmann-Gruppe mit ihren 14 Tochterunternehmen verantwortlich. Die Erfahrungen aus dieser Zeit haben 2001 zur Gründung von Setlog geführt. „Die weltweite Beschaffung war eine Blackbox“, so Düster. „Und das wollten wir ändern.“

Herauskommen ist dabei eine Software, die wirtschaftliche Aspekte wie Einkauf, Lieferantenmanagement, Logistik und Qualitätskontrolle ebenso berücksichtigt wie komplexe Vorschriften zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutz. Mit OSCA, der Software von Setlog made in Bochum, können Unternehmen ihre Lieferketten transparent machen und Lieferanten bzw. Spediteure steuern. Und sie können mit einer ergänzenden Lösung auch die Einhaltung der Umweltschutzstandards und Menschenrechte ihrer Lieferanten und Sublieferanten abbilden.

40.000 Nutzer in 92 Ländern arbeiten bislang mit den Setlog-Programmen, so das Unternehmen. Bei mehr als 150 Marken in den Bereichen Bekleidung, Elektronik, Nahrungsmittel, Konsumgüter und Hardware vernetzen sich Unternehmen über die Setlog-Software mit ihren Kunden, Lieferanten und Dienstleistern, um ihre Lieferkette optimal aufeinander abzustimmen, Prozesse zu beschleunigen und effizient zu managen.

Adler und Karstadt gehören zu den Kunden

„Den Weg ihres Polo-Shirts haben wir auch gesteuert“, sagt Ralf Düster beim Treffen am Firmensitz im Jahrhunderthaus an der Alleestraße und zeigt auf das Emblem am Shirt des Besuchers. „Es gibt überhaupt kein Teil von Marco Polo, das wir in den vergangenen Jahren nicht gesteuert haben.“

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Bei anderen Marken und Händlern ist es ähnlich. Zu den Setlog-Kunden gehören u.a. die Modekette Adler, KiK Textilien und Non-Food und Galeria Karstadt Kaufhof. Die Produktionswege beginnen dabei in Ländern wie Vietnam und Bangladesch, Logistik und Vertrieb reichen um die ganze Welt. Was den Nebeneffekt mit sich bringt, rund um die Uhr mit seinem Service für die Kunden da zu sein. „Das läuft über Bereitschaften“, sagt der Wattenscheider. Und so häufig komme es nicht vor, dass Kunden aus Übersee zu nachtschlafender Zeit in Europa Hilfe bei der IT benötigen.

Unglücke in Pakistan und Bangladesch

Vor 20 Jahren ging es zunächst nur darum, mit einer Software Lieferwege zu optimieren – um Kosten zu sparen und auch um die Umwelt zu schonen. Leere oder halbvolle Container durch die Welt zu fahren, ist gleichermaßen unwirtschaftlich wie schädlich für die Umwelt. Als 2012 in Pakistan beim Feuer einer Textilfabrik fast 300 Menschen ums Leben kamen und ein Jahr später mehr als 1000 Menschen beim Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesch starben, war das Thema „Lieferkette“ und der Schutz von Arbeitnehmern in aller Munde.

Die Mitarbeiterteams sind auf einer Tafel im Eingangsbereich des Setlog-Büros im Jahrhunderthaus kunstgerecht aufgelistet.
Die Mitarbeiterteams sind auf einer Tafel im Eingangsbereich des Setlog-Büros im Jahrhunderthaus kunstgerecht aufgelistet. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

„Die Tengelmann-Gruppe war mit Kik damals eine der ersten, die reagiert hat“; erinnert sich Ralf Düster. Kik wollte eine große Plattform mit größtmöglicher Transparenz schaffen. Weitere Unternehmen sollten folgen.

Lieferkettengesetz gilt von 2023 an

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Das Argument der deutschen Wirtschaft, das Lieferkettenschutzgesetz sei ein Kostentreiber, ist für den Setlog-Chef nicht stichhaltig. Erstens arbeite die Europäische Union an einem Gesetzesentwurf, der beinhalte, dass die Sorgfaltspflichten in Zukunft für alle Importeure und Unternehmen gelten soll, die auf dem europäischen Markt ihre Produkte vertreiben. Und zweitens werde durch eine digitale Lösung die für Unternehmen notwendige Transparenz in Lieferketten geschaffen. Das müsse nicht zwingend zu höheren Preisen führen. Ralf Düster rät Firmen, bis 2023 ihre gesamte Planung und Steuerung von Waren-, Geld- und Informationsflüssen zu digitalisieren. „Jeder Importeur sollte das Thema auf seine Agenda setzen – besser früher als später.“

60-köpfige Belegschaft

Das gelte auch für kleine Firmen. Das Lieferkettengesetz gilt zwar erst für Unternehmen mit mindestens 3000 Beschäftigten, später dann auch für Firmen mit mindestens 2000 Mitarbeitern. Aber auch Mittelständler könnte es betreffen. „Konzerne werden sich in neuen Verträgen absichern, dass nicht nur große, sondern alle Lieferanten die gesetzlichen Vorschriften einhalten und ihre Supply Chains transparent sind“, so Düster.

Er jedenfalls rechnet mit einer deutlich wachsenden Nachfrage und steigenden Umsätzen. „Ich gehe schon von einer Verdopplung in den nächsten drei bis fünf Jahren aus“, so der gelernte Speditionskaufmann und studierte Betriebswirt im Hinblick auf die momentan 60-köpfige Belegschaft. Logistik-Experten, Kaufleute, aber vor allem IT-Spezialisten arbeiten für das Unternehmen. Im immer härter werdenden Wettbewerb um Fachkräfte sieht Düster recht gute Chancen für Setlog. Es gehe um komplexe Vorgänge, was in der Regel ein großer Ansporn für IT-Experten sei. Und: „Wir können mit unserer Software dazu beitragen, die Welt ein kleines bisschen besser zu machen.“