Bochum. Die Glocken-Geschichte bewahrt der Enkel des „Vaters der Olympiaglocke“. Überführung von Bochum nach Berlin nutzten die Nazis zu Propagandazwecken.
Am Freitag blickt die Welt nach Rio de Janeiro. Die 31. Olympischen Spiele werden eröffnet. 80 Jahre ist es her, da war die Welt zu Gast in Berlin. Bei Olympia 1936 wussten sich die Nazis geschickt zu inszenieren. Sie hatten als erste die Idee, das Olympische Feuer von Griechenland mit einem Fackel-Staffellauf zum Austragungsort bringen zu lassen und sie ließen eine spezielle Olympia-Glocke für den Glockenturm des Olympiastadions anfertigen: beim Bochumer Verein.
Wilfried Klingelhöfer, 77, ehemaliger Berufsschullehrer und in Freiburg lebend, ist zu so etwas wie einem Fachmann für diese Glocke geworden. Aus familiären Gründen. „Mein Großvater Friedrich Herber-holz hat diese Glocke gefertigt. Meine Großeltern lebten in der Alleestraße. Er war seinerzeit beim Bochumer Verein für Gussstahlfabrikation Obermeister, also Betriebsleiter. Er war der Vater der Olympiaglocke und mit Leib und Seele Stahlgießer.“
Überführung der Glocke nach Berlin wurde als Triumphzug propagiert
Kennengelernt hat Klingelhöfer seinen Großvater mütterlicherseits nicht. „Ich habe das alles von meiner Mutter erfahren.“ Sie erzählte ihm auch, dass zu den Spezialitäten des Opas der Stahlglockenguss gehörte. „Auf das gute Gelingen der Olympiaglocke war er besonders stolz“, sagte Klingelhöfer. „Und ich bin es auf ihn. Auch wenn er später einsehen musste, dass sein Werk mit dazu beigetragen hat, dass die olympischen Spiele von Berlin zu einer riesigen Propagandaveranstaltung missbraucht wurden.“
Schon aus der feierlichen Überführung nach Berlin in Form einer Tournee durch verschiedene deutsche Städte machte die Reichspropaganda einen Triumphzug. Am 11. Mai 1936 wurde die Bochumer Glocke in den 77 Meter hohen Glockenturm des Olympiastadions gehoben. Ihr Klang eröffnete am 1. August 1936 die XI. Olympischen Spiele neuer Zeitrechnung.
Denkmal am Olympiastadion in Berlin
Heute steht die Glocke als Denkmal an der Südseite des Olympiastadions. „Bei der Sprengung des durch den Krieg zerstörten Glockenturms 1947 vergaß man die Glocke abzuhängen“, sagt Klingelhöfer. „Sie fiel herunter, bekam dabei einen Riss in der Wand. Zur Wiederverwendung war sie unbrauchbar. Deswegen hängt heute eine kleinere in dem 1962 wiedererrichteten Glockenturm am Maifeld.“
Für Klingehöfers Großvater hatte das gelungene Werk „Olympiaglocke“ noch ein Nachspiel. „Stahlgussglocken haben wohl nicht den vollen Klang einer bronzenen Glocke, sind aber erheblich preiswerter und vor allem auch größer herzustellen“, sagte Klingelhöfer. „Das Reichspropagandaministerium trat an meinen Großvater heran, ob er eine Glocke für das Reichsparteitaggelände in Nürnberg gießen könne. Sie müsse so groß werden, wie man bis dahin auf der Welt noch keine Glocke kannte. Mein Großvater war verpflichtet, den Herren um Albert Speer eine Antwort zu geben. Er zog sich allein in sein Büro zurück, um alle notwendigen Berechnungen und Überlegungen in Ruhe vornehmen zu können.
Nach einer Woche antwortete er dem Ministerium: Ja, wir können die Glocke gießen. Aber sie ist wegen ihrer Größe nicht von Bochum nach Nürnberg zu transportieren. Weder auf dem Land- noch auf dem Wasserweg.“