Bochum. SPD-Politikerin zieht Bilanz und freut sich auf neuen Lebensabschnitt. Eine Bochumerin, die beinahe alles in Düsseldorf erreicht hat.
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Auf eine außergewöhnlich lange Zeit als Landtagsabgeordnete in Düsseldorf kann Carina Gödecke zurückblicken. Die 63-jährige SPD-Politikerin hatte schon lange vor der NRW-Landtagswahl für sich entschieden, nicht noch einmal für den NRW-Landtag, dem sie 27 Jahre lang angehört hat, zu kandidieren. Grund genug, um zurückzublicken und auf einige Punkte ihrer langen politischen Karriere zu schauen. Im Gespräch mit WAZ-Redakteur Michael Weeke lässt sie die Jahre Revue passieren und schaut sich einige Entwicklung aus der „Vogelperspektive“ etwas genauer an.
Wenn sich in wenigen Tagen am ersten Juni der neue Landtag Nordrhein-Westfalens konstituiert, werden Sie, Frau Gödecke, ihm nicht mehr angehören. Was ist das für ein Gefühl?
Carina Gödecke: Mir war schon vor der letzten Landtagswahl 2017 klar, das ich nur noch einmal kandidieren würde. Ich hätte das natürlich lieber wieder als Landtagspräsidentin erlebt, ich wollte den Landtag sehr gerne noch weiterentwickeln. Ich habe gern die sogenannten Nischenthemen besetzt, mich etwa mit dem jüdischen Leben bei uns, Erinnerungsarbeit und den Sinti und Roma intensiv befasst. Außerhalb von Bochum bin ich in bestimmten Bereichen eine echte Nummer, so war ich auch viele Jahre Vorsitzende der Parlamentariergruppe NRW-Türkei. In dieser Funktion habe ich mich auch stark für Städtepartnerschaften mit der Türkei eingesetzt.
Machen wir einen Zeitsprung zurück, ins Jahr 1995, als Sie zum ersten Mal in den Landtag gewählt worden sind. Was waren das für Zeiten?
Gödecke: Ich bin ja damals nachnominiert worden. Das hatte damit zu tun, dass Ernst-Otto Stüber erster hauptamtlicher Oberbürgermeister in Bochum wurde und sein Landtagsmandat aufgeben musste. Ich habe damals als Frau gegen eine harte Konkurrenz bestehen müssen. Da ging ein richtiges Rennen los. Die Arbeitnehmer in der SPD haben mit damals sehr unterstützt. Schließlich konnte ich mich durchsetzen – beim Parteitag und bei der Wahlkreiskonferenz.
Gerade als Frau in dieser doch damals stark von Männern dominierten Bochumer SPD...
Gödecke: Ja, man muss sich schon was trauen. Aber, wenn die AfA (Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen, Gruppierung innerhalb der SPD, d. Red.) mich damals nicht unterstützt hätte, wäre ich in Bochum geblieben.
Eine durch und durch sozialdemokratische Familie
Carina Gödecke stammt aus einer durch und durch sozialdemokratischen Familie. Schon Urgroßvater und die Eltern engagierten sich in der SPD. Ihr Vater war Meister im Rüsselsheimer Opel-Stammwerk und kam mit der Familie nach Bochum, um den Start des Bochumer Werkes mit anzuschieben.Beide Eltern saßen später im Stadtrat. Mit 16 Jahren trat Carina Gödecke in die SPD ein. Es war die Ära Willy Brandt. Sie gehörte von 1989 bis 1995, wie schon ihre Eltern, dem Bochumer Stadtrat an. Von 1995 bis heute war sich Mitglied des NRW-Landtags. Carina Gödecke ist mit Heinz-Martin Dirks, dem langjährigen Leiter der Bochumer Wirtschaftsförderung und Sozialdemokraten, verheiratet und lebt mit ihm in Laer.
Als Landtagspräsidentin zwischen 2012 bis 2017 hatten sie eine wichtige Funktion inne. Wie stellen sich diese Jahre für sie in der Erinnerung dar und was hat sich seitdem verändert?
Gödecke: Ich habe diese Zeit als große Möglichkeit auch zur politischen Gestaltung wahrgenommen. Verändert hat sich in den letzten Jahren schon der politische Umgang im Landtag und das nicht nur, seit 2017 die AfD eingezogen ist. Ich beobachte schon, dass Rednerinnen und Redner oft heute mehr auf die Quote oder die Clicks in den sozialen Medien schauen als auf die politische Aussage. Ganz viele arbeiten hauptsächlich für die Schlagzeile. Mein Eindruck ist schon, dass nicht mehr so zugehört wird wie früher. Selten genug setzen sich Abgeordnete zusammen, um einen Kompromiss auszuarbeiten.
Hand aufs Herz, haben Sie bei Ihrer politischen Laufbahn nie auf ein Ministeramt geschielt?
Gödecke (lacht): Es gab eine klare Erwartung der Sozialdemokratie, als Peer Steinbrück 2002 Ministerpräsident wurde, dass ich Ministerin für Schule, Jugend und Kinder werden könnte, doch die Frage kam nicht. Die Möglichkeit, dann als Regierungspräsidentin nach Arnsberg zu gehen, habe ich aus einem Bauchgefühl heraus nicht ergriffen, was sich im Nachhinein als richtig erwiesen hat.
Froh, mich zeitig entschieden zu haben
Was kommt jetzt?
Gödecke: Wir haben sechs Enkelkinder, für die bisher wenig Zeit war. Aber es gibt andere Arbeit. Wir werden jetzt erstmal in unserem Haus alles „ausmisten“, was da liegen geblieben ist. Außerdem habe ich eine ganze Reihe von Ehrenämtern, die ich gern weiter verfolgen möchte.
Hobbys abseits von all dem?
Gödecke (mit einem Augenzwinkern): Dafür hatte und habe ich keine Zeit. Aber im ernst. Ich bin froh, dass ich vor fünf Jahren entschieden habe, nicht mehr zu kandidieren. Wer weiß, was sonst die Leute erzählt hätten, hinter vorgehaltener Hand, versteht sich...