Bochum. Zum 30-Jährigen bietet das Prinz-Regent-Theater Bochum ein starkes Solo: Björn Geske spielt einen Kerl mit extremen politischen Ansichten.

Das Prinz-Regent-Theater feiert runden Geburtstag: Seit 30 Jahren wird in dem Medienhaus neben der Zeche innovatives Schauspiel für alle Altersklassen geboten – doch so richtig in Feierlaune ist trotz der stolzen Jahreszahl gerade niemand.

Mahnende Worte finden die Schauspieler Nele Sommer und Maximilian Strestik bei einer kleinen Ansprache vor Beginn der Premiere, bei der sie ein Grußwort der Theaterleitung verlesen. „In den letzten drei Jahrzehnten gab es neben großen Erfolgen immer wieder die Existenz bedrohende Situationen“, sagt Sommer. Doch die Folgen durch den Corona-Lockdown, der die kleine Bühne über Monate zur Schließung zwang, seien noch gar nicht abzusehen.

Zur Person: Björn Geske

Schauspieler Björn Geske (46) ist zum ersten Mal am Prinz-Regent-Theater zu sehen. Zuvor sah man ihn öfter im Theater Rottstraße 5: etwa als „Richard III.“ in der Regie von Arne Nobel. Außerdem ist er Teil des Berliner Kabaretts „Die Stachelschweine“.„Der Reichsbürger“ ist wieder am 22. und 23. September jeweils um 19.30 Uhr zu sehen. Karten: Tel. 0234 / 77 11 17.

Viele Sorgen zum 30-jährigen Bestehen im Prinz-Regent-Theater Bochum

Dabei gehe es um weit mehr als nur um finanzielle Einbußen: Die Befürchtung bei den Theatermachern ist groß, dass das Publikum nach der Wiedereröffnung nicht mehr in solch großer Zahl zurückkehren könnte wie früher. Mit dieser Sorge stehen gerade viele Kultureinrichtungen da. „Die Plätze füllen sich nur schleppend, da es auf Seite des Publikums noch reichlich Ängste und Vorbehalte zu geben scheint.“ So steuert das PRT gerade durch solch stürmische Zeiten, wie es sie womöglich nie zuvor erlebt hat.

Die gute Nachricht: Künstlerisch segelt das Theater weiterhin auf stabilem Kurs. Davon zeugt die Premiere von „Der Reichsbürger“, die vom Publikum und den vielen geladenen Gästen (darunter Mitglieder des Kulturausschusses und des Trägervereins) begeistert gefeiert wurde.

Bizarrer Redeschwall, üble Stammtischparolen

Im Stechschritt durch die eigene Bude: Reichsbürger Wilfried (Björn Geske) lebt in seinem eigenen „Freistaat“.
Im Stechschritt durch die eigene Bude: Reichsbürger Wilfried (Björn Geske) lebt in seinem eigenen „Freistaat“. © Prinz-Regent-Theater | Laura Thomas

In ihrem Stück blicken die Autoren Annalena und Konstantin Küspert tief in die Seele eines sogenannten „Reichsbürgers“, der die Existenz Deutschlands als souveränen Staat grundsätzlich bestreitet. Wilfried E. ist gelernter Elektriker, er war einmal verheiratet, hat keine Kinder, ist stolzer Hundebesitzer und lebt allein in seinem eigenen „Freistaat“, einem kleinen, fensterlosen Appartement. Er vermeidet die Begegnung mit anderen Menschen, die Lebensmittel (jede Menge Ravioli-Dosen) lässt er sich liefern. Dafür pustet er seinen ganzen Hass auf den „Fake-Staat“ und seine Bewohner in diversen Internet-Videos in die Welt hinaus.

In einem teils bizarren, teils tiefschwarz komischen Redeschwall rechnet Wilfried (gespielt von Björn Geske) mit allem ab, was ihm vor die Flinte kommt: mit der Politik, mit Behörden, vor allem mit Ausländern. Es sind übelste Stammtischparolen, die er durch den Saal bellt. Da stellen sich beim Zuhören nicht selten die Nackenhaare auf – und lange, wirklich lange lassen Regisseur Hans Dreher und der stark aufspielende Geske die hohlen Phrasen vom Feindbild Deutschland fast unkommentiert auf der Bühne stehen.

Am Ende führt die Reise in den Wahnsinn

Was für eine arme Wurst dieser Kerl in Wahrheit ist, wie einsam und verzweifelt er sein muss: Das erschließt sich erst im weiteren Verlauf des etwa 90-minütigen Solos. Zunächst sind es nur kleinere Risse, die sich in die scheinbar wohlgeordnete Reichbürger-Welt einschleichen. Später werden die Abgründe offensichtlicher: Wenn ihm der Geist seiner toten Frau (Julia-Mareen Korte) wie ein Zombie aus einem Horrorfilm erscheint und sein Leben immer enger zu werden scheint, führt die Reise geradewegs in den Wahnsinn. Solche etwas radikalen Momente, wie sie in den fulminanten letzten fünf Minuten zu sehen sind, hätte man sich häufiger gewünscht.