Recklinghausen. Lange war sie Chefin des Bochumer Prinzregent-Theaters. Jetzt gastierte Sibylle Broll-Pape bei den Ruhrfestspielen.

Damals auf dem Mond: Neugierig reckt Neil Armstrong den Fuß aus der Raumkapsel, soll er ihn wirklich wagen, den riesigen Sprung für die Menschheit? Der Astronaut zögert. Besser erst die Werbepause abwarten...

Einen rasanten, irrwitzigen Ritt durch die Weltgeschichte zelebriert der junge Dramatiker Konstantin Küspert in seiner Satire „Der Westen“. Die Uraufführung des E.T.A.-Hoffmann-Theaters Bamberg stößt bei den Ruhrfestspielen auf viel Beifall, der vermutlich noch leidenschaftlicher ausgefallen wäre, hätte Regisseurin Sibylle Broll-Pape ihrer Inszenierung nicht etwas den nötigen Biss verwehrt.

Küspert, bekannt geworden durch provokant politische Texte wie „Europa verteidigen“, hat sich diesmal nicht weniger als den Zerfall westlicher Werte vorgeknöpft. In Zeiten des neu aufkeimenden Populismus und herumschwirrender Riesen-Egos auf der politischen Weltbühne erzählt er findungsreich vom Streben nach Freiheit und Gier anhand Dutzender kleiner Szenen, die in keinem logischen Zusammenhang stehen, aber nicht schlecht staunen lassen. Von Cäsar auf dem Sterbebett bis zur Kuba-Krise, von Kolumbus über Steve Jobs bis zum Raumschiff Enterprise reicht die wilde Fahrt.

Hingebungsvolles Ensemble spielt sich durch Konstantin Küsperts „Der Westen“

Das fünfköpfige, hingebungsvolle Ensemble hüpft von einer Verkleidung in die nächste, spielt sich am Ende gegenseitig selbst und schreckt sogar vor manch wagemutigen Parodien nicht zurück. Denn beinahe tagesaktuell müssen auch Trump, Merkel und der chinesische Staatspräsident Xi Jinping kräftig mitmischen. Nur Kim Jong Un schickt seine bekannte Nachrichtensprecherin vor.

„Go West“ steht in riesigen Lettern auf der Bühne von Trixy Royeck, auf der sich auch allerlei Comic-Figuren tummeln. Lucky Luke schießt tatsächlich schneller als sein Schatten (ein sehr schöner Theatertrick) und gibt süffisante Kommentare über die amerikanische Waffen-Lobby ab. Super Mario schimpft über sein stumpfsinniges Leben als italienischer Klempner, und Onkel Dagobert verrät sein Rezept für unermesslichen Wohlstand: „Die einzige Möglichkeit, sehr sehr reich zu werden, ist vorher schon reich zu sein.“

Der Schrecken wird ertastet - in Broll-Papes Regie bei den Ruhrfestspielen dürfte es mehr Biss geben

All dies wären die Zutaten für eine derbe, bitterböse Revue gewesen, doch Sibylle Broll-Pape gibt erstaunlich wenig Gas und ertastet auch mittels gekonntem Einsatz von Video lieber den Schrecken, der hinter den oft glitzernden Fassaden ihrer Figuren steckt. Statt auf gepfefferte Comedy zu setzen, fordert sie zum Nachdenken auf, was natürlich ehrenwert ist, ihrer Aufführung aber auch den Witz nimmt. Für knapp zwei unterhaltsame Theaterstunden mit reichlich Hintersinn reicht’s aber allemal. Noch einmal am heutigen Dienstag, 20 h. Karten: 02361-92180.