Bochum. In Bochum ist die Sorge um Donezk und die Ukraine groß. Ein Laster für Hilfstransport startete noch wenige Stunden vor Kriegsausbruch in Donezk.
Es ist bitter, wie schnell die Wirklichkeit manchmal brutal einschneidet. Eine Friedenswache für die Menschen in der Ukraine sollte vor dem Rathaus am Freitag (25.) eigentlich um Fünf-Minuten-vor-12- Uhr beginnen. „Jetzt ist es aber bereits fünf nach 12 Uhr“, so der SPD-Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer, der gemeinsam mit anderen aus seiner Partei vor zwei Tagen die Idee zu dieser Friedenswache hatte.
Jugendverbände der Parteien rufen zur Solidaritätskundgebung auf
Die auf dem Platz vor dem Rathaus geplante Veranstaltung werde nun natürlich erst recht stattfinden, heißt es von der SPD. Mittlerweile laufen Gespräche, daraus eine überparteiliche Friedenswache zu machen. Für 15.30 Uhr haben zudem etliche Bochumer politische Jugendverbände, wie Jusos, Junge Union, Junge Liberale und Grüne Jugend zu einer eigenen Solidaritätskundgebung und „gegen die russische Aggression“ vor dem Rathaus aufgerufen.
Hilfstransport sollte eigentlich am Donnerstag starten
Der Krieg in der Ukraine hat begonnen und bewegt die Menschen in Bochum in einer ganz besonderen Weise. Die zuletzt eben wegen der schwierigen Situation in und um Donezk kaum noch offiziell zu gestaltende Städtepartnerschaft mit der ostukrainischen Industriemetropole ist doch jetzt Triebfeder für große Betroffenheit, Wut und Trauer aufgrund der in der Nacht zum Donnerstag begonnenen russischen Angriffe auf das Land. Ausgerechnet am Donnerstag (24.) sollte sich eigentlich ein Hilfstransport trotz der sich abzeichnenden Kriegsgefahr auf den Weg in die rund 3000 Kilometer entfernte Partnerstadt machen.
Waltraud Jachnow (80) ist Ehrenvorsitzende der Gesellschaft Bochum-Donezk. Sie war es, die noch vor Beginn der offiziellen Partnerschaft 1987 gemeinsam mit anderen eine Partnerschaft „auf Bürgerebene“ anstrebte. Eine Partnerschaft, die trotz der vielen Hemmnisse weiterlebte. Jachnow: „Ich bin fassungslos, damit habe ich nicht gerechnet. Es ist schon unglaublich, dass Putin jetzt der Ukraine das Existenzrecht abspricht.“
Monika Grawe, stellvertretende Vorsitzende der Gesellschaft Bochum-Donezk ist verzweifelt: „Seit heute Morgen kann ich nur noch weinen.“ Sie berichtet, dass der Laster aus Donezk noch kurz vor Ausbruch des Krieges losgefahren sein. „Zur Zeit haben wir aber keinen Kontakt. Ich kann noch berichten, dass wir versuchen, Kinder aus der Stadt Charkow zu evakuieren, wo im Moment Bomben fallen.“
Oberbürgermeister Eiskirch trifft sich mit ukrainischer Generalkonsulin
Oberbürgermeister Thomas Eiskirch, der für Freitag Iryna Shum, Generalkonsulin der Ukraine in Düsseldorf, zu einem Gespräch eingeladen hatte, äußerte sich am Rande einer IG-Metall-Veranstaltung zu den jüngsten Entwicklungen in Osteuropa und zeigte sich sehr betroffen: „Für mich ist es erschreckend und zugleich unbegreiflich, dass wir jetzt in Europa einen Krieg haben und dass die Menschen in unserer ukrainischen Partnerstadt Donezk unmittelbar durch den russischen Angriff betroffen sind. Alle Bochumerinnen und Bochumer sind heute in Gedanken bei den Menschen im Kriegsgebiet.“
Eiskirch wird sich am Freitag mit Iryna Shum, Generalkonsulin der Ukraine in Düsseldorf treffen, um die aktuelle Situation und Möglichkeiten der Unterstützung zu besprechen. Der Oberbürgermeister kündigte auch an, am Freitag an der Friedenswache vor dem Rathaus teilnehmen zu wollen.
Axel Schäfer wollte eigentlich im März nach Russland reisen
Wie hilflos und überrumpelt auch die Politik in dieser Situation ist, musste auch Axel Schäfer erfahren. „Eigentlich wollte ich im März mit einer Gruppe von Abgeordneten als Vertreter des Europarats nach Russland reisen. Das geht natürlich jetzt nicht mehr.“ Es habe sich um ein Team gehandelt, das in einem sogenannten Monitoring-Prozess sich ein Bild machen wollte über die Lage der Menschenrechte und der Meinungsfreiheit dort.
In einer ganz besonderen Weise betroffen ist auch die Jüdische Gemeinde in Bochum mit ihren rund 1000 Mitgliedern von der aktuellen Entwicklung. Anfang der 90er Jahre reisten viele jüdische Menschen aus Russland, aber auch der Ukraine nach Bochum. Diese Zuwanderung erst ermöglichte das Wachsen und die positive Entwicklung der Gemeinde, nicht zuletzt auch den Bau der neuen Synagoge an der Castroper Straße.
Riss geht mitten durch Familien der jüdischen Gemeinde
Der Geschäftsführer der Gemeinde ist Alexander Chraga; der selbst aus der Westukraine stammt und dorthin noch viele Verbindungen unterhält. Er erfuhr am Donnerstagmorgen um 6 Uhr aus den Nachrichten vom Beginn des Krieges in seiner alten Heimat. „Ich fühle mich sehr schlecht heute. Ich kann nur sagen, dass dieser Krieg auch als tiefer Riss durch viele Familien unserer Gemeinde geht.“
Parteien verurteilen Bruch des Völkerrechtes
„Die Nachrichten, die uns aus der Ukraine erreichen, sind erschreckend. Wir verurteilen den völkerrechtswidrigen, russischen Angriff auf das Nachbarland aufs Schärfste“, betont Bochums SPD-Vorsitzender Serdar Yüksel.„Die russische Aggression ist ein Angriff auf den Frieden in ganz Europa. Unsere volle Solidarität gilt den Menschen in der Ukraine“, erklärt Serdar Yüksel weiter. „In Bochum stehen wir noch einmal in ganz besonderen Beziehungen zur Ukraine durch die städtepartnerschaftlichen Verbindungen nach Donezk.“
Auch die Bochumer Grünen verurteilen den russischen Angriff scharf. Dazu erklärte der Bundestagsabgeordnete Max Lucks: „Putin bricht mit aller Aggression das Völkerrecht. Die letzten Tage und den heutigen Angriff auf die Ukraine wird die Weltgemeinschaft nicht vergessen. Die Ukraine ist nach 2014 den Weg der Demokratie gegangen. Putins kriegerische Invasion soll alle abschrecken, die diesen Weg gehen wollen – in Russland, in Osteuropa und auf der Welt.“
Auch das Friedensplenum, das seit vielen Jahren in Bochum den Ostermarsch organisiert, verurteilt das Handeln Russlands betont aber: „Die russische Aggression geschieht in wechselseitig waffenstarrender Konfrontation mit der höchstgerüsteten NATO. Die Vernichtungskraft der Waffen dieser Welt reicht aus, die Erde mehrfach zu zerstören.“