Bochum-Hiltrop/Gerthe. Bewohner des Wichern-Hauses schreiben ihre Wunsch-Augenblicke auf. Menschen aus dem Bochumer Norden lassen die Wünsche für sie steigen.
Hannah Simon steht mit einem Strauß voller roter Luftballons vor dem Wichern-Haus am Kolpingplatz. In den Händen der Sozialarbeiterin: Eine Traube voller Wünsche, aufgeschrieben von den Seniorenheimbewohnern. „Ich wünsche mir einen Augenblick, in dem mir jemand vorliest“, steht da zum Beispiel geschrieben. „Ich wünsche mir ein Gespräch über Ostfriesland“, schreibt jemand anderes.
Viele Aktivitätent werden vermisst
Viele Augenblicke sind auch dabei, die aktuell so nicht einfach stattfinden können: Ein Eis in großer Runder auf der Terrasse essen, ein spontaner Gruppenausflug in den Zoo oder Blumenpflanzen in Gemeinschaft. „Wir schicken sie alle auf die Reise“, sagt Simon. Weil das nicht gleichzeitig mit allen Bewohnern geht, stehen die Luftballons am Gartenzaun zur Abholung bereit - für Menschen aus dem Viertel.
Einrichtungsübergreifende Aktion
Stellvertretend für die Senioren können dann Hiltroper und Gerther die Wunsch-Augenblicke zeitgleich in ihrem eigenen Garten steigen lassen. „Man hat auch selbst etwas davon, ich finde das nämlich einen sehr schönen Gedanken, der Hoffnung gibt“, sagt Monika Matscholl, die aus der Nachbarschaft vorbeigekommen ist, um sich einen Ballon abzuholen. Auch Thomas Phlippen zieht einen Luftballon. „Hier wünscht sich jemand, gemeinsam Eis zu essen“, liest Phlippen vor. Er werde den Himmelbeobachten, ob er weitere Wunsch-Ballons fliegen sehe.
Stellvertretend für Einrichtungen
Die roten Luftballons gehen rund ums Wichern-Haus am Kolpingplatz stellvertretend für alle Bochumer Einrichtungen des evangelischen Johanneswerkes in die Höhe. Zu den Einrichtungen gehören zum Beispiel auch der Goerdthof und die Ambulanten Dienste. Wer als „Luftballon-Pate“ einen Wunsch auf die Reise schickt, bekommt als Dankeschön nicht nur eine kleine Süßigkeit, sondern auch eine Antwortkarte.
Ehrenamt aktivieren
„Wir wollen mit unserer Aktion auch das Ehrenamt aktivieren“, erklärt Simon. Bei wem sich also ein Luftballon im Garten verfange, oder ihn selbst steigen lasse und den Wunsch erfülle, könne sich direkt an das Wichernhaus wenden.
„Viele unserer Bewohner fühlen sich durch die Pandemie isoliert. Die Beschäftigung mit den Wunsch-Augenblicken hat sie gerührt“, berichtet Simon. Kein Wunder also, dass einige von ihnen am Fenster genauestens beobachten, was mit den Luftballons am Zaun geschieht. „Im Vormittagsbereich haben die Schülerinnen und Schüler der Werner-von-Siemens-Schule die Luftballons vorbereitet und uns unterstützt“, sagt Simon.
Die Kooperation mit den Hauptschülern besteht schon seit längerem: Gemeinsames Gärtnern gehörte ebenso schon dazu wie Keksebacken für die Senioren. „Zuletzt haben wir Osterkörbchen mit gefärbten Eiern, Schokolade und Narzissen vorbereitet“, so Lehrerin Kathrin Torka. Auch in der Adventszeit hatten die Achtklässler eine Überraschung gebracht.
Gewachsene Kooperation
Beide Seiten profitierten von der Kooperation – die Senioren durch Sozialkontakte und kleine Aufmerksamkeiten, die Schüler zusätzlich durch mögliche Praktika und ein Übungsfeld für Umgangsformen. „Helfen sollten diesmal eigentlich nur vier bis fünf Schüler und Schülerinnen, aber ich hatte zehn Anfragen“, berichtet Lehrerin Torka. Chancen wird es wiedergeben – zum Beispiel bei der Arbeit an einer Kräuterspirale im Garten des Wichernhauses, die schon in Planung ist.
Wünsche aufgeschrieben
Auch die Bewohnerin Erika Steinbach (81) hat einen Wunsch-Augenblick aufgeschrieben. „Ich wünsche mir einen bunten Blumenstrauß, das macht mir so gute Laune", sagt sie. „Ich habe als Kind auch mit Luftballons gespielt, aber damals hatten wir noch kein Gas, um sie steigen zu lassen“, erinnert sie sich.
Nun hoffen die Bewohner, dass ihre Wünsche gefunden werden - und in Erfüllung gehen. Etwa 50 rote Ballons sind zusammengekommen. „Damit wir nicht vergessen werden“, sagt Steinbach. Wer weiß, vielleicht findet jemand ihren Luftballon. Wer einem Bewohner einen Wunsch erfüllen möchte, kann sich melden unter: hannah.simon@johanneswerk.de