Eine Gruppe Jugendlicher des DRK hat die Behindertenfreundlichkeit in der Innenstadt getestet. Die 17- bis 22-Jährigen nahmen dazu im Rollstuhl Platz oder liefen mit Augenbinde durch die City. Das Ergebnis ist ernüchternd.
Einen seltsamen Anblick bot die Gruppe junger Menschen am Donnerstagvormittag in der Bochumer Innenstadt. Ein junger Mann mit Augenbinde wurde von einem anderen vor sich hergeschoben, zwei weitere Jugendliche tippten eifrig in ihre Handys und zeigten einander immer wieder ihre Displays. Allen voraus ein junges Pärchen, die Frau im Rollstuhl, der Mann schiebend.
Die Auflösung des Rätsels: Eine Gruppe Jugendlicher testet die Behindertenfreundlichkeit der Innenstadt.
Experiment „behindertengerechte Innenstadt“
Die jungen Erwachsenen im Alter von 17 bis 22 absolvieren gerade ein Freiwilliges Soziales Jahr und haben sich für ihre andauernde Projektwoche mehrere Aktionen ausgedacht. Am Donnerstag stand die praktische Umsetzung des Experiments „behindertengerechte Innenstadt“ auf der Tagesordnung.
Hierzu wappneten sich die Probanden mit einem Rollstuhl sowie einer Augenbinde, um sich wenigstens ansatzweise in die Rolle des körperbehinderten Bochumers hineinzuversetzen. David Ahlmeyer (22) zog sich die Augenbinde über und wandelte als Blinder durch Bochum. Ohne Blindenstock und Begleithund, dafür geführt von einem Kollegen.
Anna Surkamp (17) nahm Platz im Rollstuhl und ließ sich von Tobias Hufnagel (21) durch die City schieben. Philipp Brinkmann (19) und Sarah Koszinowski (18) versuchten sich als Taubstumme. Ohrstöpsel gaben ihnen dabei zumindest die Illusion des Nicht-Hörens, die Kommunikation erfolgte per Handy.
Ohne Hilfe von Sprache und Gehör Briefmarken am Schalter kaufen
Den Anfang machte der Taubstumme alias Philipp Brinkmann in der Post-Filiale am Rathaus. Ohne Hilfe von Sprache und Gehör galt es, Briefmarken am Schalter zu kaufen. Mit Hilfe von improvisierter Zeichensprache gelang dies problemlos. Die Post-Mitarbeiterin zeigte sich freundlich-hilfsbereit, zufrieden zog die Gruppe weiter in Richtung City Point.
In der ersten Boutique scheiterte die Rollstuhlfahrerin an der durch drei Stufen abgeteilten zweiten Verkaufsebene, die für sie unzugänglich blieb. Das Anprobieren eines Oberteils in der Umkleidekabine klappte einigermaßen, auch wenn der Rollstuhl einige Zentimeter aus der Kabine herausragte.
Unterdessen ließ sich David Ahlmeyer von seinem Blindenführer einige Pullis „zeigen“, sprich: erklären. Im nächsten Geschäft passte dann auch der Rollstuhl samt Begleitperson hinein, es blieb genug Rangierfreiheit, um bequem verschiedene Kleidungsstücke anzuprobieren.
Barrierefreiheit von öffentlichen Gebäuden
Abschließend zog die Truppe dann noch zum Landgericht, um die Barrierefreiheit von öffentlichen Gebäuden zu testen. Ganz hinten die beiden Taubstummen, die durch die etwas umständliche Form der Kommunikation Schwierigkeiten hatten, den Anschluss nicht zu verlieren.
Ergebnis: Eine Rollstuhlrampe ist vorhanden, leider in gehöriger Entfernung vom Haupteingang.
Fazit der Gruppe nach diesem kurzen Test: Ohne Hilfe wird es schwierig als Mensch mit Behinderung. Nicht immer, aber immer noch viel zu oft.