Bochum-Stiepel. Der Bochumer Rassegeflügelzuchtverein Phönix Stiepel verzeichnet infolge von Corona gestiegenes Interesse. Auch Familie Meyer folgt dem Trend.
Ein paar Mal muss er sie beruhigen, dann bleibt Miss Sophie endlich auf Luitpolds Arm sitzen. Berta und Gisela picken und scharren derweil fröhlich um den Achtjährigen herum. Anfang des Jahres sind die Sussex- und Amrock-Hühnerdamen bei den Meyers eingezogen. Die Überlegung dazu gab es schon länger: „Als wir zu Weihnachten einen mobilen Hühnerstall geschenkt bekamen, stand es dann aber endgültig fest“, sagt Vater Tobias Meyer.
Auch die Corona-Krise tat ihr Übriges: „Wir können in den Osterferien ohnehin nicht wegfahren und haben nun eine tolle Beschäftigung“, ergänzt Meyer. Sohn Luitpold ist von den neuen Mitbewohnern, deren mobiler Hühnerstall im Stiepeler Garten steht, hellauf begeistert. „Ihr Lieblingsessen sind gekochte Nudeln“, sagt Luitpold und füttert eine Henne aus der Hand. „Das sind mal ausgefallene Haustiere. Ab und zu essen wir auch ein Frühstücksei“, sagt er.
In Bochum-Stiepel die Brutstation im Haus
Reine Haustiere sind die Zwerghühner aber für die Meyers nicht – sie wollen sie züchten, die ersten Eier sind schon in der Brutstation im Haus. Für Thorsten Buderus vom Rassegeflügelzuchtverein Phönix Stiepel ist die Geschichte der Meyers eine typische: „Viele schaffen sich erst einmal ein paar Hühner an und sind dann so begeistert, dass sie züchten wollen“, sagt der Experte für Zwerghühner. Von mehr als 100 Hühnerrassen kennt sich Buderus mit etwa 20 besonders gut aus.
„In den letzten Monaten hat sich der Trend zur Rassegeflügelzucht verstärkt“, ist er sich sicher. Der Verein mit rund 80 Mitgliedern hätte bereits zu Beginn des ersten Lockdown in März 2020 eine steigende Nachfrage nach Rassegeflügel verzeichnet. Buderus, der seit Kindesbeinen an mit Hühnern aufgewachsen ist, erklärt sich den Trend so: „Aktuell beschäftigen sich viele Leute mit anderen Dingen und besinnen sich darauf, was wichtig ist. Die Natur und damit auch Tiere spielen eine große Rolle.“
Seltene Hühnerrassen gefragt
Mit der Corona-Krise sei auch die Nachfrage nach Hähnen gestiegen. „Ich sage den Leuten: Ihr beschwert euch über das Kükenschreddern, dann müsst ihr auch selbst Hähne aufnehmen“, berichtet Buderus, der Hühner in bunten Farben hat und sie für ihren zahmen Charakter schätzt. Bei den an ihn gerichteten Anfragen ging es vor allem um Haltungsanforderungen, den Stallbau, die Aufzucht und die speziellen Charaktereigenschaften unterschiedlicher Rassen. Meyer hatte beispielsweise Fragen zur Impfung der Tiere gegen Geflügelpest.
Ausreichend Platz
Je nach Rasse kostet eine legefertige Henne ungefähr 20 Euro, ein Ei zum Ausbrüten 2 Euro. Ein Huhn braucht ungefähr 10 bis 15 Quadratmeter Platz, besser mehr.Einen ersten Überblick über die Rassegeflügelzucht können sich Interessierte unter www.phoenix-stiepel.de verschaffen, dort finden sich auch Ansprechpartner. Der Verein existiert seit 1952 und hat auch Mitglieder über Bochum hinaus.
Denn noch bevor seine nächsten Hühner auf der Welt sind, musste er schon einen Impftermin vereinbaren. „Nicht jeder Tierarzt impft nämlich Hühner, da brauchte ich Rat“, erklärt Meyer. Er ist für Eier der Rasse „Bielefelder“ 180 Kilometer weit nach Bückeburg gefahren. „Es ist mir wichtig, vor allem seltene und vom Aussterben bedrohte Rassen zu züchten und nicht die typischen braunen Legehennen. Heute kommen die Eier in den Brutautomaten“, sagt der 47-Jährige. 21 Tage müssen sie dann darin bleiben. „Vielleicht behalten wir zwei Hennen, aber den Rest verkaufen wir“, sagt der Stiepeler.
Automatisierte Abläufe
Wenn er erzählt, dass er unter die Hühnerzüchter gegangen ist, dann wird er oft gefragt: „Wie viele Eier legen die?“. Meyer findet das schade. Denn für die Meyers sind die Hühner nicht nur Nutztiere. „Ich würde mich lieber darüber unterhalten, welche Rassen ich züchte, welche Charaktereigenschaften sie haben oder woher sie kommen“, sagt der Hühnerliebhaber. „Unsere Hühner sind sogenannte Zwiehühner, also keine reinen Masthühner oder Legehennen“, erklärt er. Sie würden Eier legen und Fleisch ansetzen. Bis zu minus 20 Grad würden die Tiere ohne Probleme aushalten.
Und wenn die Corona-Krise vorbei, und Urlaub wieder möglich ist? „Wir haben eine automatisierte Tränke und einen Futterautomaten. Ein Wochenende kann man da schon mal wegfahren“, sagt Meyer. Und wenn’s länger sein soll, dann ist bei Familie und Bekannten auch für Betreuung gesorgt: „Es macht einfach Spaß sie zu beobachten. Wir sind total infiziert“, sagt Meyer. Das geht nämlich auch noch mit anderen Dingen – nicht nur mit dem Coronavirus.
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