Bochum. Bei der Privatbrauerei Fiege in Bochum brodelt es. Das Unternehmen zahlt nicht mehr nach Tarif. Belegschaft und Betriebsrat sind sauer.
Bei der Privatbraurerei Moritz Fiege in Bochum brodelt es. Das Familienunternehmen ist Ende 2020 aus der Tarifbindung ausgestiegen, zahlt nicht mehr nach Tarif. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststatten (NGG) spricht von Tarifflucht, die Belegschaft ist bitter enttäuscht.
Fiege-Belegschaft ist enttäuscht
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„Ich bin jetzt 42 Jahre im Unternehmen. Aber so etwas hat es noch nicht gegeben“, sagt Betriebsratsmitglied Martin Schoenfeld. Gemeinsam mit einigen Kollegen der insgesamt 56-köpfigen Belegschaft und mit NGG-Gewerkschaftssekretär Adnan Kandemir steht er an diesem Freitag vor dem Tor der Brauerei an der Moritz-Fiege-Straße 1. Am Info-Stand machen sie auf die Lage im Unternehmen aufmerksam.
Von Enttäuschung, Betroffenheit und Unmut ist die Rede. Nicht nur weil der Arbeitgeber Anfang 2021 in die Verbandsmitgliedschaft „ohne Tarifbindung“ gewechselt ist und damit der Entgelttarifvertrag bei Fiege nicht mehr gilt. „Dass das still und heimlich passiert ist, ohne vorher den Betriebsrat in Kenntnis zu setzen oder mit ihm darüber zu sprechen, ist ein Unding“, so Gewerkschaftssekretär Kandemir.
Neue Mitarbeiter erhalten geringeren Lohn
Er spricht von Lohndumping und befürchtet über kurz oder lang soziale Spannungen. Denn: Neue Mitarbeiter werden seit Jahresbeginn nicht mehr zu Tarifbedingungen angestellt. Zehn bis 15 Prozent weniger erhalten die Neuen. Wer in Lohngruppe IV eingestuft ist, und das sind bei Fiege viele der Fachkräfte, erhält etwa 3700 Euro brutto. Wer die gleiche Arbeit erledigt, aber neu eingestellt wird, bekommt zwischen 370 und 500 Euro brutto weniger. „So einen Fall gibt es schon“, sagt Martin Schoenfeld. Und das könne nicht sein. „Wir wollen keine Zwei-Klassen-Gesellschaft im Betrieb“, so der Tenor am Info-Stand.
Zumal weitere Einbußen möglich sind. „Fiege könnte auch den Manteltarifvertrag nicht mehr anwenden, in dem sind Urlaubstage, Arbeitszeit, Urlaubs-und Weihnachtsgeld geregelt“, so NGG-Gewerkschaftssekretär Kandemir. Er verweist auf die zweite Brauerei in seinem Zuständigkeitsbereich: Stauder in Essen. „Dort wird weiter nach Tarif bezahlt.“
Betriebsrat sucht vergeblich das Gespräch
Seit Monaten versuche der Fiege-Betriebsrat mit der Geschäftsführung über das Thema zu sprechen. „Aber wir werden immer nur vertröstet“, so Betriebsratsmitglied Schoenfeld. Deshalb der Weg an die Öffentlichkeit. „Hier bei Fiege ist nicht alles schlecht, bei weitem nicht“, sagt Betriebsratsvorsitzender Christian Lippke. „Aber wenn es Meinungsunterschiede gibt, dann muss man doch darüber sprechen.“ Genau das verweigert die Geschäftsführung aber offenbar.
Auch die WAZ hat am Freitag eine ausweichende Antwort bekommen. „Ich kann dazu keine Stellung nehmen“, sagt Mitinhaber Hugo Fiege kurz und knapp auf die Frage nach dem Ausstieg aus der Tarifbindung und der Aktion des Betriebsrats. Von der Geschäftsführung sei an diesem Freitag niemand im Haus.
Viele Mitarbeiter identifizieren sich mit Fiege
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Für die Belegschaft unverständlich, zumal das Unternehmen gerne die Botschaft nach draußen sendet, eine große Familie zu sein. Auf der Internetseite werden Jürgen und Hugo Fiege mit dem Satz zitiert: „Wir übernehmen Verantwortung für die Besonderheiten unserer Heimatregion.“
Dass Corona auch die Brauereibranche getroffen hat, ist auch der Belegschaft klar. „Aber dann muss man doch gemeinsam nach Lösungen suchen“, so Betriebsratsvorsitzender Lippke. Er ist seit 19 Jahren im Unternehmen, viele Beschäftigte kommen auf 20 oder 30 Jahre Betriebszugehörigkeit. Die Verbindung mit dem Arbeitgeber ist überdurchschnittlich groß. „Viele hier identifizieren sich mit Fiege“, so Lippke. Umso größer sei die Enttäuschung über das Verhalten der Eigentümer.