Bochum. „Ich bin traurig“, schreibt eine Bochumer Seniorin. Corona belastet ältere Menschen in Heimen. Das zeigt ein Projekt – mit wichtiger Message.

Den Senioren in Bochum fehlen die soziale Kontakte – vor allem die zu ihrer Familie. Das zeigt das Projekt „Eine Stimme aus dem Altenheim“.
Den Senioren in Bochum fehlen die soziale Kontakte – vor allem die zu ihrer Familie. Das zeigt das Projekt „Eine Stimme aus dem Altenheim“. © Ruhr-Universität | ESADA

„Corona ist nichts dagegen, wenn Sie einen Krieg miterlebt haben“, schreibt Wolfgang (97). Er lebt in einem Altenheim in Bochum. Hildegard (96) schildert: „Ich hatte mehr Angst vor den Russen als vor Corona. Ich habe als Kind genug Leid gesehen.“ Trotzdem: „Die Maßnahmen, die auch hier im Heim getroffen werden, um uns zu schützen, finde ich angemessen“, so Bernhard (83). Die Senioren sind drei von rund 50 Teilnehmern des Projekts „Eine Stimme aus dem Altenheim“.Fünf Studierende der Ruhr-Universität haben Bewohner aus Bochum und Umgebung gebeten, aufzuschreiben, wie es ihnen geht.

Es sind denkwürdige, emotionale und sehr persönliche Antworten, die die alten Menschen in ihren Briefen geben. Vielen fehlt der Kontakt zu den Kindern und Enkelkindern, das Kaffeetrinken oder Singen im Chor. „Die Hoffnung auf eine Besserung der Situation war bei allen zu finden“, berichtet Daniel Ruhmöller, einer der Projekt-Initiatoren. Doch die Senioren wissen auch: Sie haben noch Schlimmeres erlebt. „Corona ist schlimm, jedoch nicht mit dem Krieg vergleichbar“, schreibt Marlene (91).

Bochumer Studierende lernen von der älteren Generation

„Eine Aussage, die wir uns als jüngere Generation zu Herzen nehmen sollten. Da können wir von der älteren Generation auch etwas lernen“, sagt Ruhmöller, der das Projekt gemeinsam mit Elena Schneider, Sophie Lohkamp, Angin Kuriewicz und Anna Petcheeva gemacht hat. Das Studierendenteam hat Bögen mit offenen Fragen an Bewohner von Altenheimen in Bochum und Umgebung verteilt. „Gerade die besonders persönlichen Geschichten haben uns beim Auswerten gerührt“, sagen sie. Die Umfrage bezog sich vor allem auf die Erlebnisse und Erfahrungen im vergangenen Jahr während der Corona-Pandemie. „Die Resonanz war gut, knapp 50 der ursprünglich 60 Fragebögen kamen zurück“, so Ruhmöller.

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Viele der Senioren haben eine klare Meinung, stehen gleichzeitig oft hinter den Corona-Maßnahmen – obgleich diese dafür verantwortlich waren, dass sie lange Zeit sehr abgeschottet leben mussten. „Ich bin mit den Maßnahmen einverstanden. Die Politiker geben ihr Bestes“, schreibt Holger (72). Der 83-jährige Bernhard meint aber auch: „Manche Anordnungen der Politiker fand ich zu streng.“ Angst machen ihm die Demonstrationen der Corona-Leugner.

Corona belastet Senioren in den Heimen: „Ich bin traurig“

Trotz Akzeptanz – die Situation belastet die Senioren. „Mir geht es schlecht, da ich wenig Besuch empfangen darf“, schreibt die 89-jährige Marianna. Eckhard (65) sagt: „Ich bin traurig, dass ich nicht jederzeit draußen spazieren gefahren werden kann. Dadurch komme ich mir ein wenig ungesund vor.“ Früher, vor Corona habe es dabei gerne viele Eindrücke gesammelt. „Die Geselligkeit fehlt“, sagt Sigrid (79).

Das Projekt „Stimmen aus dem Altenheim“

„Stimmen aus dem Altenheim“ wurde in Kooperation mit dem Projekt „UnVergessen“ an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) durchgeführt. Es mündet in eine Ausstellung, die in 30 Kirchen gezeigt wird und online zugänglich ist. Mehr Zitate der Senioren gibt es hier. (Externer Link)

Das Projekt hat den fünf Studierenden gezeigt, wie wichtig es ist, auf die oft ungehörten Erfahrungen der älteren Generation zu hören. Das habe auch der Vergleich einer Seniorin mit anderen Krankheiten deutlich gemacht. Elisabeth (92) schreibt: „Man muss sehr aufpassen, dass man sich nicht ansteckt. Die ansteckenden Krankheiten (Scharlach, Masern, usw.) kenne ich aus der Vergangenheit.“

So denken Senioren in Bochums Altenheimen über Corona.
So denken Senioren in Bochums Altenheimen über Corona. © Ruhr-Universität | ESADA

Appell: „Die Menschen sollten sich wieder auf die kleinen Werte besinnen“

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Die Studierenden nehmen viel aus ihrem Projekt mit, auch weil die alten Menschen ihnen lehrreiche Botschaften mitgegeben haben. „Die Menschen sollten sich wieder auf die kleinen Werte besinnen. Ich bin so erzogen worden, mich mit den kleinen Dingen zu beschäftigen. Wir hatten früher wenig Geld, trotzdem hatten wir keine Langeweile.