Bochum. Die Konzertmuschel an der leerstehenden Stadtparkgastronomie in Bochum wird zum Schauplatz für bunte Abende: Neustart aus der Pandemie-Starre.
Sie konnte es anscheinend selbst gar nicht mehr aushalten und begann eine gute Stunde früher als angekündigt: Esther Münch ließ es sich nicht nehmen, den ersten Abend im neuen Kultur-Biergarten in ihrer Paraderolle als Putzfrau Walli selbst zu übernehmen. Das war dann gleichzeitig ein Neustart für die Kulturszene wie für den Schauplatz zwischen der ewig lange leerstehenden Stadtpark-Gastronomie und der Konzertmuschel.
In gewohntem Tempo schnäbbelte sie auf der Bühne, wie es dazu kommen konnte. Dass sie nach einem Spaziergang einen „Aufreger der Woche“ bei Radio 98.5 losgelassen hatte: „Wat ist eigentlich mitti Konzertmuschel? Gar nix mehr?“. Einer ihrer Hörer war prompt Marcus Gloria, der Macher unter anderem von Bochum total und dem Fiege Kino-open-air. Der sich wie Walli an große Empfänge „der IHK“ oder an Abschlussbälle der Tanzschule Bobby Linden an dieser einmaligen Stelle erinnerte. Was die beiden noch im Sommer vergangenen Jahres ans Austüfteln eines Konzepts gehen ließ, denn irgendwann müsste die Corona-Umklammerung ja wohl nachlassen.
Bochumer Kulturszene erfolgreich bei der Bewerbung
„Aus Wallis Wut ließ sich richtig Kraft schöpfen“, meint Gloria versonnen lächelnd, „und dieser regelrecht verzauberte Ort hatte es verdient, wieder bespielt zu werden und neu in den Blickpunkt zu kommen.“ Dann wurde das Förderprogramm „Kultursommer 2021“ aufgelegt und gemeinsam mit Größen der Bochumer Kreativszene eine Bewerbung mit der Kulturverwaltung eingereicht. Gloria zählt auf: „Prinz Regent-Theater, Thealozzi, Urbanatix, Planetarium“, und natürlich Cooltours.
Der Erfolg gibt Mut, deshalb ist Gloria mit der jetzt schon aufgestellten Liste von gut 60 Kleinkünstlern und Musikern noch nicht fertig. „Wir wollen hier noch richtig Gas geben, das könnte auf der Achse vom Tierpark hierher ein Kinderprogramm am Nachmittag sein, und das bis zum September“, kann er sich vorstellen.
Da geht noch was bei dem Platz
Dabei soll der Charakter, den das Ambiente am und im Stadtpark bietet, aber nicht verloren gehen, auch wenn etwa 160 Plätze vor der Konzertmuschel, bis zu 400 auf der Terrasse, einer Lesebühne auf der großen Treppe und locker 900 auf dem Parkplatz für Besucher eingerichtet werden können. „Im Moment insgesamt bis 1000 sowieso“, meint er ganz entspannt.
Flexibler Spielplan
Geplant sind Auftritte von fast 60 Künstlern aus allen Bereichen, darunter Jeff Cascaro, Mambo Kurt, Helmut Sanftenschneider, Die Feuersteins, Toeppel Butera, Comedy und Currywurst, Christian Hirdes, Matthias Rauch, Tommy Finke, Los Regaloz, Sabine Domogala, Christian Hirdes, Patrick Salmen oder Nikita Miller.Tickets: Der aktuelle Spielplan findet sich im Internet unter https://kulturbiergarten-bochum.de. Dort besteht die Möglichkeit Karten direkt online zu erwerben. Die Preise richten sich nach den Vorstellungen der Künstler und sollen vor allem dabei helfen, wieder ein bisschen Gage für die Kulturszene zu realisieren. Die Kulturszene hat es in den letzten 18 Monaten schwer getroffen.Bestuhlt werden Terrasse, Muschelbühnenbereich, Lesebühne und Parkplatz (nur bei großen Konzerten) mit einem angemessenen Sicherheitsabstand, mal mit Bierzeltgarnituren oder reihenweise bestuhlt und aktuell an die dann gültigen Coronaschutzbedingungen angepasst. An weniger heißen Tagen wird geraten, warme Kleidung mitzubringen, und manchmal ist auch wetterfeste Kleidung kein Fehler.
Am ersten Abend beginnt alles etwas verhalten, schließlich tröpfelt es prompt ein bisschen pünktlich zu Start, was die gut 50 Premierengäste kaum stört. Dean Newmann kommentiert grinsend von der Konzertmuschel aus: „Ich sitze trocken“, und greift virtuos in die Saiten. Man kennt ihn vom Open-Air-Kino auf dem Bochumer Brauhof und er will auch noch einmal wiederkommen, dann etwas bunter, schriller mit seiner Combo „Los Regaloz“.
Fan-Club macht Walli zur Chefin
Blues und Folk hat er dabei, R’n’B und zwischendrin ein bisschen Experimentelles oder ganz tief aus dem Koffer wie „Sweet home Chicago“. Dann muss der Waliser auch schon Gas geben, „Walli kratzt mit den Hufen“, und er muss die Ansage auf der anderen Bühne machen. Vor der sich inzwischen eine weiter wachsende Anhängerzahl versammelt hat, darunter der Fan-Club „Walli-Ultras“ mit Shirts und Wimpel.
Der Stargast des ersten Abends hat gerade noch erklärt, dass er eigentlich noch kurz durchwischen wollte vor der Bühne, damit hier „keiner ‘n Spagaat“ macht. Aber Bochums bekannteste Reinigungskraft muss natürlich „ers maa“ das Shirt der „Ultras“ stolz allen zeigen, das mit dem Aufdruck „Chefin“.
„Am besten Walli“ ist ihr neues Programm nach inzwischen unfassbaren 26 Jahren in Kittelschürze und mit Kopftuch, 16 Soloprogrammen und neun Variete-Shows. „Un getz noch 300 Folgen allein bei Corona, im Frust beim Lockdown“, zählt sie auf.
Weil sie hier um 22 Uhr fertig sein müssen, „wegen de Nachbaan“, hilft bei Walli: „Muss ich wohl bisken schneller quatschen.“ Und das kann sie.