Bochum..

Ein Nachbarschaftsstreit in einem Haus von Wohnungseigentümern ist derart eskaliert, dass einer Nachbarin jetzt sogar der Verlust des Wohneigentums droht. Es geht um Beleidigungen und verächtliche Gesten wie das Nachmachen des Grunzens eines Schweines.

In einem Mehrfamilienhaus in Weitmar ist der Hausfrieden völlig zerstört. Eine Frau mittleren Alters, die dort seit wenigen Jahren mit ihrer jugendlichen Tochter und zwei kleinen Hunden als Wohnungseigentümerin lebt, hat es sich mit fast allen anderen fünf Parteien total verscherzt. „Ohne Übertreibung lässt sich sagen, dass sie mit ihrer Tochter eine Art ,Terrorregime’ im Hause errichtet hat“, heißt es in einer Unterlassungsklage, die eine Nachbarpartei am Amtsgericht eingereicht hat. Wie Kläger-Rechtsanwalt Tim Illner sagt, hätten die Nachbarn in einer Versammlung in dieser Woche mehrheitlich beschlossen, jene Nachbarin abzumahnen. Sie warnten sie, dass sie ihre Wohnung eventuell zwangsweise verkaufen muss.

„Es handelt sich um Beleidigungen der übelsten Art“

Mittlerweile haben die Nachbarn bei Gericht vier Klagen gegen die Frau eingereicht. „Es handelt sich um Beleidigungen der übelsten Art“, steht dort (nicht alle sind druckwürdig). „Diese spricht sie gegenüber jedermann im Hause aus.“ Außerdem wird sie unter Androhung von Ordnungsgeldern aufgefordert, ganz konkrete Dinge zu unterlassen - zum Beispiel:

- „die Kläger in irgendeiner Form zu beleidigen, zu bedrohen oder in sonstiger Form zu belästigen, insbesondere sie anzuschreien, ihnen den ausgestreckten Mittelfinger zu zeigen und dem Kläger Wasser auf den Kopf zu schütten“

- „den Kläger als ,Pantoffelheld’ zu bezeichnen“

- das Lied „Dicke“ des Sängers Marius-Müller Westernhagen in ihrer Wohnung zu spielen, wenn die Klägerin an ihrer Wohnungstür vorbeigeht, und dabei den Text laut hörbar mitzusingen“

- „die Klägerin als ,fettes Vieh’ zu betiteln“.

Diesen letzten Punkt erläutert Rechtsanwalt Illner, der alle Kläger vertritt, noch näher: Die Beklagte mache „die Klägerin lächerlich und verächtlich, indem sie - wenn sie sie trifft - Grunzgeräusche erzeugt und ein Schwein nachmacht“. Als seine Mandantin einmal nach der Arbeit nach Hause gekommen sei, soll die Beklagte durch die Tür gesagt haben: „Boh, Miss Piggy kommt nach Hause, die Erde bebt.“ Weiter beklagen die Nachbarn ungeheuren Lärm etwa durch Möbelrücken und Staubsaugen „zu Unzeiten“. Es wurde extra ein „Lärmprotokoll“ angefertigt. Außerdem: „Ihre Hunde bellen laut und gellend zu jeder Tages- und Nachtzeit.“ Auch die Musik aus der Wohnung habe „ein untragbares Maß angenommen“.

„Die meisten der Bewohner leben in permanenter Angst“

Illner: „Die meisten der Bewohner leben in permanenter Angst. Sie trauen sich nicht mehr, den Hausflur zu betreten.“ Ein Großteil der Bewohner habe sich bewaffnet, mit Pfefferspray. Illner sagt, dass das Verhalten der Frau „möglicherweise pathologisch-krankhafte Ursachen“ habe.

Zwei Nachbarn sind in psychotherapeutischer Behandlung - nur wegen dieser Vorfälle, wie sie sagen. „Ich bin total aus der Bahn geworfen“, sagte eine Wohnungseigentümerin zur WAZ. Seit 15 Jahren lebe sie dort. „Wir ziehen dort aus.“

In der Tat hatte die Polizei von April bis Juni vier Einsätze in dem Haus. Ein Polizeisprecher: „Das ist schon auffällig häufig.“ Es laufen verschiedene Anzeigen gegen jene Nachbarin. Die Staatsanwaltschaft hat auch bereits eine Anklage wegen Beleidigung erhoben. Der Prozess steht noch aus.

Die Nachbarin selbst weist die Vorwürfe entschieden zurück. Gegenüber der WAZ erklärte sie, dass sie selbst von den Nachbarn beleidigt werde. Auch sie selbst habe Anzeigen erstattet. Sie führe ein Protokoll über ihre Aufenthaltsorte, damit sie vor Gericht entlastende Beweise habe.

Der Riesenstreit dürfte demnächst einem Amtsrichter sehr schwere Arbeit machen.

Der Verlust des Wohneigentums ist übrigens das schärfste Schwert im Wohnungseigentumsgesetz. Dies vor Gericht durchzusetzen, setzt aber voraus, dass es jetzt erneut Ärger gebe.