Bochum. Bundesweit zum ersten Mal wurde 2015 in Bochum die Kita-Sozialarbeit eingeführt. Das leistet Sozialpädagogin Nadine Bröcheler in ihrem Alltag.

Nadine Bröcheler sagte als erste „Yay! Das ist ein guter Ansatz, da will ich mitmachen“, als 2015 in Bochum die bundesweit erste Kita-Sozialarbeit anlief. Das freiwillige Angebot des Sozialen Dienstes soll Familien unkompliziert und niedrigschwellig in allen Anliegen unterstützen. Die Sozialpädagogin Nadine Bröcheler war vom ersten Tag an mit im Boot: als Kita-Sozialarbeiterin.

„Wenn Eltern Sorgen haben, dass sie im nächsten Monat komplett ohne Geld dastehen oder der Aufenthaltstitel ausläuft – dann macht das Stress und Druck“, sagt Bröcheler, „wir beraten und begleiten, denn je mehr Probleme man hat, desto weniger kann man sich auf die Erziehung und auf das Miteinander in der Familie konzentrieren“.

Die Kita-Sozialarbeit ist zwar nicht in Kitas angesiedelt, richtet sich aber an Familien mit Kindern von null bis sechs Jahren. Ob das Kind in die Trotzphase kommt, die alleinerziehende Mutter keinen Kindergartenplatz findet oder die Eltern mit ihrer Elternrolle hadern – Nadine Bröcheler und ihre zehn Kollegen kümmern sich um behördliche ebenso wie alltägliche Anliegen der Familien.

Sozialarbeiter begleiten Familien auch beim Gang zum Jobcenter Bochum

Familien, die Hilfe suchen, können in der offenen Sprechstunde vorbeikommen, sich telefonisch beraten lassen oder einen Termin vereinbaren. Die Sozialarbeiter kommen auch zu Gesprächen in die Familien nach Hause, in die Kita oder begleiten bei Behördengängen. „Manche kommen jede Woche, andere nutzen das Beratungsangebot ganz sporadisch und rufen alle paar Monate an, immer dann, wenn der Schuh drückt. Dann versuchen wir möglichst schnell Termine anzubieten“, sagt Bröcheler.

Familien, die Transferleistungen beziehen oder sprachliche Probleme aufgrund eines Migrationshintergrunds haben, kämen besonders oft auf sie zu: bei Schwierigkeiten mit Jobcenter- und Behördenangelegenheiten. „In dem Bereich können sich Familien gut eingestehen, dass sie Unterstützung brauchen“, sagt Bröcheler, „wir lesen dann zusammen Briefe, die nicht verstanden werden, helfen beim Ausfüllen von Anträgen und gehen mit: Wir sitzen mit beim Jobcenter, wir sitzen mit beim Sozialamt – das macht die Kita-Sozialarbeit aus“.

Kita-Sozialarbeit soll verhindern, dass in Familien Schieflagen entstehen

Angefangen in 2015 in Mitte und Wattenscheid, bietet der Soziale Dienst mittlerweile für alle sechs Bochumer Bezirke die Beratungsangebote an. Für Christian Papies, der die Arbeitsgruppe Kita-Sozialarbeit koordiniert, sollen auf diese Weise frühzeitige Probleme in den Familien aufgefangen werden, sodass Kindeswohlgefährdungen erst gar nicht entstehen. Wenn diese Gefährdung doch auftritt oder Erziehungsprobleme zu groß werden, stellen die Kita-Sozialarbeiter auch den Kontakt zu anderen Stellen des Sozialen Dienstes her.

Eltern würden das Angebot gut annehmen, weil sie unkompliziert Hilfe erhalten: „Es entfällt eine Antragstellung und sämtliche Formalia, die sonst notwendig sind, wenn sie behördliche Leistungen in Anspruch nehmen wollen“, so Papies, „hier sind alle Anliegen relevant, bei uns wird nicht gefiltert. Niemand sagt: ,Für das Problem sind wir nicht zuständig, da müssen Sie woanders hin'“.

Kita-Sozialarbeit entlastet andere Bereiche des Sozialen Dienstes in Bochum

Die Beratungsarbeit habe mittlerweile Früchte getragen. „Im ambulanten Bereich der Hilfe zur Erziehung sind die Fallzahlen seitdem sukzessive zurückgegangen“, sagt Papies. Allein im Jahr 2019 hätten die Sozialarbeiter und Sozialpädagogen 1797 Beratungen mit Eltern, 130 Gespräche in Bochumer Kitas und 860 „Vernetzungsgespräche“ mit Kooperationspartnern wie Kitas, Hebammen und Erziehungsberatungsstellen durchgeführt.

Nadine Bröcheler muss bei ihrer Arbeit teilweise auch das „Vertrauen ins System wieder herstellen“. „Wir sprechen über sehr sensible Themen: über Erziehung, Kinder, Familie, die finanzielle Lage. Da ist es uns wichtig, einen möglichst vertrauensvollen Zugang und Umgang mit den Familien zu herzustellen. Ich sage immer zu Beginn eines Gesprächs explizit, dass nicht aufgeschrieben wird und wir keine Aktenführung machen, und betone die besondere Schweigepflicht“, so Bröcheler, „es ist wichtig, aufrichtiges Interesse und ernsthafte Empathie zu zeigen“.