Erfurt. Darf eine evangelische Klinik einer muslimischen Mitarbeiterin das Tragen des Kopftuchs verbieten? Das muss das Bundesarbeitsgericht klären - zum ersten Mal bei einem konfessionellen Arbeitgeber. Ansonsten ist die Rechtslage schwierig: Verkäuferinnen dürfen auf Kopftuch bestehen, Lehrerinnen nicht.

Der Richterspruch dürfte alle kirchlichen Arbeitgeber interessieren: Das Bundesarbeitsgericht soll an diesem Mittwoch entscheiden, ob eine Krankenschwester in einer evangelischen Klinik in Bochum ein Kopftuch tragen darf. Die Erfurter Richter haben zwar früher bereits ähnliche Streitfälle verhandelt - allerdings noch nie mit einem kirchlichen Arbeitgeber. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Worum geht es?

Geklagt hat eine 36-jährige Muslimin aus Bochum, die viele Jahre an einem Krankenhaus in evangelischer Trägerschaft gearbeitet hat. Kurz vor der Geburt ihres Kindes beschließt sie, künftig ein Kopftuch zu tragen. Das setzt sie auch um, als sie nach längerer Pause wegen Elternzeit und Krankschreibung an ihren Arbeitsplatz zurückkehrt. Die Klinik stellt sie daraufhin im Jahr 2010 frei. Nun fordert die Frau ihren seitdem ausstehenden Lohn ein.

Wie wichtig ist die Entscheidung?

Es geht um die Frage, inwieweit Beschäftigte eines konfessionellen Arbeitgebers Symbole anderer Religionen zur Schau stellen dürfen. Das betrifft alle nicht-christlichen Mitarbeiter in kirchlichen Einrichtungen. Dem Bundesarbeitsgericht liegt erstmals ein solcher Fall vor. Zwar gibt es schon höchstrichterliche Entscheidungen zum Umgang mit dem Kopftuch, allerdings nur zu privaten und staatlichen Einrichtungen. Einer Verkäuferin darf das Kopftuch nicht verboten werden, einer Lehrerin an einer staatlichen Schule dagegen schon.

Wie argumentieren die beiden Parteien?

Die Krankenschwester pocht auf ihre Glaubensfreiheit. "Wir stellen uns auf den Standpunkt, dass wir sagen: Die Religionsfreiheit der Klägerin überwiegt hier das Weisungsrecht des kirchlichen Arbeitgebers", sagt ihr Kölner Anwalt Abdullah Emili. Die Klinik hingegen meint, dass sie aufgrund ihrer konfessionellen Ausrichtung der Frau untersagen kann, ein Kopftuch zu tragen. Sie verlangt von ihren nicht-christlichen Mitarbeitern im Dienst Neutralität. "Sie dürfen sich nicht offen zu einem anderen Glauben bekennen", erklärt der Anwalt der Klinik, Sascha Leese.

Was dürfen die Kirchen von ihren Mitarbeitern verlangen?

Die Kirchen haben einen Sonderstatus im Arbeitsrecht. Das Bundesverfassungsrecht hat ihnen 1985 das Recht zugebilligt, Arbeitsverhältnisse nach ihrem Selbstverständnis zu regeln. Auf dieses Selbststimmungsrecht gehen auch gewisse Loyalitätspflichten für Arbeitnehmer in kirchlichen Einrichtungen zurück. Sie können zum Beispiel bei Kirchenaustritt ihren Job verlieren. Problematisch sind für Katholiken auch Scheidung oder Wiederheirat. Dabei kommt es aber auch darauf an, welche Tätigkeit ein Mitarbeiter ausübt.

Wie stehen die Chancen der Klägerin?

Das ist schwer zu sagen, denn die Vorinstanzen haben unterschiedlich entschieden. Während das Arbeitsgericht Bochum der Frau Recht gab und ihre Religionsfreiheit in den Vordergrund stellte, kassierte das Landesarbeitsgericht in Hamm die Entscheidung anschließend. "Die Anordnung, während der Arbeit kein Kopftuch zu tragen, ist vom Weisungsrecht des Arbeitgebers gedeckt", stellte es 2012 fest.

Was sagt ein Arbeitsrechtsexperte dazu?

Der Jurist Gregor Thüsing von der Universität Bonn räumt der Klinik die besseren Chancen ein. "Ich gehe davon aus, dass das Verbot, ein Kopftuch zu tragen, bestätigt wird", sagte er. Ein Kopftuch sei ein Symbol des Islams. Die Klinik habe ein Recht, die christliche Ethik nach außen zu vertreten. Ob ein Kopftuch erlaubt werden könne, hänge aber auch von der Position ab: In der Verwaltung sei dies eventuell anders zu bewerten als bei einer Krankenschwester, die viel persönlichen Kontakt zu Menschen habe. (dpa)