Ein Jäger aus Bochum schlägt Alarm: Die Brut- und Setzzeit werde zurzeit sehr stark von unangeleinten Hunden gestört. Wildtiere seien in Gefahr.
„Gefühlsmäßig ist das der absolute Wahnsinn dieses Jahr.“ Der Bochumer Jäger Dr. Jan Wieczorek macht sich große Sorgen um Rehe, Hasen und Vögel, die sich zurzeit in der Brut- und Setzzeit befinden. Grund sind Spaziergänger mit und ohne Hund sowie Mountainbikefahrer, die sich in Waldstücken und auf Feldern querfeldein bewegen – trotz Verbotes. Das sei noch nie so stark der Fall wie in diesem Frühjahr.
Feld und Wald werden zur Kinderstube für Wild
„Wir Jäger, aber auch zahlreiche andere Naturschützer müssen feststellen, dass die Brut- und Setzzeit für viele Naturgenießer ein Fremdwort ist“, sagt Wieczorek, stellvertretender Leiter des Hegeringes Langendreer-Werne der Kreisjägerschaft Bochum. Die Brut- und Setzzeit dauert vom 1. April bis zum 15. Juli. In dieser Zeit müssen alle Hunde bei Spaziergängen in Wald und Feld an die Leine. Das gilt auch für die Wege im Wald, auf denen Hunde in Bochum sonst durchaus auch ohne Leine laufen dürfen (wenn sie denn erzogen und folgsam sind). Ausnahme sind Naturschutzgebiete, dort herrscht das ganze Jahr Leinenpflicht.
Es ist eine verzwickte Situation: Hundehalter in der Großstadt wollen ihren Tieren etwas Gutes tun, indem sie sie regelmäßig auch mal frei herumlaufen lassen. Gleichzeitig haben sich aber Feld und Wald zurzeit in eine Kinderstube für Wildtiere verwandelt.
Wieczorek hat erst vor einigen Tagen ein totes Rehkitz im Jagdrevier Langendreer gefunden. „Das wurde am Hals mittig angebissen.“ Auch ein junger Hase wurde tot gefunden. „Die Junghasen liegen gerade versteckt in Wiesen, Feldern und im Unterholz“, erklärt der Jäger.
Die freilaufenden Hunde fänden so einen Junghasen sehr interessant und würden daran schnüffeln oder sogar zubeißen; diese seien dem Hund völlig ausgeliefert. „Die fremde Witterung sorgt dann dafür, dass die Häsin ihr Junges nicht mehr versorgt.“ Der Nachwuchs würde qualvoll abseits der Wege verenden. Der Hundehalter würde von alledem nichts mitbekommen.
Betroffen seien außer Kitzen und Junghasen auch bodenbrütende Vögel wie zum Beispiel Schnepfen. Auf landwirtschaftlichen Flächen und mühevoll angelegten Ruhezonen – so genannte Wildäcker – solle das Wild jetzt aber Ruhe finden. Auch klitzekleine Trampelpfade sollten für Spaziergänger zurzeit ein Tabu sein, selbst wenn der Hund angeleint sei.
Ordnungsamt hat derzeit nicht genug Personal zur Überwachung
„Wer wirklich die Natur schützen will, braucht dafür kein Geld, sondern soll sich einfach auf den Wegen oder auf ausgewiesenen Flächen aufhalten“, sagt der Jäger, der im Hauptberuf Chemiker ist. In anderen Revieren Bochums gebe es zurzeit dasselbe Problem. Häufig seien Hundehalter auch mit mehreren Tieren unterwegs. Den aktuell erhöhten Freizeitverkehr in geschützten Feldern und Waldstücken erklärt sich Wieczorek mit der Corona-Krise: Viele hätten jetzt mehr Zeit und könnten auch nicht in den Urlaub reisen. Da sei man dann häufig in der Natur vor der Haustür unterwegs. 80 Prozent der Hundehalter, die er auf das Problem anspreche, seien einsichtig, zehn Prozent würden ihren Hund dann mürrisch anleinen, der Rest sei uneinsichtig.
Das Ordnungsamt habe wegen Überwachung der Corona-Beschränkungen nicht genug Personal für Feld und Wald. Mit der Polizei hat Wieczorek abgesprochen, dass er in besonderen Fällen den Notruf 110 anrufen kann, dann werde er von Streifenbeamten unterstützt.