Essen.. Orte von Wohnungseinbrüchen werden von der Polizei zunehmend als Karte veröffentlicht. Das “Einbruchsradar“ soll dafür werben, wachsamer zu sein.
Es wirkt bizarr, auch bedrohlich: Wer einen Eindruck davon haben möchte, wie kriminell es in Chicago zugeht, kann es sich auf der Internetseite der Chicagoer Polizei im Stadtplan anzeigen lassen. Ein Schlagring-Symbol etwa steht für Körperverletzung, eine schwarze Gauner-Augenbinde für schweren Diebstahl. Regelrecht gespickt ist die Karte mit den insgesamt 26 Icons, die für verschiedene Kriminalitäts-Delikte stehen, je nachdem wo man guckt. Auch in NRW veröffentlicht die Polizei zunehmend Karten mit aktuellen Geodaten - für Wohnungseinbrüche: das "Einbruchsradar".
Bis Mitte April soll das Einbruchsradar flächendeckend auf alle 47 Polizeibehörden im Land ausgeweitet sein. Seit jüngstem sind Krefeld und Mönchengladbach dabei. Ein zusätzliches Hilfsmittel im Einsatz gegen Wohnungseinbrüche sollen die Karten sein. Denn die Zahlen steigen: 2015 wurden NRW-weit 62.262 Wohnungseinbrüche registriert - 18 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Die Orte der Einbrüche werden wöchentlich, meist Freitags, aktualisiert. Das soll Bürger zu mehr Aufmerksamkeit sensibilisieren und mahnen, "dass sie ihre vier Wände besser schützen", erhofft sich NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD). Aber helfen solche Karten wirklich?
Forscher: Einbruchsradar nutzt Bürgern nichts
"Das 'Einbruchsradar' nutzt Bürgern nichts. Die Karten sind nicht geeignet, um daraus Schlüsse für eigenes Verhalten zu ziehen", sagt der Bochumer Kriminalistik-Forscher Prof. Thomas Feltes. Für Polizeiarbeit sind solche Geodaten sinnvoll, meint Feltes, etwa mit Blick auf moderne Datentechniken, die helfen sollen, Straftaten vorherzusagen ("Predictive policing"). Dagegen lasse sich mit dem Einbruchsradar jedoch nicht vor Gefahren warnen, meint Feltes. "Einbruchsserien beispielsweise sind meist nach zwei bis drei Tagen abgeschlossen, da ist das einmal wöchentlich veröffentlichte Einbruchsradar wertlos." Hier bräuchte es schon "Echtzeitdaten", meint Feltes.
Dass sich Bürger in Kürze landesweit ein konkretes Bild über Wohnungseinbrüche in ihrer Umgebung machen können, fußt auf einer Idee der Polizei Bochum, die Mitte Juni vergangenen Jahres erstmals ein Einbruchsradar für Bochum, Herne und Witten veröffentlichte. "Es hilft, Aufmerksamkeit für das Thema zu erzeugen", sagt Polizeisprecher Volker Schütte. Dass das Einbruchsradar später gar landesweit ausgerollt werden würde, hätte man selbst nicht beabsichtigt und auch nicht erwartet, sagt Schütte.
Gruppe der Täter ist bunt gemischt
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Konkrete Tatort-Adressen darf die Polizei bei Wohnungseinbrüchen nicht nennen, wegen des Datenschutzes. Im Einbruchsradar markieren die Behörden Tatorte mal mit roten Stecknadelpunkten, mal mit einem Haus-Symbol; die Karten selbst - zu finden etwa unter www.polizei.nrw.de - sind nicht vergrößerbar.
Bei den Tatorten ließen sich Muster erkennen, heißt es bei der Polizei: So zeige sich, dass manche Einbrecher die Nähe zu Autobahnen oder Schnellstraßen bevorzugen. Für Forscher Thomas Feltes jedoch hört da schon die Aussagefähigkeit des Einbruchsradar auf: "Die Gruppe der Täter bei Wohnungseinbrüchen ist bunt gemischt, sie reicht vom Junkie, über Jugendliche, Nachbarn bis hin zu organisierten Banden aus dem In- und Ausland." Je nach Tätergruppe würden aber auch die Einbruchsorte variieren. Ohnehin weiß man nur wenig über Täter, sagt Feltes: "Je 100 Einbrüche werden nur ein bis zwei Täter verurteilt". 70 bis 80 Prozent der Verfahren würden vorher eingestellt - mangels Beweisen.
Auch hier hofft die Polizei jedoch auf das Einbruchradar. "Wir haben den Eindruck, dass wir mehr Hinweise aus der Bevölkerung bekommen", sagt Ulrich Biermann, Sprecher der Polizei im Kreis Unna. Seit Ende November gibt's auch in Unna ein Einbruchsradar. Unter anderem auf der Facebook-Seite der Behörde veröffentlicht und begleitet mit der Mahnung: "Seien sie wachsam!!" Pro Woche würde die Karte alleine auf Facebook gut 3000 Mal angeklickt. "Wer sieht, dass in der Nähe eingebrochen wurde, achtet vielleicht mehr auf verdächtige Fahrzeuge oder Leute, die zum Beispiel aus nicht ersichtlichem Grund fremde Häuser fotografieren",sagt Biermann: "Diebesbanden kundschaften ihre Ziele vorher aus". Die Polizei rät generell dazu: wer etwas Verdächtiges beobachtet, soll auf alle Fälle den Notruf 110 anrufen. Biermann: "Lieber zu oft, als einmal zu wenig".
Verdacht auf Einbrecher? Diese Tipps gibt die Polizei
Massive Haustüren, speziell geschützte Fensterrahmen und -Verriegelungen: Guter Einbruchschutz ist teuer. Doch es geht auch ohne Geld. Auch Aufmerksamkeit kann Einbrüchen vorbeugen und Täter absschrecken. Die Polizei in Hamm gibt diese Tipps, wie die eigene Nachbarschaft sicherer wird:
- Einbrecher könnten ein lohnenswertes Objekt ausspähen, wenn sie mit auswärtigen Fahrzeugen langsam durch das Wohngebiet fahren. Notieren Sie sich das Kennzeichen und rufen Sie die Polizei!
- Einbrecher wollen herausfinden, ob jemand zuhause ist, wenn sie in einem Mehrfamilienhaus an mehreren Wohnungen anklingeln oder auf dem Nachbargrundstück umherstreifen. Sprechen Sie die fremden Personen an und verständigen Sie per Notruf 110 die Polizei!
- Jemand steht Schmiere, wenn er scheinbar grundlos auf der Straße, im Hausflur oder im abgestellten Auto wartet. Merken Sie sich sein Aussehen, das Kennzeichen und verständigen Sie per Notruf 110 die Polizei!
- Es sind nicht immer Handwerker tätig, wenn im Treppenhaus das Holz einer Tür splittert oder sie Bohr- und Hebelgeräusche hören. Schauen Sie nach, machen Sie sich bemerkbar und rufen Sie per Notruf 110 die Polizei!
- Einbrecher wollen nur Ihre Türsicherungen inspizieren, wenn sie sich als Haustürverkäufer oder Werber ausgeben. Verständigen Sie per Notruf 110 die Polizei!