Bochum..

Nach WAZ-Recherchen läuft derzeit ein heftiger Rechtsstreit um die Eröffnung der Thyssen-Krupp-Deponie Marbach in Hamme. Der seit 2004 unmittelbar neben der Deponie ansässige Zentralverband Europäischer Lederhändler hat vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen gegen die Wiedereröffnung der Schlacken-Deponie geklagt. Normalerweise, so das Gericht, hat eine solche Klage aufschiebende Wirkung.

Doch Thyssen-Krupp beantragte vor der Umweltbehörde in Hagen den sofortigen Vollzug. Doch die Lederhändler lassen nicht locker. Sie nutzen die Chance, per Antrag die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen. Genau dies wird gerade geprüft: „Wir haben ein konkretes Anliegen und kritisieren in der Klage eines der Gutachten“, erklärt Frank Wisgalle, Vorstand des Zentralverbands. Im Stadtteil selbst gibt es unterschiedliche Entwicklungen und Eindrücke. Ein Zufallsbefund:

Errichtet zur Erinnerung an die Gefallenen aus Hamme, die im Krieg von 1866 und dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 kämpften, steht es direkt an der Von-der-Recke-Straße, das Ehrenmal, gekrönt vom verwitterten preußischen Adler. Von „tapferen Kriegern“ ist die Rede – und tapfere Menschen suchen sie in Hamme jetzt wieder, denn das einst durch Stahlindustrie und Kohle zur Kleinstadt expandierte Dorf droht nun wieder zu versinken, als sozialer Brennpunkt. Der aktuelle Sozialbericht weiß mehr, bringt Kinderreichtum zusammen mit mangelnder Bildung, geringem Einkommen.

Viele sprechen liebevoll von dem Quartier

Dabei sprechen viele, die dort wohnen, liebevoll von dem Quartier. So wie Jürgen Fischer, der seit 47 Jahren direkt neben der so umstrittenen Deponie wohnt. „Ich weiß noch, wie sie damals hier gekippt haben.“ Schräg gegenüber hat seine Frau einst eine Lehre gemacht, das Lebensmittelgeschäft gibt es lang schon nicht mehr. Doch eigentlich, ja eigentlich wohne er gern hier und lehnt sich an seinen gepflegten VW.

Auf der anderen Straßenseite bleibt eine Nachbarin stehen, die ebenfalls seit 1974 an der Von-der-Recke-Straße lebt. „Ja wir haben hier damals gebaut. Aber was jetzt passiert, das ist schlimm.“ Ihren Namen möchte sie nicht nennen, doch was sie meint ist klar, die Deponie, die möchte sie nicht.

Aufruhr in Hamme

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Bochum 11 - Elf Themen, die die Stadt bewegen. Diesmal das Thema:
Bochum 11 - Elf Themen, die die Stadt bewegen. Diesmal das Thema: "Eine Deponie für Thyssen, ein Ärgernis für Anwohner" auf dem Amtsplatz in Hamme.Foto: Arne Poll, WAZ Fotopool © WAZ Fotopool | WAZ Fotopool
Ein Thema, das wieder viele Zuhörer anzog.Foto: Arne Poll, WAZ Fotopool
Ein Thema, das wieder viele Zuhörer anzog.Foto: Arne Poll, WAZ Fotopool © WAZ Fotopool | WAZ Fotopool
Links: Verena Schulz-Klemp (Leiterin des Umwelt- und Energiemanagements TKN), rechts: Gertrud Labusch (Sprecherin der Hammer Runde).Foto: Arne Poll, WAZ Fotopool
Links: Verena Schulz-Klemp (Leiterin des Umwelt- und Energiemanagements TKN), rechts: Gertrud Labusch (Sprecherin der Hammer Runde).Foto: Arne Poll, WAZ Fotopool © WAZ Fotopool | WAZ Fotopool
Heinz-Jörg Gimpel (Leiter der Umweltschutzbehörde in Hagen).Foto: Arne Poll, WAZ Fotopool
Heinz-Jörg Gimpel (Leiter der Umweltschutzbehörde in Hagen).Foto: Arne Poll, WAZ Fotopool © WAZ Fotopool | WAZ Fotopool
Gereizte Stimmung auf dem Amtsplatz in Hamme.Foto: Arne Poll, WAZ Fotopool
Gereizte Stimmung auf dem Amtsplatz in Hamme.Foto: Arne Poll, WAZ Fotopool © WAZ Fotopool | WAZ Fotopool
Die Bürger sagen ihre Meinung.Foto: Arne Poll, WAZ Fotopool
Die Bürger sagen ihre Meinung.Foto: Arne Poll, WAZ Fotopool © WAZ Fotopool | WAZ Fotopool
Kleingärtner Peter Alpert.Foto: Arne Poll, WAZ Fotopool
Kleingärtner Peter Alpert.Foto: Arne Poll, WAZ Fotopool © WAZ Fotopool | WAZ Fotopool
Kaum ein Nachbar scheut den Weg.Foto: Arne Poll, WAZ Fotopool
Kaum ein Nachbar scheut den Weg.Foto: Arne Poll, WAZ Fotopool © WAZ Fotopool | WAZ Fotopool
Links: Verena Schulz-Klemp (Leiterin des Umwelt- und Energiemanagements TKN),Foto: Arne Poll, WAZ Fotopool
Links: Verena Schulz-Klemp (Leiterin des Umwelt- und Energiemanagements TKN),Foto: Arne Poll, WAZ Fotopool © WAZ Fotopool | WAZ Fotopool
WAz-Redakteur Michael Weeke. Er bekommt Lob, weil er die Geschichte publik gemacht hat.Foto: Arne Poll, WAZ Fotopool
WAz-Redakteur Michael Weeke. Er bekommt Lob, weil er die Geschichte publik gemacht hat.Foto: Arne Poll, WAZ Fotopool © WAZ Fotopool | WAZ Fotopool
Applaus bekommen die Offiziellen nicht.Foto: Arne Poll, WAZ Fotopool
Applaus bekommen die Offiziellen nicht.Foto: Arne Poll, WAZ Fotopool © WAZ Fotopool | WAZ Fotopool
v.l. Redakteur Michael Weeke, Sabine Hübner Foto: Arne Poll, WAZ Fotopool
v.l. Redakteur Michael Weeke, Sabine Hübner Foto: Arne Poll, WAZ Fotopool © WAZ Fotopool | WAZ Fotopool
v.l. Redakteur Michael Weeke, Pfarrer Alfred Labusch.Foto: Arne Poll, WAZ Fotopool
v.l. Redakteur Michael Weeke, Pfarrer Alfred Labusch.Foto: Arne Poll, WAZ Fotopool © WAZ Fotopool | WAZ Fotopool
Das WAZ-Mobil ist wieder unterwegs.Foto: Arne Poll, WAZ Fotopool
Das WAZ-Mobil ist wieder unterwegs.Foto: Arne Poll, WAZ Fotopool © WAZ Fotopool | WAZ Fotopool
v.l. SPD-Urgestein Rudolf Malzahn.Foto: Arne Poll, WAZ Fotopool
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v.l. Redaktionsleiter Thomas Schmitt, Roland Liedtke (Umweltbeauftragter des Bochumer Edelstahlwerks) Verena Schulz-Klemp (Leiterin des Umwelt- und Energiemanagements TKN).Foto: Arne Poll, WAZ Fotopool
v.l. Redaktionsleiter Thomas Schmitt, Roland Liedtke (Umweltbeauftragter des Bochumer Edelstahlwerks) Verena Schulz-Klemp (Leiterin des Umwelt- und Energiemanagements TKN).Foto: Arne Poll, WAZ Fotopool © WAZ Fotopool | WAZ Fotopool
Verena Schulz-Klemp (Leiterin des Umwelt- und Energiemanagements TKN),Foto: Arne Poll, WAZ Fotopool
Verena Schulz-Klemp (Leiterin des Umwelt- und Energiemanagements TKN),Foto: Arne Poll, WAZ Fotopool © WAZ Fotopool | WAZ Fotopool
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Wieder ein paar 100 Meter zurück, liegt der Block der Graf-von-der-Recke-Schule direkt an der Straße. Es ist Mittagszeit und die Kinder werden gerade von ihren Eltern abgeholt. Wir treffen Michael Franz, der auf seinen siebenjährigen Sohn Jannis wartet. Die Familie lebt nicht in Hamme, hat gehört von den Plänen, die Schule zu schließen: „Ich kann ihnen gar nicht sagen wie schlimm das für uns wäre. Unser Sohn ist schwerhörig, wir haben über ein halbes Jahr gesucht nach einer passenden Schule. Hier haben wir sie gefunden. Wir sind sehr betroffen“. Er möchte eigentlich noch mehr erzählen, doch Jannis und die kleine Schwester warten im Auto.

Schule wirbt für Neuanmeldungen

Es kommen etliche Lehrer und Lehrerinnen vorbei, die reden zwar mit uns, schütteln den Kopf über die Planungen der Stadt, dürfen jedoch nicht offen sprechen. Sie alle haben gemeinsam die Stellungnahme ausgearbeitet, mit der die Schule reagiert auf die für beinahe alle unverständlichen Schließungspläne.

Schulpflegschaftsvorsitzende Antje Kassem ist tapfer, trommelt Leute zusammen, spricht mit Politikern, kündigt eine Plakataktion an mit der Botschaft „Hey, uns gibt es noch, meldet Eure Kinder an, wir brauchen euch.“ Vielleicht könnte eine solche Abstimmung mit den Füßen noch das Blatt wenden, denn vor zwei Jahren, so lässt sich im alten Schulentwicklungsplan nachlesen, wurde die Schule mit ihrem in bald 20 Jahren bewährten Konzept des gemeinsamen Unterrichts von Kindern mit und ohne Förderbedarf als unverzichtbar dargestellt. Dass es diesmal die Graf-von-der-Recke-Schule treffen soll, liege vielleicht auch an der Zusammensetzung der Elternschaft. Wenig kampferprobtes Bildungsbürgertum haben sie aufzubieten dort.

Thyssen macht ernst

Dabei sind Aussagen wie die von Muhammet Aydinli beinahe noch mehr Wert als beste Strippenzieherkunst: „Was soll ich machen, ich wohne in der Glückaufstraße, da gibt es viele Familien mit Kindern. Sie bringen ihre Kinder, wie ich, zu Fuß. Scheiße wäre das, wenn die Schule zu macht.“ Sein Sohn Batuhan geht in die 2. Klasse und blickt stolz zu seinem Vater. Ja, wir sind hier im Moment gleich dreifach bestraft, sagt jemand, spricht vom Ärger um den Schrottplatz an der Robertstraße, vor allem aber geht es um die Deponie und die drohende Schulschließung.

Es ist nicht zu übersehen, dass Thyssen-Krupp ernst macht mit dem Betrieb der Deponie. Nach Bomben wurde bereits gesucht, das Grabeland am Rand gibt es nicht mehr und in Kürze dürften die Arbeiten beginnen für die Verlängerung der Porschestraße. Anlieger wehren sich mit allen rechtlichen Mitteln – so wie es „tapfere Krieger“ aus Hamme eben tun.