Bochum. Dieter Borgmann fährt so oft es geht seinen 1929 gebauten Phantom II. Er sagt: „Mit einemalten Auto ist es wie mit einem älteren Menschen. Er muss in Bewegung bleiben“. Der 78-Jährige hat auf den Aufruf der WAZ reagiert. Sein Wagen ist (vermutlich) das älteste Auto in Bochum.
Von außen sieht sie aus wie eine x-beliebige Garage irgendwo in Bochum. Hinter dem grauen Tor verbirgt sich das vermutlich älteste Auto der Stadt. Baujahr: 1929. Farbe: royales blau. Motor: 6 Zylinder. Hubraum: mächtige 7668 ccm. Leistung: Die beschreibt der noble Hersteller bei all seinen Fahrzeugen mit dem vornehmen Wort „ausreichend“. Besonderes Merkmal: eine silberne Kühlerfigur, die Spirit of Ecstasy. Ja, das ist ein Rolls Royce. Ein Phantom II. Dieter Borgmann ist sein Besitzer. Er ist der Mann, der die Suche der WAZ nach dem ältesten Fahrzeug auf Platz 1 beendet.
„Ich war schon immer für Autos“, erzählt der 78-Jährige, nachdem sein Besucher aus dem ersten Staunen über das zum Mund-nicht-zu-kriegen schöne Auto hinweg gekommen ist. Diese Leidenschaft habe er von seinem Vater. „Und wenn der wüsste …“, hebt Borgmann an, um gleich in den nächsten Satz zu fallen und von den technischen Finessen der automobilen Augenweide zu berichten. Eine Caffyns-Karosserie stehe vor uns. Das ist nicht unwichtig. Rolls Royce ist nicht gleich Rolls Royce. Der vielleicht edelste Autohersteller der Welt hat früher nur Rahmen und Motor seiner Fahrzeuge gestellt – abgesehen vom imposanten Namen.
Jeder Wagen ein Unikat
„Es war üblich, dass man sich sein Auto individuell zusammen stellen ließ“, erzählt Dieter Borgmann und präsentiert gleich den Beweis. In der Garage steht neben dem Caffyns Phantom II noch ein vier Jahre jüngerer, mit Hooper-Chassis. Und beide gleichen sich trotz gleichen Namens nicht wirklich. „Das ist der Unterschied“, sagt Detlef Reinartz, ein Bekannter von Dieter Borgmann und als Rolls-Royce-Experte noch etwas Kundiger als dieser. „Wenn sie bei einem Mercedes-Oldtimertreffen sind, ist es schnell langweilig. Die Modelle sind alle gleich. Bei Rolls Royce dagegen ist jeder Wagen praktisch ein Unikat.“
Rolls Royce ist Bochums ältestes Auto
1/19
Dieser ist ein Opentourer. Ein Cabriolet, das auch mit geschlossenem Dach an den Seiten offen bleibt. Nichts also für tiefe Temperaturen. Aber wenn es kalt und ungemütlich ist, bleibt die tiefblaue Schönheit ohnehin in der Garage. So ein Auto will gehegt und gepflegt werden. Und wenn es nach längerer Standzeit auf die Piste darf, muss Detlef Reinartz mehrfach Benzin in den Vergaser einfüllen, den Motor laufen lassen, bis der Vac, die Alternative zur Benzinpumpe, arbeitet und die mächtige Maschine anstandslos anspringt. Ist der Wagen öfter in Betrieb, fällt die Prozedur weg, erfahre ich. Überhaupt schnurre der Motor wie ein Kätzchen.
Zwei Stunden Auto fahren wie eine Woche Urlaub
Auf Oldtimer-Rallyes ist Dieter Borgmann gerne mit dem Phantom II unterwegs. „Mit einem alten Auto ist es wie mit einem älteren Menschen. Er muss in Bewegung bleiben.“ Wenn es besonders schön ist, kennt er eine passende Tour direkt vor der Haustür. Über Stiepel geht es in Richtung Herdecke durch die geschwungene Landschaft mit herrlichen Ausblicken. „Da kommen einem zwei Stunden Auto fahren wie eine Woche Urlaub vor“, sagt Detlef Reinartz, dem Phantom-Besitzer Borgmann attestiert, mit dem 2,6 Tonnen schweren Gefährt ohne Servolenkung am besten zurecht zu kommen.
Dass er überhaupt dieses Gefährt erworben hat, erzählt der Immobilienhändler, dessen Familie lange Jahre ein Möbelhaus in der Stadt unterhielt, habe an einem Besuch in Österreich gelegen. Vor gut zehn Jahren habe er in Montafon den österreichischen „Rolls-Royce-Papst“ Franz Vonier getroffen, der ihn mit auf eine Spritztour in die Berge genommen habe. „Und da war ich fasziniert davon, wie wendig dieses Fahrzeug da oben gewesen ist.“ Er wollte es haben, er musste es haben. Und irgendwie kann man den Mann verstehen. Was er dafür bezahlt hat, darüber spricht man in Rolls-Royce-Kreisen nicht. Aber es wird wohl so sein wie mit der Leistung: ausreichend.
Klaus Blums 1971er Kadett ist von Anfang an in Familienbesitz
Es ist nicht das älteste Auto der Stadt. Aber mit dem zitronengelben Opel Kadett B Caravan von Klaus Blum hat es schon etwas Besonderes auf sich. Seit der Erstzulassung am 11. Juni 1971 ist er in Familienbesitz.
Und seit dem, immerhin fast 43 Jahre, ist er nahezu täglich in Gebrauch. Nicht mehr als Lastenesel, so wie früher, als die Blums noch Magenbitter in Eigenproduktion herstellten und dafür aus Lüdinghausen schon mal ein 100 Liter-Fass reinen Alkohols transportiert werden musste. Aber wenn es etwas außerhalb der Innenstadt zu erledigen gibt, dann klemmt sich Klaus Blum natürlich hinters Steuer seines Kadett.
An einen neuen Wagen hat er bislang keinen Gedanken verschwendet. „Warum auch?“ Erstens hat sein Caravan trotz des für ein Auto schon stattlichen Alters von fast 43 Jahren erst 174.000 Kilometer auf dem Tacho. Und zweitens ist er nach der Komplettrestaurierung vor einigen Jahren bestens in Schuss. „Er stand anderthalb Jahren in der Oldtimer-Werkstatt in Wanne-Eickel und wurde komplett auseinander genommen.“ Erst im November hat er vom TÜV wieder seine Straßentauglichkeit für die nächsten zwei Jahre attestiert bekommen. „Mein Kleiner hat mich nie im Stich gelassen“, sagt Klaus Blum stolz. So viel Zuverlässigkeit muss einfach belohnt werden – mit einem Garagenplatz und gegenseitiger Treue.
7700 DM habe der Wagen Anfang der 1970er Jahre gekostet. Heute wird das Modell auf dem Markt für die gleiche Summe in Euro gehandelt. Allerdings kommt ein Verkauf für seinen Besitzer nicht in Frage. Zwar sagt er etwas unsentimental: „Ein Auto ist für mich ein Gebrauchsgegenstand.“ Aber wer mehr als 40 Jahre lang gemeinsam durchs Leben gefahren ist, den verbindet eben mehr als die TÜV-Plakette. Da ist auch Herzblut im Spiel.
Sie haben vermutlich einen Ad-Blocker aktiviert. Aus diesem Grund können die Funktionen des Podcast-Players eingeschränkt sein. Bitte deaktivieren Sie den Ad-Blocker,
um den Podcast hören zu können.