Bochum. Das Alice-Salomon-Berufskolleg in Bochum hat Platz 2 beim Wettbewerb der Jüdischen Gemeinde belegt. Für den Herbst hat die Schule große Pläne.
Ludmilla Heifeca ist zu Tränen gerührt. Die Studentin am Alice-Salomon-Berufskolleg stammt aus Lettland. Als Jüdin ist es ihr am Dienstag eine besondere Ehre, einen Preis der Jüdischen Gemeinde entgegenzunehmen. „Wenn das meine verstorbenen Großeltern noch erlebt hätten, wären sie sehr glücklich gewesen“, sagt Ludmilla Heifeca, während ihre Augen über der Schutzmaske strahlen.
Schüler ab Klasse 7 zu bewegen, sich mit dem jüdischen Glauben, Leben und der deutschen Vergangenheit zu beschäftigen:
Dieses Ziel verfolgt der Freundeskreis der Jüdischen Gemeinde mit dem Dr.-Otto-Ruer-Preis,
benannt nach dem jüdischen Bochumer Oberbürgermeister von 1925 bis 1933, der von den Nazis aus dem Amt gedrängt und in den Tod getrieben wurde. Seit 2014 sind Schulklassen im Gemeindegebiet Bochum, Herne und Hattingen alle zwei Jahre zum Mitmachen aufgerufen.
Texte, Reportagen, Videos, Theater: Vielfältige Darstellungsformen sind erlaubt und willkommen, um „gelebte jüdische Kultur im Ruhrgebiet“ zu dokumentieren.
Freundeskreis freut sich über Rekordbeteiligung
In diesem Jahr freut sich der Freundeskreis über eine Rekordbeteiligung. 19 Schulen mit mehr als 300 Schülerinnen und Schülern reichten 26 Arbeiten ein. Darunter das Alice-Salomon-Berufskolleg, das von der Jury mit dem 2. Rang und 500 Euro Preisgeld belohnt wurde.
Erstmals war die Schule an der Akademiestraße bei dem Wettbewerb an den Start gegangen – erstaunlich, ist das Alice-Salomon-Kolleg doch nach einer der bedeutendsten deutschen Sozialreformerinnen benannt, die wegen ihres jüdischen Glaubens 1937 von den Nazis zur Emigration in die USA gezwungen wurde.
Interaktiver Spaziergang
Inspiriert von der Namenspatronin, machten sich 24 Schüler und Studierende aus verschiedenen Klassen und Bildungsgängen mit den Lehrern Stephanie Ebenfeld, Clara Schneider und Maurice Andree daran, einen interaktiven Spaziergang auf den Spuren modernen jüdischen Lebens in Bochum zu erarbeiten. Titel: „#Shalom Bochum“.
Entstanden ist ein Flyer mit sechs Stationen: dem Jüdischen Friedhof an der Wasserstraße, dem Dr.-Ruer-Platz im Herzen der Innenstadt, der Neuen Synagoge am Erich-Mendel-Platz mit dem Jüdischen Restaurant Matzen, der Kindertagesstätte Sternenhügel an der Castroper Straße und dem Alice-Salomon-Kolleg.
Reisen in Auschwitz-Gedenkstätte geplant
Corona macht einen Spaziergang der klassischen Art derzeit nur bedingt möglich und ratsam. „Uns war auch deshalb von vornherein klar, dass das Projekt auch digital angelegt sein muss“, sagt Religionslehrer Maurice Andree. Jede Station ist daher mit einem QR-Code versehen. Sie führen – mit Fotos, Videos und Podcast – auf die jeweilige Projektseite der Schul-Homepage
www.alice-salomon-berufskolleg.de.
Das Kolleg mit seinen 2450 Schülern und Studierenden will den nun beschrittenen Weg konsequent weitergehen. Die Projektarbeit soll von nachfolgenden Schülern und Studierenden weiterentwickelt werden. Schulleiter Johannes Kohtz-Cavlak kündigte bei der Preisverleihung am Dienstag zudem an, jährlich fünftägige Reisen für Schülergruppen in die
Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz
in Polen zu organisieren. Der Auftakt mit mehr als 300 Teilnehmern ist im Herbst 2021 geplant. Großes Interesse hat das Kolleg auch an einem Austausch mit Schulen in Israel,
den der Freundeskreis der Bochumer Synagoge ab 2021 verstärkt anbahnen und begleiten will.
Auch das hätte die Großeltern von Ludmilla Heifeca ganz sicher sehr gefreut.