Bochum. Eine syrische Familie wirft dem Bochumer Rettungsdienst rassistisches Verhalten vor. Im Fokus: ein Einsatz bei der Oma. Die Stadt widerspricht.
Eine Bochumer Familie erhebt Vorwürfe gegen den städtischen Rettungsdienst. Während eines Einsatzes hätten zwei Helfer eine 73-jährige Syrerin rassistisch beleidigt. Die medizinische Versorgung sei verspätet erfolgt. Die Feuerwehr weist die Kritik zurück und spricht von Missverständnissen.
Am frühen Morgen des 14. Mai hatten die Angehörigen an der Reichsstraße in Hamme den Notruf gewählt. „Meine Mutter ist schwer herzkrank. Sie war nahezu bewegungsunfähig und befand sich in einem kritischen Zustand“, schildert der Sohn Imad Isken. Die Sanitäter hätten versucht, mit der Seniorin zu reden. „Ich sagte, dass sie seit fünf Jahren hier lebt und der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Deshalb stand ich als ,Dolmetscher’ bereit.“
Vorwürfe gegen Bochumer Feuerwehr: Familie empört über Noteinsatz
Was nach Darstellung der Familie folgte, bewerten die Bochumer als verletzend und rassistisch. „Wenn man fünf Jahre in Deutschland lebt, muss man deutsch können, oder man überlegt sich, ob man hier noch weiter leben möchte“, habe der Sanitäter gesagt. Seine Kollegin habe immer wieder zustimmend genickt.
Die Familie sei ruhig geblieben. „Wir wollten doch nur, dass Oma schnell geholfen wird“, sagt eine Enkelin. Doch die 73-Jährige sei weiter gedemütigt worden. „Sie konnte aufgrund ihres Gesundheitszustandes weder allein laufen noch stehen. Die Sanitäter ignorierten dies und drängten meine Mutter mehrmals aufzustehen, indem sie sie grob an den Armen packten und losließen. Sie fiel bei jedem Versuch immer wieder auf die Couch.“
Feuerwehr distanziert sich von den Vorwürfen
Als eine Tochter einschritt, sei sie von einem Sanitäter laut schreiend ins Nachbarzimmer zurückgeschubst worden. Erst nach 30 Minuten sei die Patientin ins Bergmannsheil gefahren worden. Eine Begleitung durch ein Familienmitglied sei verwehrt worden. „In der Klinik wurde festgestellt, dass Mutters Herzfunktion nur noch bei 20 Prozent lag. Sie hatte Herzrasen, eine ihrer Nieren funktionierte nicht“, berichtet Imad Isken, der sich „zutiefst enttäuscht“ zeigt: „Bei einem Rettungseinsatz sollten Herkunft und Sprachkenntnisse doch wohl keine Rolle spielen.“
Ausdrücklich distanziere sich die Rettungsdienst-Besatzung ebenso wie die Feuerwehr Bochum von Vorwürfen der Diskriminierung, entgegnet Sprecher Dominic Iven auf Anfrage der WAZ. „Ausgesprochenes ist teilweise nicht das Gehörte, wodurch schnell Vorurteile oder eben auch diskriminierende Äußerungen vermutet werden“, so Iven. Dies sei aber auf Missverständnisse zurückzuführen.
Sprecher bestätigt „sprachliche Problematik“
Tatsächlich habe es eine „sprachliche Problematik“ gegeben, wodurch die Verständigung mit der Patientin deutlich erschwert war. „Insgesamt beschreibt die Besatzung die Atmosphäre als sehr aufgeregt“, so Iven. Dabei sei es insbesondere um die Begleitung im Rettungswagen gegangen. „Die ist allerdings aufgrund der Pandemielage nach wie vor untersagt.“
Das Patientenwohl – „völlig unabhängig von Herkunft oder Abstammung“ – habe jederzeit an oberster Stelle gestanden, bekräftigt die Feuerwehr – auch bei der standardmäßigen Überprüfung der Mobilität. Dies könne eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Dass es allein um die Versorgung der Patientin gegangen sei, zeige auch, dass ein Notarzt angefordert wurde. Dominic Iven: „Sollte ein anderer Eindruck entstanden sein, bitten wir dies ausdrücklich zu entschuldigen.“
Großmutter ist wieder zu Hause
Die Familie hat sich inzwischen anwaltlich beraten lassen. Das Wichtigste: Der 73-Jährigen, die aus einem Kriegsgebiet stammt, geht es wieder besser – nach knapp zwei Wochen im Bergmannsheil, davon vier Tage auf der Intensivstation. Imad Isken: „Uns ist bewusst, dass dies nur ein Einzelfall ist. Ich hoffe aber, dass unsere Beschwerde dazu beiträgt, Situationen wie diese künftig zu verhindern.“