Bochum. Wann gehen die Lichter wieder an? Wann kann endlich wieder getanzt werden? Die Bochumer Clubs hoffen auf den Herbst, sehen aber auch Risiken.

„Wenn der ganze Scheiß vorbei ist“, glaubt Tanja, „wird Bochum explodieren.“ Keine Angst: Die 24-Jährige plant keinen Anschlag. Bombenstimmung, sagt die BWL-Studentin beim WAZ-Gespräch im Bermudadreieck, werde beim Neustart der Clubs und Diskotheken herrschen. Am 1. September könnte es soweit sein. Die Nacht erwacht. Die Lichter gehen wieder an. Dunkel war es lange genug.

Die Pandemie ist allgegenwärtig. Doch die Nach-Corona-Zeit scheint näher zu rücken. Aus Sehnsucht wird Zuversicht. Auf die Rückkehr zur Normalität. Auf ein Leben, das auch und gerade in Bochum, dieser einst gräulichen Malocherstadt, einhergeht mit knallbuntem Feiern, mit Party, Freunden, Ausgehen. Nicht nur bei jungen Leuten. Nicht nur bei den Studenten. Auch bei Zehntausenden unternehmungslustigen Älteren in einer „Großstadt mit Lebensgefühl“, wie die Stadt-Werber in der „Bochum-Strategie“ schwärmen.

Corona in Bochum: Im Bermudadreieck wird schon wieder gefeiert

Wie immens der Nachholbedarf eineinhalb Jahre nach Ausbruch der Pandemie ist, zeigt sich im Bermudadreieck. Vor knapp zwei Wochen – die Inzidenz war stabil unter 100 gesunken – konnte die Partymeile wieder loslegen. Zwar nur für Gäste der Kategorie G: genesen, geimpft, getestet. Gleichwohl mit einem riesigen Andrang. Die Außenterrassen sind meist rappelvoll, Wartezeiten die Regel. Na und? „Ich wusste gar nicht mehr, wie ein frisch gezapftes Bier schmeckt“, lacht Jens (29) im „ThreeSixty“.

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Noch drei Monate, dann könnte auch die Club-Szene zu alter Form auflaufen. Voraussetzung laut neuer NRW-Schutzverordnung: Die Inzidenz liegt unter 35. Aktuell sind es 48,1. Was für Optimisten so viel bedeutet wie: machbar!

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Ab Montag kann sich auch die Zielgruppe impfen lassen

„Das Impfen ist das Einzige, das zählt“, sagt Frank Gerwers, der an der Viktoriastraße den Indie-Club „Trompete“ führt. Die Aufhebung der Priorisierung am kommenden Montag sei für die Branche extrem wichtig. „Nun hat auch unsere Zielgruppe, die 18- bis 25-Jährigen, die Möglichkeit, einen Termin zu bekommen. Sonst hätten wir bis Ende des Jahres keine Chance gehabt.“

Doch: Die Rahmenbedingungen müssen stimmen. „Wir haben die Schließung genutzt, um unsere Lüftung umzubauen und zu erweitern. Wir haben Desinfektions- und Reinigungspläne erstellt“, schildert Gerwers. „Aber ein Neustart mit Abstandsregeln würde bei uns keinen Sinn machen.“ Und: „Alles unter 100 Besuchern wäre wirtschaftlich nicht darstellbar.“ Ein weiteres Dilemma, das die Gastronomie plagt: Personalmangel. Etliche Minijobber haben sich in der Krise in andere Jobs verabschiedet.

„Jack
„Jack"s Partyzentrale“ am Hauptbahnhof war 2020 die erste Diskothek in Bochum, die in der Corona-Krise schließen musste. © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen

Prater dankt Vermieter und Partnern

Nach dem Aus für das ehemalige „Apartment 45“ und „Jack’s“ werde die Club-Landschaft in Bochum – auch dank der staatlichen Hilfen – überleben, sagt Gerwers. Auch in der größten Diskothek soll es weitergehen: im Prater in Hofstede.

Unternehmerstammtisch will schnellen Dialog

Der Neustart in Kunst, Kultur und Gastronomie war jetzt auch Thema am Bochumer Unternehmerstammtisch. Gründungsmitglied René Frauenkron und der Kulturschaffende Oliver Bartkowski hatten die Idee zu dem Austausch, an dem u.a. OB Thomas Eiskirch, Ralf Meyer (Geschäftsführung der Wirtschaftsentwicklung) und BO-Total-Veranstalter Marcus Gloria teilnahmen.

Ein Ergebnis: Die Stadt benennt einen Ansprechpartner für die Planung und Durchführung von Veranstaltungen im Bereich Kunst/Kultur und für die Gastronomie. Laut Unternehmerstammtisch hapert es vor allem am schnellen Dialog mit dem Gesundheits- und Ordnungsamt.

„Wir können uns nur bei unserem Vermieter und unseren Partnern aus der Wirtschaft bedanken, dass wir noch Luft haben, um weiter durchzuhalten“, sagt Thorsten Scheibe vom Prater-Team. Die dünne Perspektive für den September stehe allerdings in keiner Relation zu dem, was in die Hand genommen werden müsse, um einen sicheren Clubbetrieb zu gewährleisten. „Und wenn bei uns maximal 500 Leute kommen dürfen, dann sieht der Laden immer noch leer aus“, wendet Scheibe ein.

Warnung vor wirtschaftlichen Risiken

Größtes Problem zurzeit sei, an verlässliche Informationen zu kommen, unter welchen Voraussetzungen die Clubs überhaupt öffnen können. „Und wenn wir wieder öffnen, kann es immer noch sein, dass der Inzidenzwert wenige Wochen später wieder steigt. Dann müssen wir wieder schließen und stehen vor einem vollen Kühlhaus, deren Inhalt wir nicht verkaufen können.“ Dennoch „wollen wir alles Erdenkliche tun, an Informationen zu bekommen, wie wir uns bestmöglich vorbereiten“, sagt Scheibe.

Frank Gerwers bestätigt: Das wirtschaftliche Risiko sei groß. „Aber endlich gibt es eine Perspektive, ein Datum. Das ist motivierend.“ Für die Betreiber. Und für die explosive Tanja. Der Countdown läuft.

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