Emmerich-Elten. Der Eltener Pfarrer Égide Muziazia und das Bistum Münster machen rassistische Angriffe öffentlich. Was der 42-Jährige erleben musste.
Der Pfarrer der Pfarrei St. Vitus in Elten, Égide Muziazia, wurde in den vergangenen Wochen und Monaten mehrfach rassistisch angegriffen und beleidigt. Das machten der aus der Demokratischen Republik Kongo stammende Geistliche und das Bistum Münster nun gemeinsam in einer Pressekonferenz öffentlich. Unter anderem wurde Muziazia Ende April in der Emmericher Innenstadt von einem Mann bespuckt und mit dem Schimpfwort „Du Affe“ beleidigt. Die Pfarrei und das Bistum verurteilen die Anfeindungen scharf und sichern dem 42-Jährigen ihre Solidarität zu.
„Ich habe ein Jahr lang geschwiegen und das Kreuz alleine getragen. Ich wollte den Menschen in meiner Gemeinde keinen Schaden zufügen, dass sie schlecht in der Presse dastehen, als wären sie eine rassistische Gemeinde“, sagte Égide Muziazia bei dem Gespräch im Pfarrheim St. Martinus. Nun entschied sich der Pfarrer der Pfarrei St. Vitus, zu der die Kirchorte Elten, Hüthum und Hochelten gehören, jedoch dazu, über die rassistischen Angriffe öffentlich zu sprechen.
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Rassistischer Kommentar auf Facebook
Diese hatte er bereits unmittelbar vor seiner Amtseinführung am 2. Juli 2023 erleben müssen. In einer lokalen, öffentlichen Facebook-Gruppe hatte ein unbekannter Nutzer in der Kommentarspalte rassistisch gefragt: „Was wollen wir hier mit einem schwarzen Pastor?“ So berichtete es Gemeindemitglied Tanja Meulemann, die diesen später gelöschten Beitrag mit Bestürzung gelesen und die Pfarrei darüber informiert hatte. „Es ist das Letzte, so feige auf Social Media über unseren Pfarrer zu schreiben, der damals noch gar nicht da war“, sagte Meulemann.
„Es ist ebenso beschämend wie erschreckend, dass es solche Vorfälle im 21. Jahrhundert noch immer gibt“
Der Vorfall in der Emmericher Innenstadt, bei dem er nicht nur rassistisch beleidigt, sondern auch bespuckt wurde, habe ihm weh getan, meinte Égide Muziazia. „Ich bin dem Mann im Auto hinterhergefahren, habe ihn aber an einer Ampel aus den Augen verloren.“ Der Eltener Pfarrer erstattete daraufhin Anzeige bei der Polizei, die den Angreifer ermitteln konnte. Ende Juni sei jedoch das Verfahren eingestellt worden, so Muziazia. Auf das angebotene Sühneverfahren mit einer Schiedsperson habe er verzichtet.
„Das Verfahren ist seinerzeit mangels Vorliegen eines öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung eingestellt worden, wobei der Geschädigte auf den Privatklageweg verwiesen wurde“, antwortete Johannes Hoppmann, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Kleve, auf NRZ-Anfrage. Die Staatsanwaltschaft habe jedoch die aktuelle Berichterstattung zum Anlass genommen, „die Akten bei der Bußgeldstelle des Kreises Kleve zum Zwecke der Überprüfung der seinerzeit erfolgten Einstellungsverfügung anzufordern“.
Rassismus im Alltag
Im Innenhof der Volksbank kam es Ende Juli zu einem weiteren Vorfall. „Ein Mann, der sich auf einem Balkon befand und der mich sah, begann auf einmal und ohne jeden ersichtlichen Grund, mich rassistisch zu beschimpfen“, heißt es in einem persönlichen Statement, das Égide Muziazia bei der Pressekonferenz verlesen ließ. Selbst fügte er hinzu, dass er ein hohes Maß an Alltagsrassismus erlebe – an der Supermarktkasse („Lass doch mal den Neger vor!“) oder auf dem Dorfplatz bei den Sinterklaas-Feierlichkeiten 2023, als er auf Niederländisch bzw. Plattdeutsch als „echte zwarte Piet“ bezeichnet worden sei.
Ausschlaggebend dafür, den Rassismus nicht mehr stillschweigend über sich ergehen zu lassen, sei allerdings ein Vorfall gewesen, den sein Nachbar Hans-Jörgen Wernicke selbst miterlebte. Der Eltener schilderte auf der Pressekonferenz, wie er eigentlich gerade mit dem Pfarrer ins Gespräch kommen wollte, als er in seinem Garten ungeheuerliche Rufe eines Mannes von einem nahen Balkon vernahm. Es waren unüberhörbar rassistische Beleidigungen gegenüber Égide Muziazia und seinen beiden Begleiter. Wernicke schritt ein. „Ich wollte ganz klarmachen: Das geht nicht. Du bist nicht allein und kannst auf mich zählen, wenn es drauf ankommt.“
Weihbischof Lohmann: „Kein Platz für Hass“
Der für den Niederrhein zuständige Weihbischof Rolf Lohmann zeigte sich von den rassistisch motivierten Übergriffen „sehr erschrocken“ und machte deutlich: „In unserer Gesellschaft gibt es keinen Platz für Intoleranz, für Rassismus, für Hass. Die gesamte Leitung des Bistums Münster, mit Bischof Felix Genn an der Spitze, steht in großer Solidarität an der Seite von Pfarrer Égide Muziazia. Ich bin überzeugt: Wir sind mehr als die, die Rassismus, Hass und Intoleranz verbreiten.“
In seinem Statement dankte der 42-Jährige für die „große Hilfsbereitschaft und Solidarität“, die er bereits von „sehr vielen Menschen aus der Pfarrei und aus dem Bistum“ erfahren habe. „Ich mache einen klaren Unterschied zwischen den mir unbekannten Personen, die mich rassistisch angefeindet haben und den vielen wohlwollenden und mir wohlgesinnten Menschen, die es sowohl in der Pfarrei als auch in der Stadt und den Dörfern gibt. Zugleich muss ich sagen: Es ist ebenso beschämend wie erschreckend, dass es solche Vorfälle im 21. Jahrhundert noch immer gibt.“
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Das sagen der Ortsvorsteher und der Bürgermeister
Albert Jansen, Ortsvorsteher in Elten, bat öffentlich „im Namen fast aller Eltener“ um Entschuldigung. „Vielleicht waren wir ein bisschen naiv und haben gedacht, in Elten ist die Welt noch in Ordnung. Sie ist auch hier nicht mehr in Ordnung“, sagte Jansen. Er rief alle dazu auf, gegen alltäglichen Rassismus aufzustehen. „Wir können nicht hinnehmen, dass unser Pastor angegriffen wird. Wir müssen unsere Vereine sensibilisieren und so die Bevölkerung mitnehmen.“
„Entsetzt und sprachlos“ zeigte sich Emmerichs Bürgermeister Peter Hinze im Gespräch mit der NRZ. „Rassismus und Diskriminierung haben keinen Platz in unserem Stadtleben.“ Hinze telefonierte am Dienstag umgehend mit Égide Muziazia und zollte ihm Respekt für seinen Mut.
Für das Bistum Münster war die Pressekonferenz in Elten die erste wegen Rassismus gegen Geistliche, wie Stephan Kronenburg, Pressesprecher des Bistums, sagte. Renate Brunnett, Referentin für die Priester der Weltkirche im Bistum Münster, lobte Égide Muziazias „große Persönlichkeit. Es erfordert Mut und Stärke, aus der Opferhaltung heraus an die Öffentlichkeit zu gehen“.
+++ Kommentar und Stellungnahme des Integrationsrates +++
Lesen Sie hier einen Kommentar und weitere Reaktionen zu den rassistischen Anfeindungen gegen Égide Muziazia.